Der tragische Absturz des Boeing 787 Dreamliners von Air India am 12. Juni 2025 in Ahmedabad, Indien, hat weltweit Bestürzung ausgelöst und eine bereits lange andauernde Debatte um die Sicherheit und Qualität dieses Flugzeugs wieder entfacht. Mit 241 von 242 Insassen, die ihr Leben verloren, ist dieser Unfall nicht nur eine menschliche Tragödie, sondern wirft auch ein grelles Licht auf die komplexen Probleme hinter den Kulissen eines Flugzeugherstellers, der einst als Symbol für Innovation und technische Meisterleistung galt. Der Dreamliner, Boeings erstes komplett neu entwickeltes Passagierflugzeug seit über einem Jahrzehnt, galt als Meilenstein der Luftfahrttechnik. Seine Konstruktion aus leichten Verbundwerkstoffen versprach höhere Effizienz, geringeren Treibstoffverbrauch und mehr Komfort für Reisende.
Doch genau diese moderne Bauweise brachte auch neue Herausforderungen mit sich, die im Laufe der Jahre immer wieder zu Bedenken führten. Bereits seit mehr als 15 Jahren warnen Ingenieure und Qualitätskontrollspezialisten vor versteckten Sicherheitsrisiken bei der Herstellung des 787. Sie berichteten, dass die verwendeten Verbundwerkstoffe nicht nur schwer zu überwachen seien, sondern auch potenzielle strukturelle Schwachstellen verstecken könnten. Kritisch sei dabei vor allem die Tatsache, dass in der Produktion an mehreren Stellen gespart und Abstriche in der Qualität gemacht wurden. Eine besonders brisante Rolle spielte die Arbeitskultur in den Produktionsstätten, insbesondere in South Carolina, wo die Endmontage der Dreamliner erfolgt.
Mitarbeiter beklagten, dass sie von Vorgesetzten unter enormen Druck gesetzt wurden, unzulängliche oder defekte Bauteile zu verbauen und offensichtliche Fehler zu ignorieren, um Liefertermine einzuhalten. Dies führte zu einem Umfeld, in dem Qualitätsstandards immer weiter verwässert wurden und sogar gefälschte Teile auf die Flugzeuge gelangten. Das Thema „Foreign Object Debris“ (FOD) – also Fremdkörper, die während der Montage im Flugzeug zurückbleiben – wurde von Insidern als besonders gefährlich eingestuft. Metallsplitter und Rückstände von Produktionsmaterialien können kritische Systemausfälle auslösen, vor allem in der Elektrik oder den Triebwerken. Tatsächlich kam es in der Vergangenheit bereits zu Testflugunfällen aufgrund von FOD, doch Boeing und die zuständigen Behörden versuchten diese Vorfälle zu verheimlichen oder herunterzuspielen.
John Barnett, ein ehemaliger Qualitätsmanager in Charleston, der vergangenes Jahr unter tragischen Umständen verstarb, kämpfte über Jahre hinweg für strengere Kontrollen und die Aufdeckung der Missstände. Er warnte eindringlich davor, dass die gravierenden Produktionsfehler erst mit zeitlicher Verzögerung zu Katastrophen führen würden, da die Flugzeuge mehrere Jahre in Betrieb sind, bevor gefährliche Schäden sichtbar werden. Seine Aussagen erhielten dabei eine verstörende Tragweite, angesichts des aktuellen Absturzes. Neben den internen Problemen bei Boeing spielten auch externe Faktoren eine Rolle. Die Zulieferung von Bauteilen wurde zunehmend ausgelagert und an Subunternehmer übergeben, die nicht selten die ohnehin lockeren Standards noch weniger genau einhielten.
Diverse Whistleblower berichteten, dass manche Zulieferer minderwertige Materialien verwendeten oder die Teile unzureichend prüften, um Kosten zu sparen. Die Lieferungen an Air India standen dabei besonders im Fokus, da die Airline zahlreiche Dreamliner mit Unterstützung von Export-Import Bank-Darlehen aus den USA erhielt. Einige ehemalige Mitarbeiter aus Charleston berichten von akuten Qualitätsproblemen bei den Flugzeugen, die speziell an Air India geliefert wurden. Diese Maschinen hätten mehrfach nachgebessert oder sogar stillgelegt werden müssen, bevor sie flugtauglich waren. Die genannte Maschine, die am 12.
Juni verunglückte, wurde im Januar 2014 ausgeliefert. Sie wurde zwar in Seattle zusammengebaut, aber wesentliche Teile wie der mittlere und hintere Rumpf stammten von der kontrovers diskutierten Produktionslinie in Charleston. Dies könnte wichtige Hinweise auf die Ursachen des Absturzes liefern, insbesondere in Hinblick auf die negativen Berichte von dort beschriebenen Montagepraktiken. Eine unter anderem durch Al-Jazeera durchgeführte Dokumentation hatte vor einigen Jahren bereits die katastrophalen Zustände in der Produktionsstätte offenbart. Mitarbeiter berichteten von einem Arbeitsumfeld, in dem die Sicherheitsbedenken der Angestellten ignoriert wurden und man sich keine Illusionen darüber machte, ob ein Familienmitglied auf einem Dreamliner mitfliegen würde.
Dieses mangelnde Vertrauen in die eigene Herstellungsqualität ist ein äußerst bedenkliches Indiz. Die FAA, als zuständige Luftfahrtbehörde, stand ebenfalls in der Kritik. Beschleunigte Zulassungsverfahren für neue Technologien, wie etwa die Spezialbatterien des Dreamliners, fanden statt, ohne die bisher erforderlichen umfangreichen Tests durchzuführen. Ein Batteriebrand führte bereits zu früheren Flugverboten und Verzögerungen, doch das Thema wurde nie vollständig aufgearbeitet. Die tragische Explosion in Ahmedabad könnte mit einem plötzlichen Triebwerksversagen zusammenhängen.
Augenzeugenberichten zufolge rief der Pilot unmittelbar vor dem Absturz einen „Motorenausfall“ in einer Notmeldung an die Flugkontrolle. Die slow-motion-Aufnahmen des verunglückten Flugzeugs zeigen, wie es mit erhobenem Bug abstürzte – ein Anzeichen für einen fatalen Leistungsverlust des Antriebs. Die Realität des Dreamliners erschüttert das Vertrauen nicht nur vieler Flugreisender, sondern auch die grundsätzlichen Werte und Arbeitsmethoden in der Industrie. Unternehmen wie Boeing stehen heute vor der Herausforderung, Qualität und Sicherheit mit wirtschaftlichen Zwängen in Einklang zu bringen. Die Kurzsichtigkeit, mit der bei schneller Fertigung immer wieder Abstriche gemacht wurden, hat nun offenbar ihren tragischen Höhepunkt gefunden.
Zahlreiche Experten fordern nun eine erneute und gründliche Untersuchung aller 787 Dreamliner, insbesondere jener Maschinen, die von den fragwürdigen Produktionslinien in South Carolina stammen oder an Air India geliefert wurden. Ein umfassendes Audit soll sicherstellen, dass keine weiteren Gefahrenquellen bestehen und die Flugreihen sicher sind. Der Fall zeigt exemplarisch, wie ein Konzern mit einer langen Tradition in der Luftfahrttechnik durch mangelhafte Kontrollen, unzureichende Aufsicht und ein belastetes Arbeitsumfeld in eine Krise rutscht. Die ehemals hochgelobte Innovation des Dreamliners wirft nun viele Fragen auf, selbst Monate vor dem Absturz wurden immer wieder kleinere technische Ausfälle bekannt, die das Vertrauen in das Flugzeug erschütterten. Die Luftfahrtbranche steht vor der schwierigen Aufgabe, aus diesem tragischen Vorfall zu lernen und systemische Schwächen zu beheben, die letztlich Menschenleben kosten können.