Die Startup-Landschaft verändert sich kontinuierlich, und mit ihr auch die Art und Weise, wie Gründer ihre Unternehmen führen. Ein frischer Ansatz, der in diesem Kontext zunehmend Beachtung findet, ist das Konzept des sogenannten God Mode, das 2024 neu definiert wurde. Dieser Begriff hat seinen Ursprung in der Beobachtung traditioneller Gründer- und Managementstile, geht aber weit darüber hinaus und bietet eine tiefere, umfassendere Perspektive auf die Herausforderungen und Chancen, die Unternehmensgründungen heute mit sich bringen. God Mode ist eine Weiterentwicklung der schon bekannten Gründer- und Managerrollen und umfasst drei essenzielle Elemente: Wachstum, Optimierung und Zerstörung. Diese Triade verbindet die Notwendigkeit eines schnellen Wachstums in der Anfangsphase eines Startups mit der wichtigen Phase der Prozessoptimierung und mündet schließlich in einem radikalen Schritt – der bewussten Zerstörung bestehender Strukturen, um Platz für Neues und Effektiveres zu schaffen.
Diese letzte Phase ist es, die God Mode von herkömmlichen Managementmodellen unterscheidet und zugleich die größte Herausforderung für Gründer darstellt. Zu Beginn eines Startups dominiert fast ausschließlich das Ziel der schnellen Skalierung, oft unterstützt durch externe Finanzierung. Das Wachstum ist essentiell, um eine Marktposition zu sichern und erste Erfolge vorzuweisen. Doch sobald sich ein Produkt oder eine Dienstleistung etabliert hat, wird das reine Wachstum zunehmend begrenzt, und die Notwendigkeit, interne Abläufe effizienter zu gestalten, tritt in den Vordergrund. Hier kommt die Optimierungsphase ins Spiel, die viele Unternehmen bereits gut beherrschen und die auch in traditionellen Managementansätzen wie dem von Paul Graham beschriebenen Manager Mode zu finden ist.
Doch Optimierung allein reicht nicht aus, wenn es darum geht, einzigartige Marktführerschaften zu schaffen und langfristig skalierebare Geschäftsmodelle aufzubauen. Genau an dieser Stelle hebt sich God Mode ab: Die bewusste sowie strategisch eingesetzte Zerstörung bestehender Modelle oder Prozesse, ähnlich einer invasiven Operation, befreit Unternehmen von veralteten oder ineffizienten Elementen und schafft Raum für Innovation und nachhaltiges Wachstum. Diese Zerstörung erfordert ein hohes Maß an Überblick, Transparenz und Kontrolle – eine omnipräsente Sicht auf das gesamte Geschäftsmodell, die selten in größeren und komplexeren Unternehmen möglich ist. Deshalb ist God Mode vor allem in Unternehmen realistisch, in denen einzelne Gründer oder sehr kleine Gründerteams eine nahezu vollständige Kontrolle und Wissen über das Unternehmen besitzen. Beispiele aus der Praxis sind etwa Gumroad, ein Unternehmen, das von einem Solo-Gründer geführt wird, oder auch Airbnb unter Brian Chesky, dessen Führungsstil teilweise diesem Modell entspricht.
Der Vorteil liegt auf der Hand: Nur durch diese Form der uneingeschränkten Kontrolle können entscheidende, oft riskante Maßnahmen wie eine drastische Preiserhöhung oder eine radikale Umstellung der Geschäftsprozesse schnell und ohne Verzögerungen umgesetzt werden. Ein zentrales Thema bei der Umsetzung von God Mode ist die Rolle der Gründer. Insbesondere solo-agierende Gründer profitieren von der Möglichkeit, Entscheidungen ohne langwierige Abstimmungsprozesse zu treffen. Doch diese Art der Unternehmensführung ist nicht ohne Kontroversen. Sie gleicht in gewisser Hinsicht einer Diktatur, bei der ein einzelner Mensch alle Fäden in der Hand hält.
Der Vergleich mit berühmten politischen Führern wie Lee Kuan Yew, der Singapurs Aufstieg durch autoritäre Maßnahmen forcierte, wird dabei gerne herangezogen, um die Notwendigkeit und Effektivität dieser Führungsform zu unterstreichen. Demstehen Gründer, die diese Mode zu früh oder zu spät einführen, häufig vor der Herausforderung, das Vertrauen von Investoren, Mitarbeitenden und Partnern zu verlieren. Nicht selten endet dies mit einem Führungswechsel oder der Abgabe von Kontrollbefugnissen. Die Balance zwischen autoritärer Führung und notwendiger Zustimmung ist daher essenziell, wenn auch schwer zu halten. Das Konzept von God Mode wirft auch ein anderes Licht auf die gängige Empfehlung vieler Startup-Inkubatoren und Accelerator-Programme, insbesondere von Y Combinator, der Co-Gründerpartnerschaften und Gleichberechtigung favorisiert.
Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Gründer, die durchsetzungsfähigen Einfluss benötigen, oftmals in einem solchen Equal-Fit-Modell Schwierigkeiten haben. Die Aufteilung der Gleichberechtigung führt nicht selten zu einer Machtverschiebung, die finale Entscheidungen verlangsamt oder verhindert. Dies bringt insbesondere in Krisensituationen enorme Nachteile mit sich, wenn schnelle und radikale Veränderungen unabdingbar sind. Um Herr der Lage zu sein, braucht es eine klare Hierarchie, die nicht unbedingt gleichberechtigte Partner zulässt, sondern eine Führungspersönlichkeit mit Rückhalt im Verwaltungsrat oder bei Investoren, die Entscheidungen durchsetzen kann. Diese Sichtweise widerspricht der vorherrschenden Doktrin vieler Gründerprogramme, erscheint aber in der Realität erfolgreicher Unternehmen durchaus nachweisbar.
Ein kontroverser Aspekt des God Mode ist die sogenannte kreative Zerstörung, die nicht immer mit Zustimmung der Kunden oder Mitarbeiter einhergeht. Ein aktuelles Beispiel dafür ist WordPress-Gründer Matt Mullenweg, der durch seine Entscheidungen Millionen Nutzer verärgerte und sogar zum Abgang zahlreicher Mitarbeiter führte. Trotz dieser Konflikte kann eine solche Entschlossenheit zur Umgestaltung dafür sorgen, dass langfristig bessere und anpassungsfähigere Produkte entstehen. Die Grenze zwischen notwendigem Wandel und rücksichtsloser Führung ist dabei fließend und verlangt ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein. Mit der fortschreitenden Digitalisierung und dem zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz verändert sich die Landschaft der Unternehmensführung weiter.
Software frisst die Welt, und KI frisst Software – so heißt es oft. Die Konsequenz daraus ist, dass viele manuelle Prozesse, Entscheidungen und Aufgaben zunehmend automatisiert werden. In diesem Kontext wird die Rolle des Gründers noch entscheidender, denn nur Menschen mit umfassender Kontrolle und einem hohen Grad an Entscheidungsgewalt können die radikalen Schritte ausführen, die für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit notwendig sind. Viele heutige Angestellte und selbst Gründer scheuen vor den Extremen zurück, die God Mode verlangt. Sie bevorzugen Sicherheit, Kompromisse und Zusammenarbeit, was in vielen Situationen auch sinnvoll ist.
Doch um wirklich bahnbrechende Innovationen und nachhaltigen Erfolg zu sichern, könnte die Zukunft einer Unternehmensführung durchaus mehr dem Modell eines einzelnen, entschlossenen und allwissenden Gründers ähneln. Die gesellschaftlichen Folgen dieses Wandels werfen weitere Fragen auf. Wenn immer mehr Aufgaben durch KI und automatisierte Systeme übernommen werden, wie sieht dann die Rolle des Menschen und der Arbeitnehmer aus? Dies ist eine Herausforderung, die nicht nur Gründer, sondern auch Regierungen und Gesellschaften beschäftigen muss. Soziale Sicherheitsnetze und Arbeitsmarktpolitik müssen sich an eine Welt anpassen, in der traditionelle Arbeit zunehmend obsolet wird. Gleichzeitig beweist die Praxis, dass Solo-Gründer trotz aller Herausforderungen erfolgreich sein können, wenn sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und diktatorisch harte Entscheidungen zu treffen.
Die Geschichte von Gumroad zeigt, wie ein Unternehmen unter einem einzelnen Gründer durch radikale Umstrukturierungen und Automatisierung schrittweise profitabler wurde, wenn auch auf Kosten persönlicher Belastungen. Abschließend kann festgehalten werden, dass God Mode eine neue Dimension der Gründerrolle beschreibt, die dem heutigen Unternehmertum eine klare Richtung geben kann. Sie fordert von Gründern nicht nur Entschlossenheit, sondern auch ein hohes Maß an Systemdenken, Führungskompetenz und die Bereitschaft, über den Tellerrand traditioneller Managementmethoden hinauszublicken. Wer diese Herausforderung annimmt, hat gute Chancen, sein Unternehmen zukunftsfähig und wettbewerbsstark aufzustellen – in einer Welt, die ständig im Wandel begriffen ist.