In der dynamischen Welt der dezentralen Finanzen (DeFi) sorgt derzeit ein bedeutender Rechtsstreit für Aufsehen: Der dezentrale Austausch Bancor hat eine Patentverletzungsklage gegen Uniswap eingereicht, einen der größten Konkurrenten im Bereich der dezentralen Börsen (DEX). Ziel der Klage ist es, die Verwendung von patentierter Technologie durch Uniswap zu stoppen und Schadensersatzforderungen geltend zu machen. Dieser Konflikt beleuchtet die Herausforderungen, die entstehen, wenn bahnbrechende Innovationen und offene Protokolle im DeFi-Sektor aufeinandertreffen. Bancor, Pionier im Bereich automatisierter Market Maker (AMM) mit smart contract-basierter Technologie, entwickelte 2016 ein Verfahren, das unter dem Namen „constant product automated market maker“ bekannt wurde. Dieses Verfahren ermöglicht es, mithilfe mathematischer Modelle Liquiditätspools so zu steuern, dass das Verhältnis von Vermögenswerten stets ausgewogen bleibt und automatisiertes Handeln in dezentralen Börsen ermöglicht wird.
Am 20. Mai 2025 gab Bancor öffentlich bekannt, dass es dieses Verfahren bereits im Januar 2017 patentieren ließ und nun gegen Uniswap vorgeht, dessen Protokoll im November 2018 auf den Markt kam und nach Auffassung von Bancor diese Erfindung ohne Genehmigung nutzt. Die Einreichung der Klage erfolgte beim US District Court für den südlichen Bezirk von New York. Neben Bancor selbst sind auch die Bprotocol Foundation und LocalCoin beteiligt, die Uniswap Labs und die Uniswap Foundation der unberechtigten Nutzung sowie der Anstiftung zur Patentverletzung beschuldigen. Im Fokus der rechtlichen Auseinandersetzung steht vor allem das fundamentale AMM-Verfahren, ohne das die besten dezentralen Börsen heute kaum vorstellbar sind.
Während Bancor als Erfinder gilt, hat Uniswap in den letzten Jahren eine führende Rolle im DeFi-Markt eingenommen. Uniswap gilt mit einem beispiellosen Handelsvolumen von mehreren Milliarden US-Dollar pro Tag als die zweitgrößte dezentrale Börse weltweit, während Bancor im Vergleich deutlich geringere Umsätze vorweisen kann. Diese Disparität der Marktmacht verleiht dem Rechtsstreit zusätzliche Brisanz. „Wenn Unternehmen wie Uniswap unkontrolliert agieren können, sehen wir die Gefahr, dass die Innovation in der gesamten Branche gehindert wird, was zum Nachteil aller Akteure im DeFi-Sektor wäre“, erklärte Mark Richardson, Projektleiter bei Bancor. Die Situation stellt jedoch nicht nur eine juristische Herausforderung dar, sondern betrifft auch die philosophischen Grundprinzipien von DeFi.
Viele Protokolle arbeiten nach dem Prinzip der Offenheit und des offenen Quellcodes, was Innovation und Zusammenarbeit fördern soll. Uniswap selbst bezeichnete die Klage daher als unbegründet und kündigte eine Verteidigung an. In einem Statement verwies ein Sprecher von Uniswap Labs darauf, dass der Code des Uniswap-Protokolls seit Jahren öffentlich zugänglich sei und dass die Klage eine unnötige Ablenkung darstelle, insbesondere in einer Phase, in der der DeFi-Sektor historisch stark wächst. Technisch gesehen basiert das AMM-Modell darauf, dass Liquiditätspools automatisch Preisfindungsmechanismen übernehmen, ohne dass ein zentraler Vermittler nötig ist. Diese Technologie hat den Handel mit Kryptowährungen revolutioniert, da sie den Zugang zu Märkten für jedermann ermöglicht und gleichzeitig eine hohe Effizienz gewährleistet.
Banken und traditionelle Institutionen beobachten diesen Rechtsstreit aufmerksam, da er möglicherweise wegweisend sein könnte für den Umgang mit Patenten in offenen Technologien. Die Frage, inwieweit Patentschutz im Bereich Blockchain und DeFi überhaupt angewandt werden kann und darf, ist juristisch komplex und von internationaler Bedeutung. Zwar kann Patentschutz Innovationen schützen und Investitionen sichern, doch er darf nicht zum Hemmnis für den technologischen Fortschritt werden, insbesondere nicht in einem Sektor, der so sehr auf Dezentralisierung und Transparenz angewiesen ist wie DeFi. Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht in New York den Fall beurteilen wird und welche Auswirkungen dieser Rechtsstreit auf die DeFi-Landschaft haben wird. Sollte Bancor Recht bekommen, könnten andere Projekte ihre Nutzung von ähnlichen Technologien überprüfen müssen, was möglicherweise zu einer verstärkten Regulierung und zu Lizenzierungsmodellen führen könnte.
Andererseits könnte ein Urteil gegen Bancor die starke Tendenz zu offenen, frei zugänglichen Protokollen bekräftigen und den Wettbewerb unter den DEX fördern. Der Konflikt zwischen Bancor und Uniswap zeigt beispielhaft, wie eng technologische Innovationskraft und rechtliche Rahmenbedingungen in der Kryptowelt miteinander verbunden sind. Er stellt eine Weichenstellung dar, die die Zukunft der dezentralen Finanzmärkte beeinflussen kann. Es ist auch ein Signal an Startups und etablierte Player, sorgfältig zwischen geistigem Eigentum und der offenen Natur von Blockchain-Projekten abzuwägen. DeFi ist ein Sektor, der sich rasant entwickelt, mit enormen Summen an Kapital und Innovationen, die das Finanzwesen von Grund auf verändern.
Dennoch braucht es klare Spielregeln, um nachhaltiges Wachstum zu gewährleisten. Abschließend ist der Rechtsstreit eine Mahnung, dass technologische Revolutionen auch juristische Herausforderungen mit sich bringen. Die Blockchain-Community steht nun vor der wichtigen Aufgabe, Wege zu finden, um Innovation und Rechtssicherheit miteinander zu vereinen, ohne dabei den Geist der Dezentralisierung zu verlieren. Die kommenden Monate werden zeigen, in welche Richtung sich die DeFi-Branche entwickelt und wie sich dieses Verfahren auf die Zukunft automatisierter Marktmodelle auswirken wird.