Venezuela, einst eine der größten Ölnationen der Welt, steht vor einer bedeutenden Zäsur in seiner wirtschaftlichen Geschichte. Die US-Raffinerie Citgo, das Kronjuwel unter Venezuelas ausländischen Vermögenswerten, könnte demnächst ihren venezolanischen Besitzer verlieren. Dieser Verlust wäre ein herber Schlag für das südamerikanische Land, das seit Jahren mit massiven wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen kämpft. Die Entwicklungen rund um Citgo sind eng verbunden mit langjährigen Schuldenstreitigkeiten, internationalen Rechtsprozessen und politischer Unsicherheit. Citgo Petroleum ist eine Tochtergesellschaft des venezolanischen staatlichen Ölkonzerns PDVSA (Petróleos de Venezuela, S.
A.). Das Unternehmen besitzt mehrere Raffinerien in den USA und gilt als einer der größten Ölverarbeiter in den Vereinigten Staaten. Die Bedeutung von Citgo für Venezuela geht über den wirtschaftlichen Wert hinaus: Es repräsentiert die Hoffnungen des Landes auf einen internationalen Einfluss und einen stabilen Devisenzufluss aus einem ansonsten krisengeschüttelten Heimatmarkt. Die drohende Veräußerung von Citgo ist das Ergebnis eines jahrelangen Rechtsstreits, der aus einer Klage des kanadischen Minenunternehmens Crystallex entstanden ist.
Crystallex hatte Venezuela für die expropriation von Bergbaurechten verklagt und vor Gericht Recht bekommen. Daraufhin beschloss ein US-amerikanisches Gericht, Citgo-Anteile als Teil der Entschädigung für diese Forderungen zu verwenden. Neben Crystallex sind weitere Gläubiger, darunter Unternehmen wie ConocoPhillips, Rusoro Mining, Koch Industries, OI Glass und Siemens Energy, involviert. Sie alle realisieren Ansprüche in Höhe von insgesamt fast 19 Milliarden US-Dollar gegen Venezuela. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens wurde eine Auktion für die Anteilsmehrheit an PDV Holding, der Muttergesellschaft von Citgo, angesetzt.
Diese Auktion hat wettbewerbsintensive Gebote verschiedener Investoren hervorgebracht, wobei die Miner-Firma Gold Reserve mit einem Angebot von über 7 Milliarden US-Dollar als vorläufiger Gewinner ausgewählt wurde. Gold Reserve hat damit die besten Karten, um den Zuschlag zu erhalten, sofern das zuständige Gericht in Delaware das Angebot offiziell bestätigt. Während das Gebot von Gold Reserve finanziell nicht das höchste war, überzeugte seine umfassende Abdeckung von Gläubigerforderungen, insbesondere die Einbeziehung von elf von fünfzehn beteiligten Gläubigern – darunter die eigenen Ansprüche des Unternehmens. Dieses Detail könnte letztlich den Ausschlag geben, da die juristische Komplexität der Verteilung von Verkaufserlösen bei den Gläubigern zu Widerständen führen könnte. Aus wirtschaftlicher Sicht würde ein Verlust von Citgo für Venezuela eine bedeutende Reduzierung seiner Auslandsvermögenswerte bedeuten.
Das Land besitzt derzeit de facto 100 Prozent von Citgo sowie dessen US-basierter Muttergesellschaften. Bisher war Citgo Venezuelas wichtigster Anker in der internationalen Ölindustrie. Der venezolanische Staat sieht sich zudem bereits mit enormen Auslandsschulden in Höhe von ca. 150 Milliarden US-Dollar konfrontiert. Viele dieser Schulden sind in der jüngeren Vergangenheit durch Restrukturierungen, Zahlungsausfälle und Rechtsstreitigkeiten belastet worden.
Der Ausverkauf von Citgo könnte sich zu einem Symbol der wachsenden Isolation und Schwäche des Landes auf der globalen Bühne entwickeln. Die rechtliche und finanzielle Lage von Venezuela hat in den letzten Jahren eine dramatische Wendung genommen. Wirtschaftliche Misswirtschaft, ein drastischer Rückgang der Ölproduktion, politische Instabilität und Sanktionen aus den USA haben den Ölmulti PDVSA schwer belastet. Citgo war bislang eine Art Absicherung für das Unternehmen, um Einnahmen abzusichern und internationale Geschäfte am Leben zu erhalten. Das drohende Eigentümerwechselrisiko bei Citgo trifft die venezolanische Regierung zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt.
Die Ölpreise allerdings sind derzeit volatil, was zusätzliche Unsicherheit für den zukünftigen Wert von Citgo mit sich bringt. Sollten die Rechtshürden zugunsten von Gold Reserve oder anderen Investoren überwunden werden, könnte Venezuela endgültig die Kontrolle über sein prestigeträchtigstes Auslandsvermögen verlieren. Die internationale Gemeinschaft beobachtet diese Entwicklungen aufmerksam. Im Falle eines Verkaufs erwägen politische Akteure und Analysten, wie sich die Situation auf die Beziehungen zwischen Venezuela und den USA sowie auf den globalen Ölmarkt auswirken wird. Da Citgo als wichtiger Teil der US-Raffinierieinfrastruktur gilt, besteht Interesse daran, dass das Unternehmen in sichere Hände gelangt und seine operative Kapazität erhalten bleibt.
Im Binnenland sorgt die mögliche Veräußerung von Citgo für Kontroversen. Oppositionelle Kräfte und internationale Beobachter werfen der venezolanischen Führung vor, durch wirtschaftliche Fehlentscheidungen und Korruption einen wertvollen Staatsbesitz zu verspielen. Gleichwohl argumentieren Regierungsanhänger, dass die Zwangsmaßnahmen gegen Venezuela und Sanktionen der USA die Ursache für den Ausverkauf sind und die Verluste von außen aufgezwungen wurden. Die Zukunft von Citgo wird daher auch von juristischen Entscheidungen abhängen, wie etwa vom Urteil des Richters Leonard Stark in Delaware, der für August eine finale Anhörung zu dem Verkaufsverfahren angesetzt hat. Sollte das Gericht das Angebot von Gold Reserve und dessen Verbündeten bestätigen, wird die Umstrukturierung beim Mutterkonzern von Citgo vermutlich unmittelbar in die Wege geleitet.