Adam Curtis, bekannt für seine eindringlichen und tiefgründigen Dokumentationen, bringt im Juni 2025 eine neue bahnbrechende Serie namens Shifty auf BBC iPlayer heraus. Diese fünfteilige Serie setzt die Tradition fort, gesellschaftliche und politische Entwicklungen mit einer Mischung aus historischen Aufnahmen und einzigartigen Analysen zu erforschen. Shifty zeichnet ein vielschichtiges Bild davon, wie Extreme finanzieller Macht und eine Form des Hyperindividualismus in Großbritannien über die letzten vierzig Jahre eine unheilvolle Allianz eingingen, die das Fundament der Massen Demokratie ins Wanken brachte. Die Kernaussage der Serie lautet, dass diese Allianz das zentrale Merkmal einer demokratischen Gesellschaft zerstörte: die Fähigkeit, eine gemeinsame Realität zu schaffen und zu teilen. In den letzten 150 Jahren haben Menschen und Gesellschaften sich auf kollektive Vorstellungen, Handlungsspielräume und Sprache gestützt, um ihre Welt zu verstehen und zu ordnen.
Curtis zeigt auf, wie diese Grundlagen zunehmend zerfallen sind. Durch den Verlust gemeinsamer Bezugsrahmen entsteht eine klaffende Lücke zwischen der von Politikern, Journalisten und Experten vermittelten Wirklichkeit und der tatsächlichen Lebenswelt der Menschen. Das Resultat ist eine Gesellschaft, die sich in einem Zustand des ständigen Wandels und der Unsicherheit befindet – ein „trügerischer“, nahezu traumähnlicher Zustand, der von Misstrauen, Isolation und Orientierungslosigkeit geprägt ist. Die Serie vermittelt eindrucksvoll, wie sich das Vertrauen in politische Institutionen stetig verringert und warum politische Entscheidungsträger den Eindruck erwecken, die Kontrolle über die Entwicklungen verloren zu haben. Shifty nimmt die Zuschauer mit auf eine visuelle und emotionale Reise durch die letzten vier Jahrzehnte britischer Geschichte.
Die Kombination aus umfangreichem Archivmaterial, persönlichen Momentaufnahmen und Szenen der Absurdität öffnet Fenster in die komplexe Realität des Alltagslebens verschiedener Menschen. Berührende Augenblicke, wie Nonnen, die Cluedo spielen, werden ebenso gezeigt wie dunkle Kapitel, darunter rassistisch motivierte Angriffe und das Aufkommen von Verschwörungstheorien. Die Serie beginnt in den 1980er Jahren, einer Zeit, in der politische Figuren wie Margaret Thatcher die Macht des Finanzsektors gezielt einsetzten, um vermeintlich neue Herausforderungen einer komplexer werdenden Gesellschaft zu lenken. Doch schon bald geriet diese Finanzmacht außer Kontrolle. Das Geld „entfesselte“ sich und führte zur Destabilisierung, während der Hyperindividualismus eine gesellschaftliche Fragmentierung förderte, die Gemeinschaftserfahrungen und den kollektiven Zusammenhalt schwächte.
Diese Entwicklung untergrub weitreichend die Idee, dass Menschen sich in Gruppen zusammenschließen können, um gemeinsam politische und soziale Ziele zu verfolgen. Der daraus entstehende gesellschaftliche Zustand mit seiner atomisierten Struktur sorgt dafür, dass sich Einzelne zunehmend isoliert fühlen und Orientierungshilfe vermissen. Shifty zeigt, dass die Suche nach einem neuen Sinnbild für die Gesellschaft, nach einem neuen „Landkarte“, das die Realität treffend beschreibt, dringlicher ist denn je. Adam Curtis gelingt es mit Shifty, nicht nur gesellschaftliche und politische Umbrüche zu analysieren, sondern auch die emotionalen und psychologischen Auswirkungen auf die Bevölkerung zu erforschen. Die Serie vermittelt die Empfindung, Teil einer komplexen und unsteten Welt zu sein, die sich permanent wandelt und kaum greifbar ist.
Die Auswahl des Materials und der Stil der Präsentation bieten eine neue Herangehensweise an dokumentarisches Erzählen. Die Verwendung von alltäglichen, oft bizarren oder überraschenden Szenen schafft einen unmittelbaren Zugang zur Lebensrealität, der weit über reine politische Chroniken hinausgeht. Dies macht Shifty zu einer einzigartigen Erfahrung, die das Publikum herausfordert, das Gezeigte nicht nur rational, sondern auch intuitiv und emotional zu verstehen. Mit Shifty liefert Adam Curtis nicht nur eine Analyse vergangener Entwicklungen, sondern stellt zugleich Fragen zur Zukunft Großbritanniens und demokratischer Gesellschaften insgesamt. Wie können wir einen gemeinsamen Sinn in einer zunehmend fragmentierten Welt finden? Wie lassen sich politische Instrumente anpassen, um mit der neuen Unübersichtlichkeit umzugehen? Und welche Rolle spielt die Medienberichterstattung dabei, den Verlust gemeinsamer Realitäten entweder zu beschleunigen oder zu kompensieren? Die Serie steht damit in der Tradition von Curtis’ vorherigen Erfolgen wie Russia 1985-1999: TraumaZone, das für einen BAFTA ausgezeichnet wurde, und HyperNormalisation, das ebenfalls für dessen tiefgreifende gesellschaftliche Einblicke gelobt wurde.
Shifty verspricht, nicht nur Fans des Regisseurs zu begeistern, sondern auch ein breites Publikum zu faszinieren, das sich für Politik, Gesellschaft und die condition humaine im digitalen Zeitalter interessiert. Der genaue Sendetermin wird noch bekanntgegeben, doch die Vorfreude auf die Veröffentlichung wächst. Für alle, die auf BBC iPlayer zugreifen können, bietet Shifty eine spannende Gelegenheit, die komplexen und oft undurchsichtigen Dynamiken unserer Zeit besser zu verstehen. Insgesamt ist Shifty ein vielschichtiges Werk, das die Verflechtung von Geld, Individualismus und Demokratie kritisch unter die Lupe nimmt. Es lädt dazu ein, die Herausforderungen der Gegenwart aus einer neuen Perspektive zu betrachten und über die Grundlagen nachzudenken, auf denen Gesellschaft und gemeinsames Verständnis basieren.
Die Serie vermittelt eindrucksvoll, warum es gerade jetzt entscheidend ist, neue Wege zu finden, um eine gemeinsame Basis in einer gespaltenen und unsteten Welt zu schaffen.