Über ein Jahrzehnt lang hat RGB-Beleuchtung die PC-Welt im Sturm erobert und das Erscheinungsbild von Gaming-Systemen radikal verändert. Angefangen mit ersten Motherboards, die farbige LED-Beleuchtung boten, bis hin zum allumfassenden Trend, der nahezu alle PC-Komponenten vom Gehäuse über die Tastatur bis hin zur Grafikkarte und sogar den Netzteilen erfasste. Doch nach Jahren der glitzernden Regenbogenfarbkaskaden scheint sich ein Umdenken breit zu machen. Hersteller setzen vermehrt auf schlichtere, unbeleuchtete Varianten, und viele Nutzer wünschen sich eine Reduzierung der Lichteffekte. Doch bedeutet das tatsächlich das Ende der RGB-Ära? Ein Blick auf die Historie und die aktuellen Entwicklungen verrät mehr.
Die Anfänge der RGB-Beleuchtung im PC-Bereich reichen zurück in eine Zeit, in der lediglich kalte Neonröhren in ein paar Farben genutzt wurden, um den Innenraum von Gehäusen zu beleuchten. Diese waren starr, unflexibel und schwer zu installieren, zudem konnten die Farben nicht einfach über Software geändert werden, sondern erforderten den Austausch der Lichtquelle. Der Durchbruch kam mit der Einführung programmierbarer RGB-Motherboards, wie dem MSI X99A Godlike, das mehrtausend farbige Lichtoptionen bot – im Vergleich zur früher verfügbaren eingeschränkten Farbpalette ein gewaltiger Fortschritt. In den Folgejahren wurde RGB zu einem festen Bestandteil der Gaming-Ästhetik. Gigabyte, Corsair, Lian Li und viele andere Branchenführer rüsteten ihre Komponenten mit aufwendig gestalteten Beleuchtungssystemen aus.
Die Beleuchtung breitete sich von den Motherboards auf Körbe von Peripheriegeräten aus: mechanische Tastaturen mit programmierbarer RGB-Beleuchtung, Mäuse, Lüfter und sogar Solid-State-Drives wurden bunt erleuchtet. Der Trend gipfelte in aufwendigen Gehäusen mit drei Glasfronten und einer Flut von Leuchtelementen, die das Innere des Systems in ein ständiges Farbenspiel tauchten. Doch nicht alle PC-Nutzer waren glücklich mit diesem Lichtzeitalter. Schon früh gab es Kritiker, die die zusätzlichen Stromverbrauch, die potenzielle Wärmeentwicklung und vor allem die Ablenkung durch zu viel Licht bemängelten. Zudem wurde das Verwalten der verschiedenen Steuerungssoftware für die unterschiedlichen RGB-Komponenten zu einer echten Herausforderung.
Es war nicht ungewöhnlich, dass Besitzer von RGB-Systemen mehrere Programme gleichzeitig nutzen mussten, um die Beleuchtung in Einklang zu bringen oder sie ganz auszuschalten. Für Puristen, die eine dezente Optik ohne Lichtexzesse bevorzugen, war der komplette Verzicht auf Beleuchtung oft nur durch den Griff zu teuren, workstation-orientierten Komponenten möglich. Die Pandemiezeit brachte einen besonderen Schub für den RGB-Trend mit sich. Während der Lockdowns investierten viele Menschen vermehrt in den eigenen PC, da Freizeitaktivitäten draußen größtenteils wegfielen. Die Nachfrage nach PCs mit auffälligen Glasgehäusen und vollausgestatteten RGB-Systemen stieg rasant an.
Gleichzeitig erlaubte die vermehrte Zeit zu Hause intensivere Modding-Projekte und das Austesten neuer Effekte. So erreichte der Hype um RGB in den frühen 2020er-Jahren seinen Höhepunkt. Doch ab 2024, 2025 ist eine graduelle Kehrtwende zu beobachten: Immer häufiger finden sich PC-Komponenten auf dem Markt, die bewusst auf RGB verzichten. Hersteller wie Lian Li und Fractal Design bieten Gehäusevarianten an, die ganz ohne Lichtlinien oder bunte LED-Ringe daherkommen. Selbst traditionell für ihre farbenfrohen Designs bekannte Firmen setzen zunehmend auf Modelle, die wahlweise mit oder ohne Beleuchtung ausgeliefert werden.
Ein auffälliges Beispiel ist der X50 Case von Hyte, der in sechs Farben erhältlich ist, dabei aber komplett ohne RGB-Beleuchtung auskommt. Stattdessen setzen Hersteller vermehrt auf hochwertige Materialien und klassische Farbgestaltungen. Diese Entwicklung entspricht dem Wunsch vieler Nutzer, die einen reduzierten oder gar keinen Einsatz von RGB-Beleuchtung bevorzugen. Während RGB nach wie vor in großen Teilen der Gaming-Community verankert ist, wächst die Gruppe der Anhänger zurückhaltender Designs. Gerade erfahrene PC-Builder und professionelle Anwender schätzen ein schlichtes Erscheinungsbild, das die hardwareseitige Konzentration auf Leistung und Kühlung widerspiegelt ohne visuelle Ablenkung.
Dieser Trend wird sich voraussichtlich weiter verstärken, bietet doch die Option, Beleuchtung zu deaktivieren oder erst gar nicht zu verwenden, ein deutlich entspannteres Nutzererlebnis. Darüber hinaus findet die RGB-Technologie eine spannende neue Spielwiese: Bildschirme und Displays in PC-Komponenten. Kleine LCD- oder OLED-Displays ersetzen zunehmend herkömmliche LED-Lichtbänder und bieten eine flexible, dynamische Präsentationsfläche. Bereits lange sind Bildschirme in All-in-One-Kühlungen (AIOs) zu finden, zunehmend kommen auch Lüfter mit integrierten Mini-Displays und sogar RAM-Module mit kleinen Touchscreens auf den Markt. Diese Displays erlauben es, weit über einfache Farbanpassungen hinauszugehen und Nutzern etwa die Live-Überwachung von Systemdaten, Animationen oder personalisierte Grafiken direkt auf der Hardware zu zeigen.
Dieses neue Kapitel der PC-Ästhetik verspricht eine Zukunft, in der Beleuchtung und visuelle Anpassungen noch vielfältiger und individueller werden. Während RGB-Fans an ihre bunten Farbspektakel gewöhnt sind, werden Puristen und Minimalisten durch die Wahl zwischen Farbwellen und funktionalen Bildschirmen gleichermaßen bedient. Die damals revolutionäre Funktion, Farbwechsel über Software zu koordinieren, findet nun ihre Fortsetzung in der Integration von bewegten Inhalten direkt auf den Komponenten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir sowohl das Ende der Überfülle an RGB-Beleuchtung erleben als auch den Beginn einer neuen Phase, deren Fokus mehr auf vielseitige, aber subtile visuelle Gestaltung liegt. Die Zukunft des PC-Baus scheint sich von einem fast unbegrenzten Lichtermeer hin zu einer flexibel anpassbaren und bewussten Ästhetik zu entwickeln.
Für PC-Enthusiasten aller Geschmäcker ist das eine gute Nachricht: Es gibt wieder mehr Auswahl, mehr Freiheit und vor allem weniger Kompromisse. Die Hardware-Branche hat offenbar verstanden, dass nicht jede Beleuchtung übertrieben sein muss, um zu begeistern. Ebenso wenig ist der Verzicht auf RGB gleichbedeutend mit Langeweile oder Technikverzicht. Die Balance zwischen Technik, Leistung und Design wird neu definiert – und die Evolution, die mit einer kleinen LED vor zehn Jahren begann, ist noch lange nicht abgeschlossen.