Harrison Ruffin Tyler ist am Memorial Day-Wochenende 2025 im Alter von 96 Jahren verstorben. Als letzter lebender Enkel von John Tyler, dem 10. Präsidenten der Vereinigten Staaten, war er eine lebendige Brücke zwischen der amerikanischen Vergangenheit und Gegenwart. Sein Leben reflektierte nicht nur die Geschichte einer prominenten Familie, sondern auch den amerikanischen Traum von Unternehmertum, Innovation und kulturellem Erbe. Geboren am 9.
November 1928 in Richmond, Virginia, wuchs Tyler in einer Zeit auf, die von dramatischen gesellschaftlichen Wandlungen geprägt war. Seine familiäre Geschichte unterschied sich jedoch grundlegend von den meisten Menschen seiner Generation. Sein Großvater, John Tyler, wurde 1841 Präsident, und dessen Nachkommen zeichneten sich durch außergewöhnliche Langlebigkeit aus. Die späten Vaterschaften ermöglichten es, dass drei aufeinanderfolgende Generationen – von John Tyler über Lyon Gardiner Tyler bis zu Harrison Ruffin Tyler – im 20. Jahrhundert lebten, was heute fast unmöglich scheint.
Harrison Ruffin Tyler war nicht nur eine historische Persönlichkeit durch seine Abstammung, sondern auch durch seine vielfältigen Leistungen und seine Leidenschaft zur Bewahrung von Geschichte. Er besuchte die angesehene St. Christopher’s School in Richmond, bevor er ein Studium an der College of William & Mary begann – einer Institution mit großer familiärer Bedeutung, denn sein Vater Lyon Gardiner Tyler war dort langjähriger Präsident. Trotz familiärer Verbindungen wurde Harrisons Ausbildung durch eine großzügige Spende von Lady Astor finanziert, die ihm das Studium ermöglichte, obwohl sie ihn nie persönlich getroffen hatte. Seine akademische Laufbahn setzte er an der Virginia Tech fort, wo er Chemieingenieurwesen studierte.
Studium und Berufswahl spiegelten von Anfang an Harrisons Interesse an wissenschaftlicher Innovation und praktischer Anwendung wider. Harrison Ruffin Tyler war Mitbegründer des Chemikalienunternehmens ChemTreat im Jahr 1968, das sich auf industrielle Wasseraufbereitung spezialisierte. Sein Unternehmen trug dazu bei, große Firmen wie Philip Morris und Kraft Foods mit nachhaltigen Lösungen zu versorgen. Die Führung und schrittweise Übergabe des Unternehmens an Mitarbeiter zeugten von seiner unternehmerischen Weitsicht und dem Glauben an die Bedeutung von Gemeinschaft und Teamarbeit. Schließlich wurde die Firma vom Danaher-Konzern übernommen, doch die Grundsätze von Innovation und nachhaltigem Geschäft blieben vom Ursprung ihres Gründers geprägt.
Trotz seines beruflichen Erfolgs war Harrison Ruffin Tyler vor allem als engagierter Bewahrer amerikanischer Geschichte bekannt. 1975 erwarb er die Sherwood Forest Plantage, das Familienanwesen in Charles City County, Virginia, das über Generationen hinweg im Besitz der Tylers war. Gemeinsam mit seiner Frau Francis Payne Bouknight restaurierte er das Anwesen, das für sein beeindruckendes Holzrahmenhaus – das längste in den Vereinigten Staaten – bekannt ist. Sherwood Forest ist nicht nur wegen seiner Architektur bedeutsam, sondern auch für seine Mythen und Geschichten. Der Legende nach spukt dort seit über 200 Jahren der „Gray Lady“ Geist, der in einem der Räume zu hören ist.
Eröffnet für die Öffentlichkeit, dient das Anwesen heute als kulturelles Erbe, das Besuchern einen einzigartigen Einblick in die Geschichte des amerikanischen Südens gewährt. Neben Sherwood Forest widmete sich Tyler auch weiteren Erhaltungsprojekten. Er finanzierte die Restaurierung von Fort Pocahontas, einer wichtigen Baustruktur aus dem Bürgerkrieg, die von afroamerikanischen Soldaten der 1st U.S. Colored Troops erbaut wurde.
Das Engagement Harrisons hier zeigt seine Wertschätzung für die vielschichtige Geschichte seines Heimatbundesstaates und seinen Einsatz, Geschichten aller Amerikaner zu bewahren und sichtbar zu machen. Besonders bemerkenswert war auch Harrisons großzügige Unterstützung der College of William & Mary. 2001 spendete er nicht nur zahlreiche historische Dokumente und Bücher, sondern auch eine Summe von fünf Millionen US-Dollar, die der Geschichte der Universität zugutekommt. Aufgrund dieses außergewöhnlichen Beitrags wurde die Historische Abteilung der William & Mary 2021 in seinem Namen benannt. Diese Geste steht im Einklang mit seiner Überzeugung, dass die Vergangenheit nicht nur bewahrt, sondern auch zugänglich gemacht werden muss, um zukünftigen Generationen Verständnis und Wissen zu vermitteln.
Seine Verbindung zu bedeutenden historischen Persönlichkeiten und Ereignissen hat Harrison Ruffin Tyler oft ins Rampenlicht gerückt. Bereits als Kind wurde er in das Weiße Haus eingeladen, um Franklin D. Roosevelt zu treffen. Seine Lebensgeschichte wurde über Jahrzehnte hinweg dokumentiert und erzählt, da sie eine ungewöhnliche direkte Verbindung zur Zeit vor dem Bürgerkrieg darstellte. Er war ein lebendes Zeugnis einer Zeit, die für die meisten Menschen nur noch in Büchern überliefert ist.
Auch seine familiäre Herkunft ist von großer historischer Bedeutung. Sein Großvater, John Tyler, war nicht nur Präsident, sondern auch ein bedeutender Befürworter der Konföderation. Die Familie entsprach den Traditionen und Einstellungen der Zeit und der Region, was sie zu einem Symbol für die komplexe Vergangenheit Virginias und der gesamten Südstaaten macht. Trotz der Kontroversen um diese Vergangenheit setzte Harrison Ruffin Tyler sich immer für eine reflektierte Erinnerungskultur ein. In seinen letzten Jahren lebte Tyler in einem Pflegeheim in der Region Richmond, nachdem bei ihm eine Demenz diagnostiziert worden war.
Seine Frau Francis war ihm 2019 vorausgegangen. Er hinterlässt drei Kinder und eine Reihe von Enkeln, die das Erbe der Familie weitertragen. Harrison Ruffin Tyler steht exemplarisch für eine seltene Verbindung von persönlicher Geschichte, nationaler Erinnerung und aktive Gestaltung der Zukunft. Sein Leben ist Ausdruck eines langen, bewegten amerikanischen Zeitalters, das vom 18. Jahrhundert bis ins digitale 21.
Jahrhundert reicht. Durch sein Engagement als Unternehmer, Bewahrer von Kulturerbe und großzügiger Wohltäter hat er bleibende Spuren hinterlassen. Die Geschichten rund um Sherwood Forest, die Restaurierung historischer Stätten und seine philanthropische Arbeit erinnern daran, wie wichtig es ist, Geschichte lebendig zu halten und die vielfältigen Facetten der amerikanischen Identität zu bewahren. Harrison Ruffin Tyers Tod markiert das Ende einer Ära, doch sein Vermächtnis wird weiterhin in den Mauern des Sherwood Forest Plantation, in den Archiven der William & Mary und im kollektiven Gedächtnis fortbestehen.