Der globale Darknet-Handel durch Kryptowährungen unterliegt im Jahr 2024 einem spürbaren Rückgang. Laut jüngsten Daten der Blockchain-Analytik-Firma Chainalysis sind weltweite Umsätze auf Darknet-Marktplätzen um rund 15 % gefallen. Diese Entwicklung steht jedoch im Kontrast zur bemerkenswerten Wachstumsdynamik, welche der russische Markt aufweist. Angeführt wird dieser von dem Darknet-Marktplatz ‚Kraken‘, der sich in Russland als führende Plattform etabliert hat und ein Wachstum der Krypto-Verkäufe um beeindruckende 68 % vorweisen kann. Dieses Phänomen spiegelt nicht nur regionale Besonderheiten wider, sondern auch tiefgreifende Veränderungen in der Struktur und Arbeitsweise von Schattenmärkten im digitalen Zeitalter.
Der Name ‚Kraken‘ sollte dabei nicht mit der bekannten, regulierten Kraken-Krypto-Börse verwechselt werden. In der dunklen Welt des Internets behauptet sich der gleichnamige Marktplatz als der erfolgreichste und umsatzstärkste Anbieter Russlands und hat traditionelle Konkurrenten wie den einstigen Marktführer Mega deutlich überholt. Während der Umsatz von Mega im Vergleich zum Vorjahr um über 50 % eingebrochen ist, beeindruckt der ‚Kraken‘ mit einem deutlichen Zuwachs, der die Umsätze auf etwa 737 Millionen US-Dollar im Jahr 2024 hochschraubte. Diese außergewöhnliche Entwicklung ist Teil einer umfangreicheren Transformation des Darknet-Ökosystems in Russland. Die Anbieter dort sind organisatorisch und technologisch enorm gewachsen.
Sie nutzen zunehmend spezialisierte Dienstleister, welche verschiedene Backend-Funktionen auslagern. So werden Hosting, Zahlungsabwicklung und Logistik über externe, oftmals schwer nachvollziehbare Dienstleister wie iKlad.biz und Klad.cc abgewickelt. Dadurch entsteht ein dezentraleres, professionelles System, das die Nachverfolgung durch Strafverfolgungsbehörden erschwert.
Interessanterweise ist die russische Darknet-Gemeinschaft keineswegs isoliert. Sie baut auf den Überresten früherer bekannter Plattformen wie Hydra Market auf, welcher im Jahr 2022 nach einer großangelegten Razzia zusammengebrochen war. Viele ehemalige Nutzer und Händler haben sich neu organisiert und ihre Aktivitäten auf Plattformen wie ‚Kraken‘ konzentriert, was eine Renaissance des Schwarzmarkts trotz behördlicher Gegenmaßnahmen ermöglicht. Die russischen Behörden zeigen sich entschlossen, derartigen Aktivitäten Einhalt zu gebieten. Das Beispiel der Verurteilung von Stanislav Moiseyev, dem Gründer des Hydra Markts, der im Dezember 2024 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, zeigt die Richtung des staatlichen Vorgehens.
Auch weitere Haftstrafen für seine Komplizen unterstreichen das Engagement der Strafverfolgungsbehörden. Nicht nur in Russland, sondern auch international eskaliert der Kampf gegen die Betreiber von Darknet-Marktplätzen. Ein Beispiel hierfür sind die Festnahmen im Mai 2024 in den USA, wo ein taiwanischer Staatsbürger namens Rui-Siang Lin verhaftet wurde. Er wird beschuldigt, den Incognito Market geleitet zu haben – einen Marktplatz, der nach einem sogenannten Exit-Scam im März 2024 verschwand. Die Ermittler konnten Lin auf Krypto-Transaktionen zurückführen, die zu einem Börsenkonto auf seinen Namen überwiesen wurden.
In den Anklagen stehen Cyber- und Finanzkriminalität im Vordergrund. Ein zentrales Problem aus Sicht der Geldwäscherei und Verfolgung ist die bislang dominierende Nutzung von Bitcoin. Aufgrund der transparenten Blockchain, auf der jede Transaktion offen einsehbar ist, birgt Bitcoin für Täter ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Daher vollzieht sich in der Szene ein Wandel hin zu privatsphärenorientierten Kryptowährungen, allen voran Monero. Diese Kryptowährung verschleiert Transaktionsdetails wie Absender, Empfänger und Beträge, was Trackern wie Chainalysis die Arbeit deutlich erschwert oder gar unmöglich macht.
Die tatsächliche Größenordnung von Transaktionen in Monero bleibt daher weitgehend im Verborgenen und wird nicht in den globalen Chainalysis-Berichten erfasst. Parallel hierzu verändert sich das Verhalten von Verkäufern und Käufern auf den Darknet-Marktplätzen. Früher stützten sich Verkäufer auf zentralisierte Börsen (Centralized Exchanges, CEX), um Kryptowährungen in reguläres Geld umzuwandeln. Im Jahr 2024 zeichnet sich jedoch ein signifikanter Trend ab: Immer mehr Kriminelle verlagern ihre Gelder auf dezentrale Finanzierungsplattformen (DeFi) oder persönliche Wallets. Diese Plattformen sind weniger reguliert, bieten keine Know-Your-Customer (KYC)-Validierungen und sind damit für Behörden schwerer zu überwachen.
Die Nutzung von DeFi als Cash-Out-Mechanismus erlaubt heimlichere Transaktionen und verhindert eine einfache Rückverfolgung. Insbesondere Großhändler im Darknet bevorzugen daher diese dezentrale Zahlungsabwicklung, während kleinere Händler oft weiterhin auf zentralisierte Lösungen zurückgreifen. Der russische Kryptomarkt im Untergrund divergiert somit erheblich vom globalen Trend, was vermutlich auch durch die geopolitische und rechtliche Situation getrieben wird. Internationale Sanktionen, verschärfte Überwachungen und die zunehmende Regulierung der Finanzmärkte scheinen die Akteure dazu zu veranlassen, sich besonders stark auf flexible, schwer kontrollierbare Instrumente zu stützen. Die Wachstumszahlen von ‚Kraken‘ sind deshalb ein Indiz für die Anpassungsfähigkeit und die Innovationskraft illegaler Akteure im digitalen Finanzökosystem.
Die Einflussnahme neuer Technologien zeigt sich auch im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI). Die Bekämpfung von Geldwäsche und der illegale Krypto-Handel werden zunehmend durch KI-gestützte Analyseverfahren unterstützt. Produkte wie Lucinity arbeiten mit graphbasierten Modellen, um Netzwerkstrukturen zwischen Krypto-Wallets zu erkennen und verdächtige Transaktionsmuster aufzudecken, die menschlichen Ermittlern entgehen könnten. Dennoch bleibt die Aufgabe schwierig, insbesondere wenn Transaktionen bewusst fragmentiert und über verschiedene Plattformen, Währungen und Regionen verteilt werden. Gleichzeitig entwickeln sich neue Marktplatzmodelle abseits klassischer Webportale.
Telegram-basierte Marktplätze gewinnen an Bedeutung und erreichen enorme Umsatzzahlen, ehe Betreiber und Dienste von Netzwerken wie Telegram selbst gestoppt werden. Ein Beispiel ist „Haowang Guarantee“, welches über Telegram Schwarzmarkttransaktionen im Wert von etwa 27 Milliarden US-Dollar abwickelte und erst 2025 von der Plattform abgeschaltet wurde. Solche Plattformen nutzen die Beliebtheit von Instant-Messaging-Diensten, um Zugriffshürden niedrig zu halten und die Anonymität von Nutzern besser zu schützen. Die Situation auf dem russischen Darknet-Markt ist somit ein Spiegelbild wirtschaftlicher Trends, technologischer Innovationen und regulatorischer Herausforderungen. Einerseits wächst mit ‚Kraken‘ ein dominanter Player, der durch professionelles Management und technologisches Know-how besticht.
Andererseits zeigt das Aufkommen von privacy-orientierten Coins und DeFi-Lösungen die Anpassungsfähigkeit des Untergrunds an globale und lokale Restriktionen sowie Überwachung. Diese Entwicklungen werfen wichtige Fragen für die Zukunft der Digitalwirtschaft und der Gesetzgebung auf. Wie können Behörden bei fortschreitender Dezentralisierung von Finanzdienstleistungen weiterhin effektiv gegen illegale Aktivitäten vorgehen? Welche Rolle spielen Datenschutz und Anonymität im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit? Und wie wirken sich geopolitische Konstellationen wie der russische Markt auf das globale Darknet-Netzwerk aus? Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der russische Darknet-Markt, angeführt von ‚Kraken‘, eine bemerkenswerte Ausnahmeerscheinung im globalen Trend darstellt. Während viele Länder einen Rückgang im illegalen Kryptowährungshandel auf Darknet-Plattformen verzeichnen, zeigt Russland ein kräftiges Wachstum. Die Verschiebung hin zu DeFi und Datenschutzmünzen, die Nutzung externer Dienstleister sowie die Anpassung an zunehmende Überwachung prägen die Landschaft.
Dieses komplexe Geflecht macht die russischen Darknet-Märkte zu einem wichtigen Gegenstand für Forschung, Überwachung und rechtliche Strategien zur Bekämpfung von Cyberkriminalität und Geldwäsche im 21. Jahrhundert.