Walstrandungen sind ein beeindruckendes und zugleich tragisches Phänomen, das Menschen seit jeher fasziniert und zugleich ratlos zurücklässt. Wenn mächtige Meeresriesen wie Grauwale oder Pottwale massenhaft gestrandet an Küsten gefunden werden, stellen sich Wissenschaftler und Beobachter gleichermaßen die Frage nach den Ursachen. Während im Zeitalter der Industrialisierung häufig menschliche Einflüsse wie Lärmverschmutzung, Schiffsverkehr, Fischereinetze oder Umweltgifte als Hauptursachen herangezogen werden, zeigen fossile Funde, dass solche Strandungen schon seit Millionen von Jahren vorkommen – deutlich vor der Zeit des Menschen. Damit bleiben die wahren Gründe weiterhin ein Rätsel, das nun mit Hilfe neuer Forschungen im Bereich der Sonnenphysik und Tiernavigation neu interpretiert wird. Eine faszinierende These besagt, dass die Sonne mit ihren gewaltigen Ausbrüchen, den sogenannten Sonnenstürmen, in das Navigationssystem der Wale eingreift und sie dadurch orientierungslos macht.
Geomagnetische Stürme, ausgelöst durch energiereiche Teilchen und Strahlung von der Sonnenoberfläche, können Störungen im Erdmagnetfeld hervorrufen. Dieses Magnetfeld ist lebenswichtig für zahlreiche Tierarten, die es als Kompass nutzen, um ihre weiten Wanderungen durch Ozeane zu meistern. Gerade Wale legen oftmals Tausende von Kilometern zurück und orientieren sich dabei nach Hypothesen der Wissenschaft in gewissem Maße an magnetischen Feldern. Doch obwohl bekannt ist, dass Wale eine Art inneren Kompass besitzen, ist die genaue Funktionsweise bisher weitgehend unbekannt. Ein neues Forschungsfeld thematisiert, dass die elektromagnetischen Störungen durch Sonnenaktivität die internen magnetischen Sensoren der Wale lahmlegen könnten.
Dabei handelt es sich nicht nur um eine bloße Störung des äußeren Magnetfeldes, sondern vor allem um das Einwirken von hoher Radiofrequenzstrahlung, die die sensiblen Sinnesorgane der Tiere durcheinanderbringt und falsche Signale liefert. Die Wale verlieren dadurch die Orientierung und landen unbeabsichtigt in seichtem Wasser oder an Stränden – was häufig tödlich endet. Datenanalysen von über drei Jahrzehnten belegen, dass Grauwale während Phasen hoher Sonnenaktivität, vor allem bei intensiven Sonnenstürmen, mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit stranden. Diese Forschung liefert eine Korrelation, die den Einfluss der Sonne auf marines Leben bisher völlig unterschätzt hat. Gleichzeitig erlauben Langzeitstudien, die sich über fast 300 Jahre erstrecken, Rückschlüsse auf einen globalen Effekt, der sich auch auf andere Walarten wie Pottwale an verschiedenen geografischen Orten bezieht.
Im nördlichen Europa, zum Beispiel in der Nordsee, wo geomagnetische Störungen besonders stark sind, nehmen Walstrandungen während Zeiten intensiver Sonnenaktivität besonders zu. Dort kann das abnorme Schwanken des Erdmagnetfeldes eine Verlagerung um Hunderte von Kilometern bedeuten. Auch junge oder weniger erfahrene Wale, die bisher in ruhigeren Gewässern aufgewachsen sind, sind diesem Phänomen besonders ausgeliefert, da sie kaum in der Lage sind, sich an die plötzlichen elektromagnetischen Veränderungen anzupassen. Experten sehen darin eine mögliche Erklärung für Massenstrandungen bei bestimmten Arten und regionalen Gegebenheiten. Darüber hinaus zeigt die Forschung, dass Tiere mit intensiver Migration im Allgemeinen von solchen geomagnetischen Ereignissen betroffen sind.
Neben Walen werden auch Zugvögel und Lachse durch Sonnenstürme in ihrem Navigationsverhalten beeinflusst. Bei Vögeln führt eine hohe Sonnenaktivität beispielsweise dazu, dass sie eher am Ausgangsort verbleiben, um nicht fehlerhaften Kompasssignalen zu folgen. Fische wie Lachse sind ebenfalls anfällig für Störungen durch Magnetpulse, was ihre Rückkehr zu den Laichgründen erschwert. Die biologische Grundlage der inneren Navigation bleibt allerdings ein großes Geheimnis. Wissenschaftler vermuten zwei Hauptmechanismen.
Zum einen kristalline Magnetitpartikel, die als natürliche Magnetmineralien in bestimmten Körperteilen als interne Kompassnadeln fungieren könnten. Zum anderen kommt die sogenannte Radikalpaar-Hypothese in Betracht, bei der chemische Reaktionen in Molekülen durch Magnetfelder beeinflusst werden, was eine Art molekulare Kompassfunktion ermöglicht – möglicherweise in den Augen von Walen. Trotz fortschreitender Studien fehlt bislang ein direkter Nachweis für diese Mechanismen bei Meeressäugern. Diese Kenntnislücke erschwert es, den genauen Einfluss der Sonnenaktivität auf das Navigationssystem der Wale zu bestimmen. Fest steht jedoch, dass geomagnetische Stürme reale Auswirkungen haben, wie von zahlreichen Studien zu verschiedenen Tierarten belegt.
Sollte sich der gegenwärtige Sonnenmaximalzyklus mit seiner erhöhten Sturmaktivität fortsetzen, erwarten Forscher eine Zunahme von strandungsbedingten Ereignissen. Für den Schutz von Walen und anderen wandernden Meerestieren ist das Verständnis dieser Zusammenhänge deshalb von großer Bedeutung. Damit können passende Schutzmaßnahmen entwickelt und menschliche Stressfaktoren, wie Lärm oder Umweltverschmutzung, besser von natürlichen Ursachen unterschieden werden. Letzten Endes ist die Erkenntnis, dass unser nächstgelegener Stern und seine Launen direkten Einfluss auf die Lebensweise von Meeresriesen haben, ein eindrucksvolles Beispiel für das komplexe Zusammenspiel von Naturphänomenen. Es erinnert daran, dass auch scheinbar ferne kosmische Ereignisse unser Leben und das der Tiere auf der Erde maßgeblich beeinflussen.
Der Blick auf die Rolle der Sonnenstürme bei Walstrandungen eröffnet somit nicht nur neue Forschungsperspektiven, sondern auch eine tiefere Wertschätzung für die fragilen Navigationssysteme der majestätischen Bewohner der Ozeane – und für das empfindliche Gleichgewicht, das das Leben auf unserem Planeten zusammenhält.