Mittelenglisch stellt für viele heutzutage eine faszinierende, aber zugleich herausfordernde Sprachstufe des Englischen dar. Es handelt sich um die Entwicklungsphase der englischen Sprache, die etwa vom späten 11. Jahrhundert bis zum Ende des 15. Jahrhunderts reicht. Für diejenigen, die sich für die Geschichte der Sprache interessieren oder literarische Werke wie Geoffrey Chaucers Canterbury Tales verstehen möchten, ist das Lesen von Mittelenglisch ein lohnendes Unterfangen.
Im Gegensatz zu dem eher fremdartig erscheinenden Altenglisch, das für moderne Leser oft wie eine völlig andere Sprache wirkt, ist Mittelenglisch überraschend zugänglich. Selbst Laien können mit einigen einfachen Techniken und ein wenig Ausdauer schnell beeindruckende Fortschritte beim Lesen und Verstehen erzielen. Dabei gilt es vor allem, die Besonderheiten der Schriftzeichen, den Einfluss anderer Sprachen und die historische Entwicklung von Grammatik und Wortschatz zu verstehen. Das Verständnis der Geschichte hinter der Sprache macht den Zugang erheblich leichter. Ursprünglich ist das Englische aus dem Germanischen entstanden, im Mittelalter wurde es durch die normannische Eroberung von 1066 massiv von der französischen Sprache geprägt.
Dadurch entstand ein Mix, der sich im Mittelenglisch widerspiegelt – eine Schicht von französischem Vokabular und eine abwechslungsreiche und damit nicht immer intuitive orthographische Welt. Viele Wörter erscheinen ungewöhnlich, sind aber faszinierenderweise oft direkt mit modernen englischen Wörtern verwandt. Verantwortlich für einen großen Teil der optischen Fremdheit sind Buchstaben wie der „thorn“ (þ), der „edh“ (ð) oder der „yogh“ (ȝ). Diese historischen Buchstaben repräsentieren Laute, die wir heute mit „th“, „d“ oder „gh“ wiedergeben. Das Wechselspiel dieser Buchstaben und ihre unterschiedliche Verwendung macht das Lesen anfänglich schwierig, doch sobald man mit ihnen vertraut ist, fällt das Entziffern leichter.
Einen wichtigen Faktor beim Verständnis von Mittelenglisch stellen die grammatikalischen Strukturen dar. Obwohl die englische Sprache mittlerweile eine vergleichsweise starre Satzstellung aufweist, waren im Mittelenglischen viele grammatikalische Formen noch deutlich ausgeprägter und teils germanisch geprägt. Beispielsweise hatten Verben häufig spezielle Endungen, die die Person und Zahl anzeigten, wie etwa die Endung „-eth“ für die dritte Person Singular (entspricht heute oft „-s“). Auch die Wortstellung konnte variieren und erinnert mitunter an die Konstrukte, die man aus anderen germanischen Sprachen kennt. Ein weiterer spannender Punkt ist die Aussprache: In vielen Fällen kann es helfen, Wörter im Kopf laut auszusprechen, um schwierige Vokale leichter zu erkennen.
Während sich die Konsonanten oft wenig verändert haben, sind die Vokale einem Wandel unterlegen gewesen – besonders im Zuge der sogenannten Großen Vokalverschiebung, die gegen Ende der Mittelenglischen Periode begann. Das ist auch der Grund für viele Eigenheiten der heute verwendeten englischen Rechtschreibung. Die Schwierigkeit besteht oftmals darin, Wörter zu erkennen, die heute in ihrer Schriftform stark abweichen, aber im Klang nah an modernen Formen liegen. So wird „ȝelde“ zu „yield“, „trybut“ zu „tribute“ und „ȝe“ zu „you“. Ein drittes Element, das das Verständnis erleichtert, sind typische Ausdrücke und Vokabeln, die man heute noch kennt oder die zumindest ähnlich sind.
Viele Wörter des Mittelenglischen finden sich in modernen Redewendungen oder sind Vorläufer heutiger Wörter. Zum Beispiel ist „eke“ ein Wort, das „auch“ bedeutet, „wyf“ steht für „Frau“ und „nyle“ für „nicht wollen“ oder „wollen nicht“. Wer sich mit solchen Begriffen vertraut macht, kann einen Großteil des Textes erschließen, ohne jedes einzelne Wort im Wörterbuch nachzuschlagen. Dabei tragen moderne Online-Ressourcen erheblich zum Verständnis bei. So gibt es frei zugängliche Wörterbücher der Mittelenglischen Sprache, etwa von der University of Michigan, sowie zahlreiche Interpretationen und Übersetzungen von mittelenglischen Texten.
Solche digitalen Hilfsmittel geben schnellen Zugriff auf Bedeutungen und helfen dabei, den Lesefluss zu erhalten. Ein Beispiel für einen leicht verständlichen Botschaftstext des Mittelenglischen ist ein Zitat, das auf den ersten Blick abschreckend wirkt: „Ȝelde ȝe to alle men ȝoure dettes: to hym þat ȝe schuleþ trybut, trybut.“ Wenn man die speziellen Buchstaben ersetzt und den Satz etwas dem modernen Englisch angleicht, erscheint daraus: „Yield ye to all men your debts: to him that ye schuleth tribute, tribute.“ Und übersetzt bedeutet das sinngemäß: „Zahlt allen Menschen eure Schulden; dem, dem ihr Tribut schuldet, zahlt Tribut.“ Man erkennt schnell, dass der Satz zwar archaisch klingt, aber gut nachvollziehbar bleibt.
Ebenso spannend ist die Erkundung poetischer Werke des Mittelenglischen, wie die Canterbury Tales. Dort sind neben gewöhnlichen Satzstrukturen auch literarische Stilmittel zu finden. Einige Verse erscheinen am Anfang komplex, doch mit der Zeit und dem Einsatz von Wörterbüchern wird der Nachvollzug meist einfach. Dabei ist festzustellen, dass noch in der Renaissance Bücher gedruckt wurden, die verschiedene regionale Dialekte zusammenführten und den Weg zum modernen Englisch ebneten. Eine besondere Rolle spielte William Caxton am Ende des Mittelenglischen, der mit seiner frühen Druckkunst einen Standard setzte und zur Vereinheitlichung beitrug.
Seine Anekdoten und Texte zeigen das Ringen um die Verständlichkeit in einer Zeit, als Englisch noch keine standardisierte Sprache war. Für angehende Mittelenglischleser ist es hilfreich, nicht zu versuchen, Wort für Wort zu übersetzen, sondern sich vom Klang und Kontext leiten zu lassen und bekannte Wortstämme zu erschließen. Wer sich traut, Lautverschiebungen in den Vokalen zu erkunden und historische Buchstaben durch ihre modernen Äquivalente zu ersetzen, wird oft zu einer guten Lesefähigkeit gelangen. Mittlerweile gibt es auch zahlreiche online verfügbare Lernmaterialien, Beiträge und interaktive Kurse, die die oft komplex erscheinende Sprachstufe entmystifizieren. Zudem sind Texte aus biblichen Übersetzungen von John Wycliffe oder populären Literaturstücken hervorragende Ausgangspunkte, um in den Wortschatz und Stil einzutauchen.
Auch wenn man neu im Mittelenglischen ist, lohnt es sich, die häufigen grammatikalischen Muster, wie die Verbendungen für Personen und Zahl, kennenzulernen und sich Schritt für Schritt daran zu gewöhnen. Dabei spielt es keine Rolle, gerade mit einer akademischen Vorbildung zum Thema an die Sache zu gehen, denn viele Entdeckungen können intuitiv erfolgen. Der Spaß am Entziffern und das allmähliche Verständnis machen das Lesen zum Abenteuer. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Lesen von Mittelenglisch kein unüberwindbares Hindernis darstellt. Mit der richtigen Herangehensweise, einem offenen Geist für historische Sprachformen und ein wenig Geduld wird das einst geheimnisvolle Mittelenglisch zu einer bereichernden Erfahrung.
Es öffnet dem Leser den Zugang zu jahrhundertealten Texten, die wesentliche kulturelle und sprachliche Wurzeln des modernen Englisch beleuchten. Gerade für Sprachliebhaber, Historiker und Literaturliebhaber lohnt sich die Mühe, in diese faszinierende Sprachstufe einzutauchen. Denn Mittelenglisch begeistert nicht nur durch seinen Klang, sondern erzählt eine Geschichte vom Wandel einer Sprache und einer Kultur zwischen Tradition und Erneuerung.