Das US-Justizsystem hat jüngst eine bedeutende Entscheidung gegen das US-Verteidigungsministerium (Department of Defense, DoD) getroffen. Ein Bundesrichter in Massachusetts verhängte eine einstweilige Verfügung, die die Pläne des Pentagon blockiert, Fördergelder für universitäre Forschungsprogramme drastisch zu reduzieren. Diese Maßnahme, die ursprünglich darauf abzielte, die sogenannten „indirekten Kosten“ der Forschung auf 15 Prozent zu beschränken, hätte erhebliche Auswirkungen auf die universitäre Forschungslandschaft in den Vereinigten Staaten gehabt. Doch die Justiz stellte sich klar gegen diesen Schritt und gewährte damit den betroffenen Hochschulen eine Atempause, um die Folgen genauer zu prüfen und zu verhandeln. Das Verteidigungsministerium hat seit dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich erhebliche Summen in die universitäre Forschung investiert.
Diese Förderung erstreckt sich weit über rein militärische Technologie hinaus und umfasst eine Vielzahl von Fachgebieten, die potenziell zur Verbesserung der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte beitragen können. Von bahnbrechenden Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz über revolutionäre Mikrosystemtechnologien bis hin zu vitaler medizinischer Forschung, wie etwa Krebsforschung, ist das Spektrum der geförderten Projekte breit gefächert. Dieses durch das Pentagon bereitgestellte Fundament bietet nicht nur direkte militärische Vorteile, sondern stärkt auch die Innovationskraft und wissenschaftliche Exzellenz der amerikanischen Universitäten insgesamt. Ein wesentlicher Bestandteil der Fördergelder sind die sogenannten „indirekten Kosten“, die notwendig sind, um die Forschungsprojekte überhaupt erst möglich zu machen. Diese Kosten umfassen zum Beispiel spezialisierten Infrastrukturen, wie nukleare zertifizierte Labore, umfassende IT-Systeme zur Datenanalyse, Administration und Wartung, aber auch die für den Forschungsbetrieb unabdingbare Instandhaltung von Gebäuden und technischer Ausstattung.
Sie beziehen sich nicht auf ein einzelnes Projekt, sondern stellen die grundlegenden Rahmenbedingungen bereit, ohne die die hochwertige Forschung nicht erfolgreich laufen könnte. Laut Universitäten belaufen sich die üblicherweise erstatteten indirekten Kosten auf etwa 50 bis 65 Prozent der Gesamtkosten eines Projekts. Dem entgegen stellte Verteidigungsminister Pete Hegseth mit dem Ziel, Gelder „effizienter“ zu nutzen, in einem Memo im Mai 2025 klar, dass das DoD beabsichtige, diese Erstattung künftig auf gerade einmal 15 Prozent zu begrenzen. In seinen Erläuterungen begründete Hegseth dies mit einer Priorisierung von investitionen, die stärker auf angewandte Innovationen, operative Fähigkeiten und strategische Abschreckung ausgerichtet seien. Die Kürzung hätte also nicht nur massive finanzielle Einschnitte für die Universitäten bedeutet, sondern auch eine Verschiebung der Forschungsfokus hin zu unmittelbaren militärischen Anwendungen.
Diese angekündigte Kürzung sorgte für erhebliche Besorgnis in der Hochschullandschaft. Insgesamt 15 amerikanische Universitäten, Hochschulgremien und Bildungseinrichtungen reichten eine Klage gegen das Verteidigungsministerium und dessen Sekretär ein. Die Kläger argumentieren, dass die geplante Maßnahme nicht nur eine unangemessene Änderung der bereits abgeschlossenen Verträge darstelle, sondern auch klare Verstöße gegen das Administrative Procedure Act (APA) beinhalte. Unter anderem geht es um Vorwürfe wie die unrechtmäßige Änderung vertraglich vereinbarter Kostensätze, rechtswidrige und abrupt einseitige Kündigungen bestehender Zuschüsse sowie eine willkürliche, nicht nachvollziehbare Politikänderung. Besonders problematisch ist die Lage für viele universitäre Forscherinnen und Forscher, die sich mittendrin in langwierigen Förderprozessanträgen befinden – es gibt tausende laufende Anträge und bereits genehmigte Förderungen.
Die Universitäten befinden sich in einer Zwickmühle: Entweder sie akzeptieren die drastischen Kürzungen der indirekten Kosten und riskieren damit die langfristige Finanzierbarkeit ihrer Projekte, oder sie lehnen ab und müssen befürchten, dass zukünftige Förderungen vom DoD gar nicht erst berücksichtigt werden. Dieser Umstand führte dazu, dass die Klägergerichtsbarkeit einen temporären Stopp der Umsetzung dieser Kürzungen verfügte. Richter Brian Murphy vom US-Distriktgericht in Massachusetts äußerte sich in seinem Beschluss klar zugunsten der universitären Antragsteller. Die einstweilige Verfügung wurde erteilt mit der Begründung, dass die unmittelbaren, nicht wiedergutzumachenden Schäden durch die Kürzungspläne erheblich und gravierend seien. Die Gerichtsverhandlung zur endgültigen Klärung der Rechtslage ist für Anfang Juli 2025 angesetzt.
Die Maßnahme des Pentagons steht im Kontext ähnlicher Versuche anderer US-Behörden, Fördermittel für Forschung einzuschränken. Das National Institutes of Health (NIH) hatte bereits im Frühjahr versucht, zahlreiche indirekte Kosten ebenfalls auf 15 Prozent zu begrenzen, wurde aber zügig durch ein Gericht permanent daran gehindert. Auch das Department of Energy und die National Science Foundation verfolgen vergleichbare Restriktionen, welche derzeit durch laufende Klagen blockiert oder aufgehoben wurden. Die Argumentation der staatlichen Stellen basiert oft auf Haushaltsdisziplin und einer vermeintlichen Notwendigkeit, Geld in direktere, schnell nutzbare Technologien zu lenken. Kritiker jedoch warnen vor den erheblichen Folgekosten für das akademische Ökosystem, das sich gerade aus langfristiger Grundlagenforschung speist, die erst mit jahrelangem Vorlauf Früchte trägt.
Die Entscheidung des Gerichts sendet ein starkes Signal über die Bedeutung einer ausgewogenen Forschungsfinanzierung. Die universitäre Forschung ist ein wichtiger Innovationsmotor, der nicht nur technologische Durchbrüche hervorbringt, sondern auch hoch qualifizierte Nachwuchswissenschaftler ausbildet und die wirtschaftliche Zukunft der Vereinigten Staaten sichert. Eine erzwungene Kürzung der ergänzenden Mittel würde viele Universitäten in eine schwierige Lage bringen, Innovationen könnten gehemmt und der wissenschaftliche Fortschritt gebremst werden. Darüber hinaus zeigt der Fall die komplexe Beziehung zwischen Bundesbehörden und Wissenschaftsinstitutionen. Während militärische Einrichtungen verständlicherweise einen Fokus auf unmittelbare sicherheitsrelevante Innovationen legen, ist grundlagenorientierte Forschung unerlässlich, um langfristig tragfähige technologische Vorsprünge zu erzielen.
Die Entscheidung, wie Forschungsgelder verteilt werden, setzt damit einen entscheidenden Impuls darüber, welche Forschungsfelder künftig gefördert und weiterentwickelt werden. Das Pentagon hat sich bislang nicht direkt zu dem mittlerweile schwebenden Verfahren geäußert. Die Verteidigung des Verteidigungsministeriums wird sich unter anderem damit befassen müssen, wie die Veränderungen im Rahmen des Verwaltungsverfahrensgesetzes rechtlich vertretbar sein können. Die Universitäten behalten sich vor, die Klage weiter zu verfolgen, um nicht nur die bestehenden Mittel zu sichern, sondern auch den Grundsatz der Verlässlichkeit aufrechtzuerhalten, der für zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsprojekte essenziell ist. Insgesamt ist diese juristische Auseinandersetzung exemplarisch für einen tiefgreifenden Konflikt, der sich in den USA zunehmend verschärft: Auf der einen Seite stehende Infrastrukturkosten und Forschungsbedarfe der wissenschaftlichen Gemeinschaft, auf der anderen Seite Etatdisziplinen und Politikprioritäten des Verteidigungssektors.
Das Ergebnis wird nicht nur für die Wissenschaft, sondern für die gesamte Innovationslandschaft der USA wegweisend sein. Die Entscheidung des Gerichts verdeutlicht, dass der Schutz von Forschungsfreiheit und Förderverträgen auch gegenüber hohen staatlichen Institutionen geschützt werden muss – vor allem dann, wenn deren Eingriffe die zukünftige technologischen Potentiale gefährden könnten.