Der Begriff „Riding“ ist ein fester Bestandteil der kanadischen politischen Landschaft und wird heute oft verwendet, um Wahlbezirke auf Bundes-, Provinz- und Gemeindeebene zu bezeichnen. Für viele ist der Ausdruck ein geläufiges Wort im politischen Alltag, doch nur wenige wissen über die eigentliche Herkunft und die geschichtlichen Zusammenhänge Bescheid, die sich hinter diesem scheinbar einfachen Begriff verbergen. Das Verständnis der Herkunft von „Riding“ eröffnet einen faszinierenden Einblick in die historischen Verwaltungsstrukturen, sprachlichen Entwicklungen sowie deren Einfluss auf die politische Terminologie in Kanada. Ursprung in England und Skandinavien Der Begriff „Riding“ hat seine Wurzeln im mittelalterlichen England, aber sein Ursprung lässt sich noch weiter zurückverfolgen – bis in die Zeiten der Wikinger. Historisch gesehen geht der Ausdruck auf das altnordische Wort „þriðing“ (ausgesprochen als „thiding“) zurück, was so viel bedeutet wie „ein Drittel“.
Das Konzept der teilweisen Unterteilung von Gebieten in Drittel war damals eine gängige Praxis, die insbesondere in den skandinavischen Ländern während der Wikingerzeit üblich war. Verwaltungsbereiche wurden oft in drei Teile geteilt – sogenannte „þriðjungr“ – womit eine effektive Verwaltung und Kontrolle großer Territorien erleichtert wurde. Mit den Wikingern gelangte diese Praxis schließlich nach England, insbesondere während und nach den Invasionen und Besiedlungen zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert.
Anglo-Sächsische Gebiete und später auch die englischen Grafschaften übernahmen diese administrative Unterteilung. Besonders prägnant ist das Beispiel von Yorkshire, einem der größten historischen Grafschaften Englands. Yorkshire wurde traditionell in drei „Ridings“ unterteilt: den East Riding, West Riding und North Riding. Die Zuordnung dieser Drittel basierte auf geografischen und administrativen Gesichtspunkten, wobei jeder Abschnitt seine eigene Verwaltung hatte. Sprachliche Entwicklung des Begriffs Das altenglische Wort „ridan“ oder das mittelenglische „riden“ bedeuteten ursprünglich „reiten“.
Durch die Einwirkung des altnordischen „þriðing“ entwickelte sich daraus im Laufe der Zeit das Wort „riding“, das nun die Bedeutung von „einem Drittel eines Verwaltungsgebiets“ annahm. Interessanterweise hält sich seit Längerem der Mythos, dass sich der Begriff „Riding“ davon ableiten würde, wie weit das Gebiet auf einem Pferd innerhalb eines Tages oder innerhalb eines bestimmten Zeitraumes geritten werden konnte. Historisch lässt sich diese Annahme jedoch nicht belegen und gilt als weitverbreitetes Missverständnis. Im Laufe der Zeit veränderte sich zudem die Aussprache und Schreibweise. Die ursprünglich mit einem „th“ beginnende Silbe wurde durch den Einfluss der Himmelsrichtungen (North, South, East, West) abgeschnürt, sodass aus „thriding“ schließlich das einfachere „riding“ wurde.
Diese sprachliche Evolution fand im englischen Sprachraum breite Verwendung und wurde im Lauf der Jahrhunderte fest etabliert. Übertragung nach Kanada Die koloniale Geschichte Kanadas führte dazu, dass viele politische und administrative Begriffe aus England übernommen wurden. Im 18. und 19. Jahrhundert, als die Verwaltungssysteme Kanadas sich entwickelten und das politische System Struktur annahm, fand der Begriff „Riding“ seinen Weg in die kanadische Terminologie.
Ursprünglich bezeichnete „Ridings“ innerhalb der britischen Kolonien Unterteilungen von Grafschaften oder Bezirken, die der Verwaltung und Organisation dienten. Kanada adaptierte den Begriff speziell in den englischsprachigen Provinzen, um Wahlkreise zu benennen. Diese Wahlkreise fungierten als räumliche Einheiten, in denen Vertreter für unterschiedliche politische Ebenen gewählt wurden – sei es auf Bundes-, Provinz- oder Kommunalebene. In Kanada ist der Begriff heute geläufig und prägt maßgeblich die politische Sprache. So sprechen die Kanadier vom „Riding“ eines Abgeordneten, oder wählen Kandidaten in ihrem „Riding“.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Bildung sogenannter „Riding Associations“, die als lokale Parteigliederungen fungieren. Diese Organisationen sind eng mit dem Begriff verknüpft und stellen den Bezug der politischen Parteien zu ihren Mitgliedern und Wählern auf regionaler Ebene sicher. Moderne Bedeutung und Verwendung Heutzutage wird „Riding“ synonym zum Begriff „Wahlkreis“ oder „Wahlbezirk“ verwendet – im Englischen ebenso wie im Französischen, wobei im Französischen meist „circonscription électorale“ benutzt wird. Dieser Begriff hat im Gegensatz zu anderen Nationen, die den Ausdruck „constituency“ oder „district“ verwenden, in Kanada einen besonderen Stellenwert. Er symbolisiert die historische Verwurzelung des politischen Systems sowie die Verbindung zu den europäischen Wurzeln des Landes.
Die Verwendung von „Riding“ verweist zudem auf die vielschichtige politische Landschaft Kanadas, in der föderale, provinziell-fraktionelle und kommunale Wahlkreise existieren. Jeder „Riding“ stellt eine wichtige Einheit zur Repräsentation der Bevölkerung dar und spielt eine Schlüsselrolle bei der Ausgestaltung der repräsentativen Demokratie in Kanada. Mythen und Missverständnisse rund um den Begriff „Riding“ Wie bereits erwähnt, hält sich die Legende, dass der Begriff „Riding“ aus der Entfernung abgeleitet sei, die ein Abgeordneter auf dem Pferd innerhalb eines Tages überwinden konnte, um seinen Wahlbezirk zu repräsentieren. Diese weit verbreitete Erklärung ist allerdings historisch nicht haltbar und wurde durch zahlreiche linguistische und historische Studien entkräftet. Vielmehr ist die tatsächliche Herkunft des Begriffs in der Teilung von Verwaltungsgebieten in Drittel (Drittelungen) zu sehen, wie sie früher in Yorkshire und anderen Teilen Englands praktiziert wurde.
Somit ist die Verbindung zum „Reiten“ im Sinne der Entfernung oder Transportmittel eher zufällig und ein Aufbau von populärer Folklore. Politische und kulturelle Bedeutung des Begriffs Der Begriff „Riding“ trägt nicht nur eine administrative Funktion, sondern besitzt auch eine symbolische Dimension innerhalb der kanadischen Politik. Er steht für die Verankerung der demokratischen Institutionen in der regionalen Gemeinschaft und die Nähe von Politikern zu ihren Wählerinnen und Wählern. Zugleich spiegelt er die historische Verbindung zu einem einzigartigen europäischen Erbe wider, das Kanadas politische Kultur prägt. Ridings – veränderlich und lebendig Seit der Einführung und Nutzung des Begriffs hat sich die politische Geografie Kanadas mehrfach gewandelt.