Die Beduinen, eine Gruppe nomadischer Wüstenbewohner, sind für ihre charakteristischen schwarzen Gewänder bekannt, die sie in den brennend heißen Wüstenregionen tragen. Auf den ersten Blick mag es widersprüchlich erscheinen, dass Menschen in heißen Klimazonen dunkle Kleidung bevorzugen, da Schwarz üblicherweise als Farbe angesehen wird, die Wärme absorbiert und dadurch die Körpertemperatur erhöhen könnte. Doch eine wissenschaftliche Untersuchung aus dem Jahr 1980, durchgeführt von Amiram Shkolnik, C. Richard Taylor, Virginia Finch und Arieh Borut, bietet verblüffende Erkenntnisse, die diese traditionelle Praxis als hervorragend an die widrigen Umweltbedingungen angepasst erklären. Die Studie, veröffentlicht in der renommierten Fachzeitschrift Nature, hat das Phänomen umfassend analysiert und liefert wichtige Impulse zum besseren Verständnis menschlicher Anpassungsstrategien in extremen Klimazonen.
Die Wüstenregionen, in denen die Beduinen leben, zeichnen sich durch extreme Tageshitze, intensive Sonneneinstrahlung und trockene Luft aus – alle Faktoren, die das Überleben zu einer Herausforderung machen. Bereits in der Geschichte lassen sich Hinweise finden, dass Menschen ähnlich wie die Beduinen Kleidung gezielt zur Anpassung an hitzebedingte Belastungen genutzt haben. Doch warum ist die schwarze Farbe in diesem Kontext so bedeutsam? Ein wesentlicher Teil der Untersuchung befasst sich mit der physikalischen Wirkung von Farben unter Sonneneinstrahlung. Allgemein wird angenommen, dass helle Farben wie Weiß die Sonneneinstrahlung reflektieren und so den Wärmegewinn reduzieren, während dunkle Farben wie Schwarz mehr Licht und damit auch Wärme absorbieren. Etwas überraschend zeigt die Forschung, dass die Gesamtwärmebelastung für den Körper nahezu gleich ist, unabhängig davon, ob ein schwarzes oder ein weißes Gewand getragen wird.
Das liegt an der komplexen thermodynamischen Wechselwirkung zwischen dem Kleidungsstoff, der Luftschicht und der Hautoberfläche. Die Schwarze Robe absorbiert tatsächlich mehr Strahlung von der Sonne, doch ein großer Teil dieser Wärme wird durch den Luftstrom, der um und unter dem weiten Gewand zirkuliert, wieder an die Umgebung abgegeben. Auf diese Weise erhitzt sich die Haut nicht stärker als unter einem weißen, reflektierenden Gewand. Die weiten, fließenden Stoffe der Beduinenroben ermöglichen zudem eine sehr gute Luftzirkulation. Diese Luftschicht wirkt dabei wie eine Isolationsbarriere gegen die Hitze der Umgebung.
Gleichzeitig erlaubt sie Schweißdampf vom Körper zu entweichen, was essentiell für die natürliche Kühlsystemfunktion des Körpers ist. Die Untersuchung der Wissenschaftler umfasst auch Vergleiche mit anderen Tieren und deren Schutzmechanismen gegen Sonneneinstrahlung. So ist bekannt, dass weiße Haar- oder Federkleider bei Tieren oft mehr des kurzwelligen Sonnenlichts durchdringen lassen als schwarze. Studien an Rindern und Tauben zeigen sogar, dass die Haut unter weißen Haaren oder Federn wegen des höheren Eindringens von Sonnenstrahlung wärmer sein kann. Analog hierzu schützt der schwarze Stoff der Beduinenanstatt die Haut vor direkter Wärme, indem er die Strahlung absorbiert und den Großteil der Hitze bereits in der äußeren Schicht hält, die durch Luftbewegung schnell gekühlt wird.
Rekonstruktionen vor Ort und experimentelle Simulationen brachten die Forscher zu der Erkenntnis, dass schwarze Gewänder bei Windgeschwindigkeiten oberhalb von drei Metern pro Sekunde sogar vorteilhafter sein können. Dies ist in der Wüstenumgebung häufig der Fall, vor allem während der kühleren Morgen- und Abendstunden. Durch den Luftstrom wird die erhitzte Außenfläche der Robe effizient gekühlt, wodurch die Hauttemperatur niedriger bleibt als erwartet. Aus kultureller Sicht sind die schwarzen Roben auch ein bedeutendes Symbol der Identität und Zugehörigkeit in der Beduinengesellschaft. Die Farbe Schwarz hat Bedeutung über den praktischen Nutzen hinaus und ist tief mit der Tradition verknüpft.
Gleichzeitig fördern die schwarzen Gewänder die Tarnung in der Wüstenumgebung, was das Leben in einer oft gefährlichen Umgebung erleichtern kann. Der schwarze Stoff ist zudem sichtbar widerstandsfähig gegen Staub und Schmutz, was für den Lebensstil nomadischer Völker von erheblichem Vorteil ist. Die traditionellen Gewänder sind zudem meist aus Naturfasern wie Baumwolle gefertigt, die eine hohe Atmungsaktivität und Feuchtigkeitsaufnahme bieten. Diese Materialeigenschaften ergänzen optimal die temperaturregulierenden Effekte der schwarzen Farbe und der Konstruktionsweise der Robe. Indem sie die Verdunstung von Schweiß erleichtern, unterstützen diese Stoffe die Kühlung des Körpers und tragen zu einem angenehmen Tragekomfort bei, selbst unter starken Hitzebedingungen.
Die Forschung aus dem Jahr 1980 erklärt also eindrucksvoll, dass die scheinbar widersprüchliche Wahl schwarzer Kleidung in heißen Wüsten kein Fehler, sondern eine durchdachte Anpassung ist. Die Kombination aus absorbierender Farbe, luftzirkulierender, weiter Schnittform und atmungsaktivem Material sorgt für eine optimale Wärmeregulation. Die Ergebnisse widerlegen so manche westliche Annahmen über die im heißen Klima geeignete Kleidung. Für heutige Anwendungen in der Bekleidungs- und Textilindustrie kann dieses Wissen ebenfalls wertvolle Anregungen bieten. Insbesondere bei der Entwicklung von Outdoor- und Hitzeschutzkleidung lässt sich durch das Studium traditioneller Kennerschaft und moderner wissenschaftlicher Methoden viel gewinnen.
So könnten robuste und zugleich kühlende Textilien entstehen, die sich durch spezielle Farb- und Gewebekombinationen den Anforderungen extremer Hitze anpassen. Auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel, der vermehrt Hitzewellen und extreme Temperaturen weltweit begünstigt, sind solche Erkenntnisse besonders relevant. Traditionelles Wissen gepaart mit den Erkenntnissen der Wissenschaft kann einen bedeutenden Beitrag zu Anpassungsstrategien für Menschen in heißen Regionen leisten. Abschließend zeigt die Untersuchung, dass die Wahl schwarzer Gewänder durch die Beduinen ein fein abgestimmtes Gleichgewicht zwischen physikalischen Eigenschaften und kulturellen Prägungen darstellt. Sie verdeutlicht, wie menschliche Kulturen durch lange Erfahrung und Beobachtung naturwissenschaftliche Prinzipien intuitiv nutzen, um das Leben unter extremen Umweltbedingungen erfolgreich zu gestalten.
Diese Erkenntnisse tragen dazu bei, menschliches Verhalten in heißen Klimazonen besser zu verstehen und eröffnen neue Perspektiven für nachhaltige und funktionelle Kleidungsentwicklung.