In den letzten Jahren hat sich eine bemerkenswerte Allianz zwischen der Technologiebranche und populistischen Bewegungen in den USA herauskristallisiert, welche viele Beobachter überrascht und zum Nachdenken gebracht hat. Insbesondere die Unterstützung etablierter Gründer und Investoren für Donald Trump im Präsidentschaftswahlkampf 2024 wirft Fragen auf, wie eine Gruppe allgemein als fortschrittlich und weltoffen gilt, sich jedoch plötzlich mit einer polarisierenden und vielfach umstrittenen politischen Figur identifiziert. Diese Entwicklung lässt sich nur verstehen, wenn man die individuellen Erfahrungen, politische Enttäuschungen und die spezifische Denkweise dieser Akteure betrachtet. Viele der Unterstützer von Trump aus dem Silicon Valley sind keine glühenden Republikaner oder Vertreter konservativer Klischees. Vielmehr handelt es sich oft um heterodox denkende Personen, die aus linken oder progressiven Milieus stammen und sich über die Jahre politisch neu orientiert haben.
Ein charakteristisches Beispiel ist ein junger Gründer, ursprünglich aus Chile, der nach einer aktiven Anhängerschaft von Bernie Sanders in den amerikanischen Vorwahlen, schließlich Trump seine Stimme gab. Die Begründung liegt weniger in einer eindeutigen politischen Gesinnung, sondern vielmehr in einem Gefühl von Verrat und Desillusionierung. Die Wahrnehmung, dass die Demokratische Partei, besonders die Establishment-Elite, nicht nur ihre Werte verraten, sondern auch systematisch Kandidaten begünstigt, die keine authentischen Veränderungen versprechen, spielte eine zentrale Rolle. Das Gefühl, von den traditionellen Parteien übergangen und abgeschrieben zu werden, hat viele Gründer und Investoren dazu gebracht, in Trump eine Art Hoffnungsträger zu sehen – nicht unbedingt wegen aller seiner politischen Positionen, sondern wegen seiner Haltung als Außenseiter, als jemand, der bereit ist, etablierte Regeln zu brechen und die Dinge radikal zu verändern. Hier trifft eine Erzählung von „Kämpfer gegen das System“ auf eine technikaffine, oft unternehmerisch denkende Geisteshaltung, die sich durch Pragmatismus und der Suche nach Effizienz auszeichnet.
Ein wesentlicher Aspekt dieser Dynamik ist die Unzufriedenheit mit der sogenannten „country club“ Elite der Demokraten, die als selbstgefällig, entfremdet von der Realität vieler Amerikaner und zu sehr auf Formalismus und symbolische Politik fixiert wahrgenommen wird. Diese Eliten scheinen mehr um ihr Image und den Erhalt ihrer Positionen besorgt zu sein, als um echte politische Inhalte oder konkrete Handlungsschritte. Gerade in Krisenzeiten, wie etwa nach den dramatischen Ereignissen rund um den Konflikt im Nahen Osten im Oktober 2023, wurde für viele deutlich, dass die Reaktionen der Demokratischen Partei oft als zögerlich, ambivalent und ineffektiv bewertet wurden. Im Gegensatz dazu kam die aggressive und klare Haltung einiger Trump-Unterstützer bei israelischen Freunden und politischen Kreisen besser an. In den Tech-Kreisen wird zudem häufig eine gewisse Frustration über politische Korrektheit und „Wokeness“ geäußert, die teilweise als hemmend und übertrieben empfunden wird.
Während anfangs noch Zustimmung zu progressiven Ideen bestanden hat, entwickelte sich für einige eine Skepsis gegenüber einem sich beinahe „stalinistisch“ anfühlenden Klima, in dem bestimmte Wahrheiten und Themen tabuisiert wurden. Trump, so argumentieren sie, eröffnete zumindest einen Diskursraum, in dem kontroverse Themen offen angesprochen werden konnten, selbst wenn dies politisch inkorrekt war. Die Tech-Mentalität, die auf Innovation, Rationalität und Veränderungswillen beruht, prallt auf eine politische Kultur, die für viele als träge, reglementiert und durch zu viele Kompromisse gelähmt wahrgenommen wird. Das zeigt sich auch in der Begeisterung für die Idee, auf unkonventionelle Weise „Empire“ zu führen – eine Metapher für entschlossene Führungsstärke, schnelles Handeln und die Fähigkeit, bestehende Strukturen grundlegend zu verändern. In dieser Logik wird Trump als ein Imperator gesehen, der das Land vor dem Niedergang bewahrt, während die traditionelle Politik nur verwaltet.
Gleichzeitig gibt es eine Ambivalenz und eine wachsende Kritik innerhalb dieser Bewegung gegenüber bestimmten scharfen politischen Maßnahmen und dem tatsächlichen Regieren. Die Ernüchterung stellt sich ein, wenn sich zeigt, dass durchaus auch chaotische, ineffiziente und manchmal selbstzerstörerische Aspekte der Trump-Regierung Realität wurden. Handlungen wie die rücksichtslosen Abschiebungen, die defensive Haltung gegenüber Wissenschaft oder die häufige Nähe zu machtpolitischem Nepotismus werfen Fragen auf. Der einstige Enthusiasmus für den „Kämpfer“ wandelt sich vielerorts zu Skepsis und der Erkenntnis, dass „Eintreten für das Land“ komplexer ist, als nur harte Maßnahmen durchzusetzen. Dies führt auch zu einer Neubewertung der politischen Loyalitäten und der Suche nach einer neuen politischen Identität.
Einige der befragten Tech-Gründer und Investoren sehnen sich nach einer Führung, die sowohl authentisch als auch pragmatisch ist, die den Mut zur Veränderung mit Verstand und Verantwortungsbewusstsein verbindet. Dabei wird nicht zuletzt an Bernie Sanders und dessen Authentizität erinnert, ebenso wie an Trumps Fähigkeit, Impulse zu geben, jedoch ohne dessen negativen Aspekte zu übernehmen. Der Umgang mit Migration, sozialer Ungleichheit und geopolitischen Konflikten bleibt dabei ein zentraler Streitpunkt. Die Vorstellung, dass Technologie den Menschen zu mehr Individualität und Autonomie verhelfen kann, steht im Spannungsfeld zu gesellschaftlichen Herausforderungen, die durch Vernachlässigung und ideologische Verengung drohen, unkontrollierbar zu werden. Die Tech-Branche sieht sich zwischen Werten der Offenheit, Innovation und globaler Vernetzung einerseits und wachsenden Spannungen aufgrund sozialer Realitäten andererseits gefangen.
Eine weitere interessante Facette ist das ausgeprägte Gefühl vieler Tech-Leute, zwar kulturell und wirtschaftlich erfolgreich zu sein, aber politisch isoliert und von den etablierten Medien und Parteien nicht ernst genommen zu werden. Das führt zu einer Art Gegenkultur, in der Solidarität mit populistischen Bewegungen nicht selten in informellen Gruppen, privaten Nachrichten oder exklusiven Veranstaltungen gezeigt wird. Der Wunsch nach einem „common ground“ mit einem politischen Lager, das vermeintlich den nötigen Mut zum Wandel mitbringt, wird dabei für viele zum entscheidenden Motiv. Die Zukunft der amerikanischen Politik und die Rolle der Technologiebranche darin bleibt trotz aller Ambivalenzen spannend. Es zeigt sich, dass politische Polarität und kulturelle Konflikte tief in gesellschaftlichen Prozessen verwurzelt sind, die auch in der Wirtschaft und unter Unternehmern spürbar sind.
Der Wunsch nach echtem Wandel, gepaart mit der Enttäuschung über traditionelle Machtstrukturen, schafft ein Klima, in dem ungewöhnliche politische Allianzen entstehen können. Letztlich steht die Debatte um „Fit to Rule“ für eine grundsätzliche Frage: Wer ist geeignet, ein Land mit all seinen Herausforderungen zu führen? Müssen es stets Personen aus den alten politischen Eliten sein, oder können es auch Querdenker, Unternehmer und Außenseiter sein, die neue Wege suchen? Vor allem aber muss geklärt werden, ob Veränderungen durch Populismus und autoritäre Tendenzen wirklich die gewünschten Verbesserungen bringen, oder ob sie nicht in neue Probleme führen, die schwerer wiegen als die alten. Die technologische Revolution und ihre Kraft zur Veränderung könnte so zur Triebfeder einer neuen politischen Kultur werden – eine Kultur, die Mut, Pragmatismus und Verantwortungsbewusstsein miteinander verbindet und dabei die Bedürfnisse aller gesellschaftlichen Gruppen im Blick behält. Die Herausforderungen sind groß, die Chancen aber ebenso. Das spannende daran ist, dass dieser Wandel nicht nur von traditionellen Politikern gestaltet wird, sondern zunehmend von jenen, die die digitale Welt und ihre Dynamiken verstehen und beeinflussen.
Sie kämpfen für ein Amerika, das zwar die Fehler der Vergangenheit kennt, aber den Glauben an die Macht des Wandels nicht verloren hat.