Zölle haben als Instrument der Wirtschaftspolitik eine lange Geschichte und stehen häufig im Mittelpunkt internationaler Handelskonflikte. Die jüngsten US-Zollmaßnahmen haben nicht nur Debatten ausgelöst, sondern auch ökonomische Unsicherheiten verstärkt. Um die tatsächlichen Auswirkungen solcher Zölle auf die Wirtschaftsleistung, Löhne und den internationalen Handel zu verstehen, setzen Ökonominnen und Ökonomen auf komplexe Modelle, die sowohl theoretisch fundiert als auch empirisch überprüfbar sind. Das Modellieren der Auswirkungen von Zöllen ist eine Herausforderung, da Handelsbarrieren sich auf vielfältige Art und Weise auswirken und verschiedene Wirtschaftssektoren unterschiedlich betreffen können.Ein bedeutender moderner Ansatz ist das New-Keynesianische Modell, das als Grundlage für die Analyse von Kalemli-Ozcan, Soylu und Yıldırım (KSY) dient.
Im Zentrum dieses Modells steht die Annahme der Preis- und Lohnstarrheit, also die Tatsache, dass Preise und Löhne nicht sofort oder flexibel auf wirtschaftliche Schocks reagieren können. Diese Starrheiten können erklären, warum eine Erhöhung der Zölle zu sinkender Produktion und gleichzeitig steigender Inflation führt – eine Kombination, die in einfachen Modellen nicht intuitiv erscheint. In einer Rezession beispielsweise können Unternehmen ihre Preise nicht sofort senken, und Arbeitnehmer akzeptieren keine Kürzungen ihrer Löhne, was zu Entlassungen führt, da die Nachfrage nach Gütern sinkt.Der KSY-Ansatz erweitert das New-Keynesianische Modell um weltweiten Handel und berücksichtigt, dass Unternehmen häufig Zwischenprodukte aus dem Ausland importieren. Dieser Aspekt ist entscheidend, da Zölle gerade auf importierte Zwischenprodukte die Produktionskosten erhöhen und somit negative Rückwirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und die heimische Wirtschaft haben.
Das Modell besteht aus einem komplexen System von 24 Gleichungen, die Arbeitsangebot, Konsum, Produktion, Importvolumen und Geldpolitik umfassen. Die Zentralbank wird als Akteur modelliert, der durch Zinspolitik Inflation stabil halten will – typischerweise wird eine Zielinflation von zwei Prozent angenommen.Das Berechnen der Lösungen solcher Modelle erfordert aufwändige Rechenverfahren, da jede Variable in einem Gleichgewicht mit den anderen stehen muss. Um dieses Problem zu bewältigen, greifen Forscher auf vereinfachende Annahmen zurück, die es ermöglichen, das Modell effizient zu lösen, ohne die Relevanz der Ergebnisse zu beeinträchtigen. Diese Komplexität und der Kompromiss zwischen Realitätsnähe und Berechenbarkeit verdeutlichen die Herausforderung der ökonomischen Modellierung.
Die Einschränkungen der Annahmen fließen unmittelbar in die Interpretation der Ergebnisse ein und erklären teilweise, warum verschiedene Modelle zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen können.Empirische Tests der KSY-Modellvorhersagen anhand der US-Zölle von 2018, vor allem dem Handelskonflikt mit China, zeigen eine bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen vorgerechneten und tatsächlichen Daten. Inflation wurde um etwa 0,07 bis 0,2 Prozentpunkte erhöht, während das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um bis zu 0,4 Prozent sank. Die aktuellen Simulationen für die 2025 eingeführten Zölle besagen, dass ohne Gegenmaßnahmen anderer Länder die US-Wirtschaft unter anderem durch den Anstieg der Preise auf importierte Waren leidet, während Produktion und Beschäftigung nachlassen. Die Situation verschärft sich, wenn Handelspartner mit Gegenmaßnahmen reagieren.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass Zölle nicht nur das Wirtschaftswachstum belasten, sondern auch die Inflationsentwicklung beeinflussen können – in der Regel durch höhere Produktionskosten.Eine weitere interessante Erkenntnis ist der Effekt von Tarifdrohungen, also der Ankündigung von Zöllen ohne deren tatsächliche Umsetzung. Wirtschaftsteilnehmer reagieren bereits auf solche Informationen, indem sie ihr Konsum- und Sparverhalten anpassen. Das führt zu vorgezogenen Einsparungen und einem temporären Rückgang der Gesamtnachfrage, was die Gesamtausgabe im Vorfeld eines möglichen Zollbeginns reduziert. Wenn die Zölle dann doch nicht umgesetzt werden, kommt es zu einer Anpassung, dennoch bleibt ein wirtschaftliches Nachbeben spürbar.
Diese Art von vorzeitigen Reaktionen zeigt, wie Erwartungen und Informationspolitik die Wirtschaft unmittelbar beeinflussen können.Eine weitere Perspektive auf die Auswirkungen von Zöllen bietet das Modell von Ignatenko, Macedoni, Lashkaripour und Simonovska (IMCS), das den Handel zwischen 123 Ländern detailliert abbildet. Dieses Modell fokussiert vor allem die realistischen Handelsströme und verzichtet im Unterschied zum KSY-Modell auf Komponenten wie Sparverhalten oder differenzierte Branchen. IMCS kommen zu teils konträren Ergebnissen: Ohne Gegenmaßnahmen anderer Länder könnten die USA durch Zölle sowohl höheres Realeinkommen als auch eine Steigerung des Wohlstands erzielen. Dies wird durch eine stärkere Verhandlungsposition der heimischen Arbeitnehmer sowie eine schwächere Stellung ausländischer Arbeitnehmer erklärt, die infolge der sinkenden Nachfrage aus den USA geringere Einkommen akzeptieren müssen.
Allerdings kippen diese positiven Ergebnisse, sobald andere Länder optimal reagieren und Gegenzölle erheben. Dann führt der Handelskonflikt zu einem Wohlstandsverlust in den USA, während die ausländischen Länder relativ wenig einbüßen. Auch die Zollerlöse des US-Staates sind stark von der Reaktion anderer Länder abhängig und können bei Gegenmaßnahmen drastisch sinken. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Zollkonflikte insgesamt keinen stabilen Vorteil bringen und insbesondere bei Vergeltungsmaßnahmen den wirtschaftlichen Schaden für die USA erhöhen.Die zentralen Unterschiede zwischen den beiden Modellen resultieren aus ihren jeweiligen Schwerpunkten und Annahmen.
Während KSY das Zusammenspiel von Inflation, Geldpolitik und mehrdimensionale Produktionsprozesse unterstreicht, fokussiert sich IMCS auf Handelsbeziehungen in einem großen Ländervergleich, bindet dabei aber andere Elemente wie finanzielle Entscheidungsfreiheit oder monetäre Steuerung aus. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung, doch die divergierenden Prognosen zeigen, dass politische Entscheidungsträger die Modellgrenzen im Blick behalten müssen.Grundsätzlich weisen beide Modelle auf die hohen Kosten von Zöllen hin. Sie dämpfen das Wachstum, belasten Arbeitsmärkte und führen zu Inflationsanstieg oder Verwerfungen im Handel. Alternative Politikinstrumente erscheinen besser geeignet, die gewünschten wirtschaftspolitischen Ziele zu erreichen, beispielsweise durch Innovation, Investitionen in Humankapital oder gezielte Strukturreformen.
Die ökonomische Forschung unterstreicht, dass Handelsbarrieren meist mehr schaden als nützen und die internationalen Verflechtungen einer globalisierten Wirtschaft nicht unterschätzt werden dürfen.Zusammenfassend zeigt die moderne ökonomische Modellierung, dass Zölle ein zweischneidiges Schwert sind. Ihre Einführung kann kurzfristig protektionistische Vorteile versprechen, führt jedoch häufig zu langfristigen Wohlstandseinbußen. Komplexe theoretische Modelle wie das New-Keynesianische System und multinationale Handelsmodelle liefern wertvolle Einsichten und quantifizieren die Wirkungen differenziert. Dennoch ist der Umgang mit Modellen immer mit Unsicherheiten verbunden, weshalb valide politische Bewertungen mehrere Perspektiven berücksichtigen sollten.
Die Analyse dieser Modelle macht zudem deutlich, wie wichtig Erwartungen für wirtschaftliche Entscheidungen sind. Die reine Drohung von Zöllen kann den Konsum und die Investitionen bereits erheblich beeinflussen, was neue Herausforderungen an die Informationspolitik von Regierungen stellt. Schließlich belegen aktuelle Studien, dass die globale Vernetzung der Wirtschaft sowohl Chancen als auch Risiken birgt und Handelspolitik sorgsam und unter Berücksichtigung umfassender Wirkungszusammenhänge gestaltet werden muss. Nur so lassen sich nachhaltige und ausgewogene wirtschaftliche Erfolge erzielen.