Städte bei Nacht – ein leuchtendes Mosaik aus Straßen, Gebäuden und Werbeanzeigen, die den Himmel erhellen und das urbane Leben sichtbar machen. Doch jenseits dieses beeindruckenden Anblicks birgt die künstliche Beleuchtung große Herausforderungen für Umwelt, Gesundheit und Energieverbrauch. Während Satellitenbilder von der Erde bei Nacht seit Jahren faszinieren und als Symbol für moderne Zivilisation gelten, war das Verständnis über die tatsächlichen Quellen des künstlichen Lichts bislang recht begrenzt. Das Forschungsteam um die Bürgerwissenschaftsinitiative Nachtlichter hat diese Wissenslücke eindrucksvoll geschlossen und liefert wichtige Daten, die Urbanisten, Umweltschützer und Politiker gleichermaßen nutzen können. Die besten Erkenntnisse stammen von vielen Menschen, die gemeinsam beobachten, was die nächtliche Stadt wirklich erhellt.
Die Nacht bisher ein Dunkelraum der Forschung Seit Jahrzehnten haben Wissenschaftler künstliches Licht als Umweltverschmutzer anerkannt, der inzwischen etwa ein Viertel der Landflächen der Erde beeinflusst und in Europa sogar 88 Prozent der Bevölkerung betrifft. Dennoch ist unklar, welche Lichtquellen genau die nächtlichen Städte dominieren. Öffentliche Kreise beschäftigen sich vor allem mit Straßenlaternen, da diese von Behörden gesteuert und technisch gut dokumentiert sind. Satelliten liefern zwar globale Daten zur nächtlichen Strahlung, können aber nicht die einzelnen Lichtquellen unterscheiden. Sie sehen die Lichtemission von oben, können jedoch nur unzureichend zwischen den verschiedenen Arten von Lichtquellen unterscheiden – zum Beispiel, ob ein Licht Werbung, Straßenbeleuchtung oder private Fenster beleuchtet.
Diese Lücke erschwert effektive Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und zur nachhaltigen Gestaltung der städtischen Beleuchtung. Nachtlichter-App: Bürger als Leuchtzähler Hilfreich wurde das Projekt Nachtlichter, eine citizen science-Initiative, die im Herbst 2021 gestartet wurde und einer breiten Bürgergemeinschaft in Deutschland die Möglichkeit gab, die Lichtquellen in ihrer Stadt zu dokumentieren. Die applizierte Methode war so einfach wie genial: Über die Nutzung einer speziell entwickelten App wurden Lichtquellen entlang vorgegebener Straßenabschnitte (Transekten) gezählt und klassifiziert. Fast ein Viertel Million Lichtquellen in einer Fläche von 22 Quadratkilometern, überwiegend in Deutschland, wurden so erfasst. Die Nutzer unterschieden insgesamt 18 verschiedene Lichtkategorien, darunter private und kommerzielle Fensterbeleuchtungen, Werbeschilder und natürlich die klassischen Straßenlaternen.
Die Stärke der Bürgerwissenschaft zeigte sich darin, dass die Daten eine bisher nicht verfügbare Detailtiefe erreichen konnten. Besonders bemerkenswert ist die Erkenntnis, dass in deutschen Stadtzentren die Menge der Lichtquellen für Werbung und Ästhetik die Anzahl der Straßenlaternen übersteigt – ein Umstand, der bei der bisherigen politischen und städtischen Beleuchtungskontrolle kaum beachtet wurde. Diese Erkenntnis eröffnet neue Perspektiven in der Debatte über Lichtverschmutzung und Energieverbrauch. Zusammenhang zwischen Satellitendaten und erfassten Lichtquellen Um die gewonnenen Daten auch im größeren Zusammenhang einordnen zu können, hat das Team die Bodenmessungen mit Satellitenbeobachtungen der sichtbaren nächtlichen Strahlung verglichen. Dabei wurde festgestellt, dass es einen positiven Zusammenhang gibt: Je mehr Lichtquellen pro Quadratkilometer gezählt wurden, desto heller erschien das Gebiet aus dem Weltall.
Konkret lässt sich die Satellitenstrahlung in eine greifbare Zahl von etwa 219 Lichtquellen pro Quadratkilometer umrechnen, wenn man die Daten auf die Abende um Mitternacht korrigiert. Hochgerechnet entspricht dies in Deutschland etwa 78 Millionen einzelnen Lichtquellen, die in der Nacht leuchten. Dies verdeutlicht ein riesiges Potenzial für Einsparungen – und damit für den Klimaschutz und die Reduzierung der Lichtverschmutzung. Vielfalt und Dynamik der Lichtquellen im urbanen Raum Ein weiterer wichtiger Befund der Nachtlichter-Initiative ist das Verständnis für das Zusammenspiel und die zeitliche Dynamik der verschiedenen Lichtquellen. Private und kommerzielle Fenster sind die häufigsten Lichtspender, gefolgt von Straßenlaternen.
Weil viele Leuchtquellen im Laufe der Nacht abgeschaltet werden – etwa Werbetafeln oder Beleuchtung in Büros – verändert sich das nächtliche Lichtszenario stetig. Straßenlaternen bleiben allerdings meist konstant an, verstärken sich also relatativ im späten Nachtverlauf. Zudem offenbarten die Daten Unterschiede in der Lichtgestaltung, die von städtischen Gebieten bis zu Vororten und Kleinstädten reichen. Einige Lichtquellen wie Gartenbeleuchtungen sind zwar selten, aber vor allem in weniger dicht besiedelten Gebieten häufiger anzutreffen. Hingegen dominieren in dichten städtischen Bereichen Werbeschilder und kommerzielle Fensterbeleuchtung, was den nächtlichen Himmel maßgeblich beeinflusst.
Schutzmaßnahmen und politische Folgen Die Studie macht auch deutlich, wie wichtig Lichtabschirmungen sind, um die nach oben gerichteten Lichtemissionen und damit die Lichtverschmutzung zu verringern. Rund die Hälfte der Straßenlaternen in Deutschland sind vollständig oder teilweise abgeschirmt, was gut ist, allerdings ist ein beträchtlicher Teil der übrigen Beleuchtung – vor allem von an Gebäuden montierten Strahlern – ungeschützt. Dies begünstigt die Streuung des Lichts in den Himmel und verstärkt das sogenannte Himmelglühen, das weit über die Stadtgrenzen hinaus spürbare ökologische Auswirkungen hat. Politische Programme und Vorschriften müssen daher ihre Aufmerksamkeit über den Bereich Straßenbeleuchtung hinaus ausweiten. In Frankreich gibt es bereits Maßnahmen, die Werbeanlagen verpflichten, zu bestimmten Zeiten abzuschalten, und Gebäude werden angehalten, Lichtquellen beim Verlassen auszuschalten.
Solche Vorgehensweisen könnten auch in Deutschland und anderen Ländern helfen, ohne die Funktion oder Sicherheitsaspekte zu beeinträchtigen. Die Wirkung einer besseren Regulierung könnte auch durch Folgeprojekte der Bürgerwissenschaft bewertet werden. Beispielsweise könnten Nachzählungen mit der Nachtlichter-App nach Einführung neuer Regelungen zeigen, wie gut Unternehmen und Bürger die Maßnahmen umsetzen. So entsteht neben dem Umweltvorteil auch ein Bewusstseinswandel in der Bevölkerung. Bedeutung für Forschung und Umwelt Die Nutzung von Bürgerwissenschaft hat sich bei diesem Projekt als besonders wirksam erwiesen.
Die hohe Beteiligung und methodische Schulung der Teilnehmer garantiert eine verlässliche Datenbasis. Daraus ergeben sich wichtige Erkenntnisse, die bisherige Annahmen infrage stellen und neue Wege für umweltverträgliche urbane Beleuchtung aufzeigen. Lichtverschmutzung wirkt sich nicht nur auf die kosmische Aussicht und astronomische Beobachtungen aus, sondern beeinflusst auch Tierarten, Pflanzen und menschliche Gesundheit. Vogelzugmuster werden durch künstliche Lichtquellen gestört, Nachtaktive Tiere finden schlechter Nahrung oder vermehren sich unregelmäßig. Menschliche Schlafzyklen werden durch übermäßige nächtliche Beleuchtung beeinträchtigt und können langfristig Gesundheitsprobleme verursachen.
Zudem bedeutet unnötige Außenbeleuchtung hohen Energieverbrauch. Angesichts der Klimakrise ist das effiziente Management von urbaner Beleuchtung nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein wirtschaftliches Thema. Die Datenbasis der Nachtlichter-Initiative liefert hierfür wertvolle Inputpunkte. Technologische Aussichten Zukünftig könnten solche Analysen durch immer detailliertere Satellitenbilder und automatisierte Fernerkundungstechniken ergänzt werden. Doch der Wert vor Ort gesammelter, menschlich klassifizierter Daten bleibt unbestritten.
Moderne Städte entwickeln zunehmend intelligente Beleuchtungssysteme, die auf Bewegung reagieren und bei Bedarf Licht zuschalten. Solche adaptive Systeme bieten weitere Möglichkeiten, den Lichtverbrauch zu senken und die Umweltbelastung zu minimieren. Eine kontinuierliche Beteiligung der Bevölkerung, etwa über apps oder lokale Initiativen, bleibt ein Schlüsselfaktor, um nachhaltiges Bewusstsein zu fördern und Daten aktuell zu halten. Wiederholte Messungen über die Jahre helfen, Trends zu erkennen und Erfolg oder Misserfolg von Maßnahmen zu bewerten. Fazit Die in Deutschland durchgeführte Bürgerwissenschaft mit der Nachtlichter-App hat eindrucksvoll offengelegt, dass vor allem private Beleuchtungen und Werbeanlagen den nächtlichen urbanen Raum prägen – und dass Straßenlaternen nur einen Teil der künstlichen Lichtemissionen ausmachen.
Diese Erkenntnisse stellen bisherige politische und wissenschaftliche Ansätze infrage und eröffnen neue Wege für eine umfassendere Regulierung und Planung von Stadtbeleuchtung. Durch die Integration von Satellitenbeobachtung mit bodengebundenen Zählungen entsteht ein umfassendes Bild, das sowohl Forschung als auch praktische Maßnahmen unterstützt. Für Städte, die sowohl die Klimaziele erreichen als auch den Schutz der biologischen Vielfalt sichern wollen, ist eine Umgestaltung der nächtlichen Beleuchtung unumgänglich. Die Beteiligung von Bürgern an der Datensammlung schafft außerdem gesellschaftliche Akzeptanz und stärkt das Umweltbewusstsein. In der Kombination von moderner Technologie und bürgerschaftlichem Engagement liegt ein großes Potenzial, das Licht der Städte effizienter, umweltfreundlicher und gesünder zu gestalten – ohne auf die Funktionalität und Sicherheit im urbanen Raum zu verzichten.
Das nächtliche Stadtbild kann so in Zukunft heller im Sinne von nachhaltiger Entwicklung und nicht im Sinne von Lichtverschmutzung leuchten.