Seit Jahrzehnten faszinieren Pflanzen im All Wissenschaftler und Raumfahrtexperten gleichermaßen. Während Raumstationen bislang vor allem technische und wissenschaftliche Zwecke erfüllen, könnte die Zukunft in einer Symbiose aus Natur und Technologie liegen. Der Entwurf von sogenannte Space Gardens, pflanzengefüllte „Gärten“, die in eine Umlaufbahn um die Erde geschickt werden sollen, symbolisiert diesen neuen Ansatz. Die Vision ist, nicht nur Nahrung im Weltraum anzubauen, sondern auch ein Stück Natur und Heimatgefühl mit in die unendlichen Weiten des Alls zu nehmen. Die Wurzeln der Raumgarten-Experimente lassen sich bis in die 1970er Jahre zurückverfolgen, als russische Kosmonauten begannen, Pflanzen wie Zwiebeln im Weltraum anzubauen.
Diese waren essbar und später ein wichtiger Schritt in der Erforschung der pflanzlichen Weltraumzucht. Im Laufe der Jahre haben internationale Missionsprogramme Tomaten, Kresse, Zinnien und andere Kulturpflanzen an Bord von Raumstationen wachsen lassen. Ein bemerkenswertes Beispiel war eine chinesische Mondmission, die 2019 Baumwollsamen auf die Mondrückseite brachte. Diese Samen keimten zwar, starben aber an den extremen Temperaturschwankungen des lunaren Nachts. Das Projekt Space Garden ist aber weit mehr als nur eine wissenschaftliche Übung.
Es handelt sich um eine Kooperation zwischen dem Designstudio Heatherwick und dem Aurelia Institute for Space Architecture, die eine neue Perspektive auf das Leben und Arbeiten im Weltraum bieten wollen. Die Vision: Eine modulare, ästhetisch ansprechende Gartenstruktur, die nicht nur funktional ist, sondern auch psychologisch positive Effekte auf Menschen hat, die zukünftig regelmäßig ins All pendeln sollen. Pflanzen in geschlossenen, terrarienähnlichen Behältern versorgen Astronauten nicht nur mit Sauerstoff oder Nahrung, sie wirken zugleich beruhigend und verbessern das allgemeine Wohlbefinden in der isolierten Umgebung. Eine der Hauptanforderungen an Pflanzen im All ist ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber extremen Umwelteinflüssen. Kosmische Strahlung, Temperaturunterschiede und veränderte Atmosphärenbedingungen stellen für Samen und ausgewachsene Pflanzen enorme Herausforderungen dar.
Forscher wie Mike Dixon von der Universität Guelph in Kanada haben über Jahre hinweg Millionen von Samen ins All geschickt, um ihre Keimfähigkeit und Resistenz zu testen. Seine Forschung hat gezeigt, dass manche Samen nach der Rückkehr zur Erde problemlos keimen, selbst wenn sie Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius und etwas kosmischer Strahlung ausgesetzt waren. Überraschenderweise sind Pflanzen toleranter gegenüber solch harschen Bedingungen als Menschen, was die Bedeutung der Pflanzen für künftige Langzeitmissionen noch unterstreicht. Dabei ist nicht jede Pflanze gleich gut geeignet für das Weltraumleben. Wissenschaftlerinnen wie Ye Zhang vom Kennedy Space Center der NASA betonen, dass verschiedene Arten unterschiedlich stark auf die raumfahrtspezifischen Umweltbedingungen reagieren.
Tomaten und Salate etwa zeigen eine besonders hohe Empfindlichkeit. Folgeexperimente mit Samen verschiedener Sorten, die in speziellen Behältnissen außerhalb der Internationalen Raumstation (ISS) aufbewahrt wurden, ergaben aber positive Resultate: Radieschen, Blumenkohl und Senfgrün keimten zuverlässig, was auf eine gewisse Schutzfunktion der Umhüllung hindeutet. Ein kritischer Punkt beim Anbau von Pflanzen in der Schwerelosigkeit ist die Bewässerung. Im All ist das Verhalten von Wasser aufgrund der reduzierten Gravitation anders als auf der Erde. Eine Überwässerung kann Pflanzen stressen und sie damit anfälliger für Pilzbefall oder andere Mikroorganismen machen.
Das Management des Wasserhaushalts ist somit eine bedeutende technologische und biologische Herausforderung für die künftige Raumgärtnerei, die es zu meistern gilt. Die physische Belastung durch den Raketenstart ist für Samen unproblematisch, während etablierte Pflanzen durch Vibrationen und Beschleunigung unter Umständen beschädigt werden können. Zudem wird noch erforscht, wie sich Langzeitaufenthalte im Weltraum auf die Genetik der Pflanzen auswirken. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass Genesemuster, die mit dem Immunsystem zusammenhängen, sich im All verändern können. Eine solche genetische Anpassung könnte die Widerstandsfähigkeit, aber auch die Anfälligkeit der Pflanzen beeinflussen.
Die technische Umsetzung des Space Garden soll nicht nur in puncto Funktionalität überzeugen, sondern auch durch ein ansprechendes Design das öffentliche Interesse wecken. Die Gartenstruktur soll sich wie eine Art Samenkapsel öffnen und schließen können, sodass die Pflanzen optimal Licht erhalten, wobei die zentralen „Heldenspezies“ – etwa ein kleiner Feigen- oder Granatapfelbaum – durch dicke Fenster gegen schädliche Einflüsse geschützt sind. Diese modulare Mechanik ersetzt den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus der Erde und steuert somit die Lichtzufuhr im All. Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg dieses ambitionierten Planes ist die Senkung der Transportkosten ins All. Derzeit beträgt der Startpreis mehrere Tausend Dollar pro Kilogramm, doch Prognosen gehen davon aus, dass mit der Kommerzialisierung der Raumfahrt Kosten von 100 bis 200 Dollar pro Kilogramm möglich sein werden.
Diese Entwicklung würde den Start von Pflanzen und kompletten Gartenmodulen deutlich erleichtern und so den Weg ebnen für industrielle und wissenschaftliche Nutzungen im Orbit. Die potenziellen Anwendungen eines solchen Weltraumgartens sind vielfältig. Neben der reinen Nahrungsmittelproduktion könnten botanische Anlagen als Rückzugsort und psychologischer Ausgleich für Astronauten dienen. Auch industrielle Nutzpflanzen oder Exoten von kultureller Symbolkraft könnten ins All gebracht werden, um mit Heimat zu verbinden und das Leben über den Planeten Erde hinaus lebenswert und abwechslungsreich zu gestalten. Obwohl einige Experten skeptisch sind, ob es in naher Zukunft wirklich großflächige Weltraumgärten geben wird, sieht die Gartenbaugesellschaft klar die Bedeutung von Pflanzen für das Wohlbefinden im All.
Pflanzen sind weder nur Nahrungslieferanten noch reine Forschungsobjekte, sie symbolisieren den aktiven Bezug zur Natur in einer ansonsten sterilen Umgebung. Für die Zukunft sind sogar noch weiterreichendere Planungen denkbar. Die Idee eines „Space Dairy“ für frische Milchprodukte oder der Anbau attraktiver, essbarer Pflanzen mit besonderer Ästhetik, wie etwa eine Erdbeerpflanze mit roten Blüten, zeigen, dass Raumgärtnerei auch kulturelle und kulinarische Aspekte integrieren könnte. Die Raumgärtnerei öffnet eine völlig neue Dimension der menschlichen Lebensweise, sei es als Forschungsfeld oder als Grundlage für zukünftige Kolonien auf Mond oder Mars. Mit der Verbindung von technologischem Fortschritt, biologischer Forschung und künstlerischem Design könnten fernöstliche Pflanzenzwillinge inmitten des Alls erste grüne Botschaften der Erde an das Universum sein.
Ein gedankenreiches Projekt, das Hoffnungen weckt und inspiriert – Pflanzen, als lebendige Brücken zwischen den Welten.