Im Zentrum der aktuellen juristischen Auseinandersetzung zwischen Google und der US-Justiz steht ein Streit um die Vormachtstellung des Tech-Giganten im Bereich der Online-Werbung. Die US-Justiz hat in einem wegweisenden Kartellverfahren angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen, die im Extremfall zur Zerschlagung von Google führen könnten. Dieses Verfahren markiert einen weiteren bedeutenden Schritt im Kampf gegen monopolistische Strukturen großer Technologieunternehmen und hat das Potenzial, die gesamte digitale Werbelandschaft nachhaltig zu verändern. Hintergrund des Rechtsstreits ist die Feststellung von US-Bezirksrichterin Leonie Brinkema, die im April 2025 verkündete, dass Google ein illegales Monopol im Bereich des sogenannten Publisher Ad Servers und des Ad Exchange innehat. Diese Bewertung basiert auf einem umfassenden Gerichtsprozess, der bereits im September 2024 begann.
Die Entscheidung zur Monopolposition Google’s leitete die zweite Phase des Prozesses ein, bei der es nun darum geht, einen geeigneten Rechtsbehelf zu finden, der den Wettbewerb auf dem Werbemarkt wiederherstellen soll. Die US-Justiz hat in dem anhängigen Verfahren Vorschläge unterbreitet, die weit über bloße Verhaltensanordnungen hinausgehen. Zentrale Forderung ist die Zerschlagung von Google’s Ad-Server-Plattform namens DoubleClick for Publishers, die nahezu 90 Prozent der Werbetreibenden als Grundlage für die Verwaltung ihrer Onlinewerbung nutzen. Dies zeigt die enorme Marktmacht von Google und untermauert die Dringlichkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen aus Sicht der Staatsanwaltschaft. Julie Wood, die die US-Regierung in diesem Fall vertritt, argumentiert, dass ein struktureller Eingriff unerlässlich sei, um das Monopol von Google effektiv zu brechen.
Sie verweist darauf, dass eine einfache Änderung einzelner Geschäftspraktiken nicht ausreiche. Die geforderte Zerschlagung soll über einen mehrjährigen Zeitraum geschehen und mehrere Stufen umfassen. Zunächst soll eine Änderung der Auktionslogik des Ad Exchange in Betracht gezogen werden, die Werbern erlaubt, vorab auf Werbeplätze zu bieten, anstatt an Echtzeitauktionen teilzunehmen. Dies soll für mehr Transparenz und Wettbewerb auf dem Werbemarkt sorgen. In einer weiteren Phase soll die Zerschlagung des Ad Servers erfolgen, indem die sogenannte Auktionslogik – das System, das darüber entscheidet, ob Anzeigen direkt an Verlage verkauft oder indirekt über Auktionen gehandelt werden – verkauft und als Open-Source-Lösung bereitgestellt wird.
Diese Öffnung könnte es Wettbewerbern ermöglichen, qualitativ hochwertige Produkte zu entwickeln, die mit den bisherigen Leistungen Google’s konkurrieren können. Das Konzept hinter der Öffnung der Technologie ist die Förderung eines vielfältigen und wettbewerbsfähigen Ökosystems, das nicht länger von einem einzigen dominierenden Unternehmen kontrolliert wird. Sollte diese Stufe erfolgreich umgesetzt werden, könnte der Prozess im Anschluss weitergehen und sich anderen Produkten widmen, die Google’s Marktstellung zusätzlich stärken und ausnutzen. Doch Google selbst wehrt sich vehement gegen die angedrohte Zerschlagung. Die Verteidigung, vertreten durch Anwältin Karen Dunn, weist auf die Risiken und möglichen Schäden hin, die ein solcher Eingriff nach sich ziehen könnte.
Sie beschreibt die Verflechtung von Google’s Technologien mit der gesamten Internet-Infrastruktur als so tiefgehend, dass eine Zerschlagung eine weitreichende Verunsicherung in der Branche hervorrufen würde und möglicherweise sogar die Nutzung vieler Internetdienste beeinträchtigen könnte. Google warnt vor einer „seismischen“ Auswirkung auf die digitale Wirtschaft und betont, dass insbesondere die Datenintegrität und Sicherheit der Nutzer erheblich gefährdet würden. Die Integration von Google-Diensten in mobile Applikationen, Smart-TVs und Open-Web-Anwendungen sei ein komplexes Netzwerk, das durch eine Zerschlagung empfindlich gestört werden könnte. Die Verteidigung fordert daher eine maßvolle Lösung, die vor allem auf Technologien setzt, die den Wettbewerb fördern, ohne die Infrastruktur zu zerstören. Die Richterin Brinkema zeigte sich während der Anhörungen darum bemüht, eine ausgewogene Entscheidung herbeizuführen.
Sie regte an, dass die Parteien sich auf gemeinsame Punkte einigen sollten, vor allem im Hinblick auf das Bieten auf dem Ad Exchange. Zudem brachte sie die Möglichkeit einer Mediation ins Gespräch, um einen langwierigen und unvermeidlich komplexen Rechtsstreit zu vermeiden. Diese Bemühungen spiegeln die große Bedeutung wider, die die Gerichte einer sorgfältigen und umsichtigen Lösung des Problems beimessen. Parallel zu diesem Verfahren läuft ein weiteres Kartellverfahren gegen Google in Washington, das sich hauptsächlich mit der Monopolstellung im Bereich der Internet-Suche beschäftigt. Dort fordert die US-Justiz Maßnahmen wie die Abspaltung des Chrome Browsers und möglicherweise des Android-Betriebssystems.
Während die Richterin Brinkema anerkennt, dass diese Entscheidungen einen sogenannten „Downstream-Effekt“ auf das laufende Werbeverfahren haben könnten, betont sie, dass die Fälle inhaltlich getrennt zu betrachten sind. Die grundlegende Frage, die sich in beiden Verfahren stellt, ist, wie sich die Marktmacht großer Technologieunternehmen zum Nachteil von Wettbewerb und Verbrauchern auswirkt und wie Rechtsprechung im digitalen Zeitalter darauf reagieren sollte. Das Werbemonopol von Google betrifft nicht nur die Industrie selbst, sondern hat auch massive Auswirkungen auf die Nutzererfahrung, den Datenschutz und die Vielfalt im Internet. Der Fall illustriert die Herausforderungen, vor denen Regulatoren heute stehen. Während die technische Komplexität von Plattformen wie Google enormes Fachwissen erfordert, wächst gleichzeitig der gesellschaftliche Druck, monopolistische Strukturen aufzubrechen, um Innovationen zu fördern, Preise zu senken und letztendlich Konsumenten besser zu schützen.
Im digitalen Werbemarkt ist Google so dominant, dass Veränderungen bei seinen Geschäftsmodellen Preise, Reichweiten und die Art der Werbung im gesamten Internet beeinflussen. Viele Verlage und Werbetreibende sind stark auf die Google-Infrastruktur angewiesen, was einen Marktaustritt oder eine Flucht in konkurrierende Systeme schwierig macht. Die vorgeschlagene Zerschlagung könnte deshalb auch als Signal verstanden werden, dass die Zeit der uneingeschränkten Machtkonzentration bei wenigen Technologiegiganten zu Ende geht. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Prozess in den kommenden Monaten entwickelt. Sollte die Zerschlagung in der vorgeschlagenen Form durchgesetzt werden, könnten die Auswirkungen weit über die Werbebranche hinausgehen.
Wettbewerbsfähigkeit gäbe es dann nicht mehr nur aus regulatorischem Zwang, sondern als Chance für neue Anbieter und Innovationen, die bislang durch die Dominanz Google’s auf der Strecke geblieben sind. Für Unternehmen, Werbetreibende, Verbraucher und die gesamte digitale Wirtschaft wäre das sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance. Der Prozess gegen Google könnte zum Wendepunkt im Kampf gegen Tech-Monopole werden und die Grundlage für künftige Regulierungen im digitalen Raum legen. Die kommenden Monate versprechen damit eine der wichtigsten juristischen Auseinandersetzungen im Bereich Technologie und Wettbewerb der letzten Jahre.