Die Luxusbranche in Europa, einst Synonym für ungebrochenes Wachstum und Exklusivität, sieht sich aktuell mit einer Reihe von Problemen konfrontiert, die den bisherigen Erfolg bedrohen. Bedeutende Akteure wie LVMH, Kering und Hermès mussten in der jüngsten Berichtssaison enttäuschende Zahlen verkünden und blieben hinter den Markterwartungen zurück. Diese Entwicklung markiert eine Wende für die Branche, die über Jahrzehnte hinweg als stabiler Wachstumsmotor galt. Die Ursachen für diese Delle sind vielfältig und liegen weitgehend in den aktuellen globalen wirtschaftlichen und geopolitischen Spannungen. Neben Makrofaktoren wie Handelskonflikten und einer unsicheren Konjunktur sind vor allem Veränderungen im Konsumverhalten und im Umfeld der Kernmärkte maßgeblich für die schwierige Situation verantwortlich.
Insbesondere die Handelskonflikte zwischen den USA und China wirken sich stark auf die Luxusindustrie aus. Beide Länder zählen zu den wichtigsten Absatzmärkten für europäische Luxusgüter und waren in den vergangenen Jahren zentrale Wachstumstreiber. Durch neue Zölle, unsichere Handelsbedingungen und eine insgesamt abgeschwächte Wirtschaftsentwicklung ist die Nachfrage nach hochpreisigen Luxusartikeln in beiden Regionen rückläufig. Dieser Nachfragerückgang wird durch eine verschlechterte Stimmung unter den Verbrauchern verstärkt, die angesichts wirtschaftlicher Unsicherheit und der Gefahr einer Rezession vorsichtiger bei ihren Ausgaben werden. Analysten von HSBC, TD Cowen und Barclays haben infolgedessen bereits die Bewertungen von Branchengrößen wie LVMH gesenkt und von Kaufempfehlungen auf Halten oder sogar Verkaufen gewechselt.
LVMH, das weltgrößte Luxusunternehmen, steht dabei exemplarisch für die Herausforderungen in der Branche. Das Kerngeschäft, bestehend aus Mode und Lederwaren, zeigt Anzeichen einer Stagnation beziehungsweise eines Rückgangs in den wichtigsten Wachstumsregionen, vor allem im US-amerikanischen Markt. Top-Marken innerhalb des Konzerns wie Dior, Fendi, Celine, Givenchy und Kenzo verzeichneten negative Wachstumstrends. Die Erwartungen, dass sich diese Geschäfte im Verlauf von 2025 erholen könnten, wurden durch neue Prognosen von Analysten deutlich gedämpft. Auch die Margen im Fashion- und Lederwarenbereich könnten laut Einschätzung von Barclays noch nicht ihren Tiefpunkt erreicht haben, was einen längeren Zeitraum der wirtschaftlichen Belastung andeutet.
Neben Mode und Lederwaren trifft die Krise auch andere Bereiche im Luxussegment, etwa Parfüms und Kosmetik, sowie den Bereich Weine und Spirituosen. Besonders die Sparte Moët Hennessy litt unter schwacher Nachfrage in China und den USA, was nach Berichten zur Folge hatte, dass das Unternehmen seine Belegschaft an das Niveau vor der Pandemie anpasst und von 9.400 auf etwa 8.200 Mitarbeiter reduziert. Diese Personalmaßnahmen spiegeln die Notwendigkeit wider, Kosten zu senken und die Organisation effizienter auszurichten, um den Herausforderungen der neuen Marktrealitäten zu begegnen.
Auch wenn die Luxusbranche in der Vergangenheit als relativ krisenresistent galt, da sie auf vermögende Kunden setzt, so wird die aktuelle globale Lage als besonders komplex eingeschätzt. Ein wesentlicher Unterschied zu früheren Abschwüngen ist, dass alle wichtigen Märkte gleichzeitig unter Druck stehen. Während bisher oft regionale Schwächen durch starke Verkäufe in anderen Regionen kompensiert werden konnten, fehlen derzeit solche ausgleichenden Effekte. So sind sowohl China als auch die USA, zwei Schlüsselregionen für europäische Luxusprodukte, von konjunkturellen Belastungen betroffen. Gleichzeitig zeigen sich selbst traditionell stabile Märkte in Europa und anderen Teilen Asiens nicht mehr immun gegenüber den erhöhten Unsicherheiten.
Die Auswirkungen der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen sind auch im Bereich des Konsumentenverhaltens sichtbar. Die sogenannte „Aspirational Customer“ – also Kunden, die Luxusgüter als Statussymbol anstreben – sind zunehmend vorsichtiger geworden, was direkte Einbußen bei Umsätzen und Margen zur Folge hat. Das Kaufverhalten verschiebt sich insgesamt, wobei stärker auf Preis und Wert geachtet wird, was den Premiumcharakter und die Preissetzungsmacht luxusorientierter Unternehmen unter Druck setzt. Ein weiterer Beitrag zu den Herausforderungen ist das schwierige Währungsumfeld. Schwankungen bei Wechselkursen wirken sich unmittelbar auf die internationale Preisgestaltung und Gewinnmargen aus.
Insbesondere der Euro-Schweizer Franken- und Euro-Dollar-Kurs sind für viele der größten Luxusunternehmen relevant. Ein starker Euro verteuert Produkte für Kunden außerhalb der Eurozone, was den Absatz zusätzlich erschwert. Im Hinblick auf die Zukunft müssen Luxusunternehmen ihre Strategien überdenken, um auf die veränderten Marktbedingungen zu reagieren. Digitalisierung und Nachhaltigkeit gewinnen dabei an Bedeutung. Die klassischen Verkaufswege über exklusive Boutiquen werden um E-Commerce-Plattformen ergänzt, um auch jüngere und technikaffine Konsumenten besser anzusprechen.
Gleichzeitig rückt das Thema Nachhaltigkeit mehr in den Fokus, da anspruchsvolle Kunden zunehmend Wert auf ethisch vertretbare Produktionsprozesse und Umweltbewusstsein legen. Diese Aspekte können langfristig helfen, die Attraktivität der Marken zu stärken und neue Wachstumsmöglichkeiten zu erschließen. Die Erwartungen an eine schnelle Erholung der Luxusbranche durch eine Erholung der globalen Wirtschaft haben sich eingetrübt. Analysten verweisen darauf, dass die Herausforderungen bis mindestens in die zweite Hälfte des Jahres 2025 hinein anhalten könnten. Dabei ist klar, dass nicht alle Unternehmen gleichermaßen betroffen sind.
Während einige Marken und Konzerne mit robusteren Geschäftszahlen und solider Marktpositionierung relativ gut durch die Krise kommen dürften, werden andere mit rückläufigen Umsätzen und schrumpfenden Margen zu kämpfen haben. Ein selektiver Blick auf einzelne Player ist daher für Investoren und Marktbeobachter von großer Bedeutung. In der Summe zeichnen sich für die europäische Luxusbranche düstere Aussichten ab, die durch globale wirtschaftliche Unsicherheiten, geopolitische Spannungen und verändertes Konsumentenverhalten geprägt sind. Die großen Herausforderungen erfordern eine Anpassung der Geschäftsmodelle, innovative Marketingstrategien und ein verstärktes Augenmerk auf Kostenkontrolle. Trotz der aktuellen Schwächephase bleibt die europäische Luxusbranche ein wichtiger Sektor mit erheblichem Potenzial, insbesondere wenn es gelingt, neue Markttrends aufzugreifen und die Bedürfnisse einer sich wandelnden Kundschaft erfolgreich zu bedienen.
Nur so kann der Glanz, der jahrzehntelang für Luxusmarken stand, auch in Zukunft erhalten und ausgebaut werden.