Die Digitalisierung und Vernetzung alltäglicher Gegenstände verändert zunehmend die Art und Weise, wie wir mit unserer Umgebung interagieren. Intelligente Objekte, sogenannte Smart Objects, sind mehr als nur physische Artefakte – sie können das Verhalten ihrer Nutzer erkennen, sich mit anderen Objekten abstimmen und aktiv Anweisungen oder Hinweise geben. Dieser Wandel im Design erfordert ein neues Verständnis davon, wie Menschen mit solchen Objekten agieren und wie diese Objekte gestaltet sein müssen, um intuitive, effektive und angenehme Interaktionen zu ermöglichen. Im Zentrum dieser Entwicklung steht das Konzept der Affordanzen, ursprünglich geprägt von dem Psychologen James J. Gibson, und die darauf aufbauende Theorie der Formen der Engagements, die das Interaktionsverhalten zwischen Mensch, Objekt und Umwelt umfassend beschreiben.
Affordanzen bezeichnen die wahrgenommenen oder tatsächlichen Handlungs- und Nutzungsmöglichkeiten, die ein Objekt in seiner Umgebung bietet. Anders gesagt, sie sind keine isolierte Eigenschaft des Gegenstands oder nur eine subjektive Interpretation des Nutzers, sondern entstehen als relationale Gebilde im Zusammenspiel von Benutzerfähigkeiten, Objekteigenschaften und Kontextbedingungen. So führt das Berühren eines heißen Kaffeebechers zu einer anderen Handlungsweise als das Greifen eines kalten Milchbechers, obwohl das Objekt selber ein ähnliches Design aufweist. Die Wahrnehmung davon, wie ein Objekt benutzt werden kann oder sollte, ist weitgehend automatisiert und basiert auf sowohl angeborenen als auch erworbenen sensorischen und kognitiven Fähigkeiten. In der Interaktionsgestaltung wurde der Begriff der Affordanz besonders durch Donald Norman populär, doch dessen Interpretation fokussiert oft auf visuelle Hinweise und Designmerkmale, die Nutzer zu bestimmten Aktionen „anleiten“.
Diese Perspektive hebt das explizite Hervorheben von Funktionen hervor, vernachlässigt aber oft das nonverbale und implizite Wissen, das Nutzer in alltäglichen Situationen einsetzen. Im Gegensatz dazu geht die material-ökologische Perspektive von Gibson und späteren Forschern davon aus, dass Affordanzen durch eine direkte Wahrnehmung entstehen, ohne auf bewusste Interpretation angewiesen zu sein. Ein gutes Design intelligenter Objekte muss beide Seiten berücksichtigen: Einerseits sollen Form und Funktion so abgestimmt sein, dass sie eine unmittelbare Wahrnehmung und Handlungsaufforderung ermöglichen, andererseits müssen auch Möglichkeiten gegeben sein, intelligente Hilfestellungen zu liefern, die Nutzer situationsabhängig unterstützten. Die Theorie der Formen der Engagements bietet eine differenzierte Grundlage, um Interaktionen mit Objekten umfassend zu erklären. Dabei werden verschiedene Dimensionen des Engagements unterschieden: Morphologisches Engagement umfasst körperliche Eigenschaften und Fähigkeiten, die etwa die Größe und Form der Hand betreffen und unsere Greifmöglichkeiten einschränken.
Motorisches Engagement beschreibt die Fähigkeit, präzise Bewegungen und Handlungen auszuführen. Perzeptuelles Engagement bezieht sich auf die Fähigkeit, relevante Informationen aus der Umwelt oder vom Objekt aufzunehmen und umzusetzen. Kognitives Engagement lenkt und überwacht Handlungsziele und adaptive Anpassungen, während kulturelles Engagement die kontextuelle, soziale und kulturelle Dimension umfasst, in der Handlungen Bedeutung erhalten. Intelligente Objekte können durch gezielte Sensorik und Datenverarbeitung mehrere Formen des Engagements erfassen und analysieren. So lassen sich zum Beispiel Bewegungsmuster, Handform und -bewegung erkennen und daraus Rückschlüsse auf die Fähigkeiten und Absichten des Nutzers ziehen.
Durch diese Informationen können Objekte ihre Reaktion anpassen, etwa indem sie Hinweise geben, Aktionen bestätigen oder alternative Nutzungsmöglichkeiten vorschlagen. Auf diese Weise erzeugt das System eine affording Situation – eine Gestaltung, die die Interaktion unterstützt und gleichzeitig die Intentionen aller beteiligten Komponenten berücksichtigt. Ein anschauliches Beispiel ist ein smarter Trinkbecher, der mit Bewegungssensoren und Haptik ausgestattet ist. Während ein klassischer Becher unverändert bleibt, kann ein intelligentes Exemplar darauf hinweisen, wie viel Flüssigkeit bereits aufgenommen wurde, und den Nutzer auf einen zu geringen Flüssigkeitskonsum aufmerksam machen. Über visuelle Signale, Vibrationsfeedback oder akustische Hinweise könnte das Objekt den Benutzer motivieren, mehr zu trinken oder beim Umgang mit heißen Getränken vorsichtiger zu sein.
Dabei versteht das Objekt nicht nur die unmittelbare Handlung (z.B. Griff oder Anheben), sondern interpretiert auch das Ziel und den Kontext, um unterstützend einzugreifen. Durch die Kommunikation mit anderen vernetzten Geräten ließen sich darüber hinaus weitere Informationen einbeziehen, etwa Zeitpläne oder Wohlbefinden, wodurch die affordierende Situation weiter verfeinert wird. Die Implikationen für das Design von smarten Objekten sind weitreichend.
Es reicht nicht aus, ein Gerät einfach mit Sensoren und Kommunikationsmodulen auszustatten. Vielmehr muss das Design situationsübergreifend affording Situationen schaffen, die den Nutzer nicht überfordern, sondern durch ein wohlüberlegtes Zusammenspiel von Form, Funktion und Interaktionsmöglichkeiten ein harmonisches Nutzungserlebnis ermöglichen. So wird eine Grenze überschritten vom reinen Visualisieren von Bedienhinweisen hin zu einem partnerschaftlichen Zusammenspiel zwischen Mensch und Objekt, bei dem das smarte Objekt als eine Art Agent auftritt, der die Handlungen lenkt, ergänzt oder fördert. Besonders wichtig ist dabei die Sensibilität gegenüber der Variabilität individueller Nutzerfähigkeiten und kultureller Hintergründe. Wo der erfahrene Nutzer Aktionen automatisch und unbewusst ausführt, könnten gerade bei neuen oder alternativen Nutzungsszenarien unterstützende Hinweise helfen, Fehlbedienungen zu vermeiden und akzeptanzsteigernd zu wirken.
Zugleich muss das System so gestaltet sein, dass es nicht zu aufdringlich wirkt und sich nahtlos in den Alltag integriert. Neben der Unterstützung bei der Zielerreichung kann smartes Design auch Verhaltensänderungen anregen. Ein Becher, der die tägliche Wasseraufnahme überblickt, könnte helfen, Gesundheitsempfehlungen besser einzuhalten. Ebenso ließen sich rehabilitative Funktionen integrieren, indem etwa eine bevorzugte Hand zum Halten vorgeschlagen wird oder unerwünschte Handlungen subtil unterbunden werden. Damit gelangen die smarten Objekte in den Bereich des sogenannten „Nudgings“, bei dem Nutzen und Beeinflussung in subtiler Art und Weise stattfinden, oft ohne aktive Bewusstmachung durch den Nutzer.
Hydratisierung, Ernährung, Bewegung und andere Bereiche des täglichen Lebens bieten ein großes Potenzial, das durch affording Situationen nachhaltig unterstützt werden kann. Intelligente Objekte, welche mit einem Verständnis der komplexen Formen der Engagements ausgestattet sind, können zum Schlüsselfaktor für eine verbesserte Lebensqualität und Nutzererfahrung werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Gestaltung von Smart Objects mehr sein muss als die bloße Implementierung technischer Funktionalitäten. Ein tiefergehendes Konzept, das die Beziehung zwischen Personen, Objekten und deren Umwelt berücksichtigt, ist notwendig. Affordanzen dienen dabei als Brücke, die physische Form, Benutzerfähigkeiten und Umweltbedingungen in Beziehung setzt.
Die Berücksichtigung der Formen des Engagements ermöglicht es Designern, affording Situationen zu schaffen, die intuitiv, adaptiv und kulturell relevant sind. Somit wandelt sich das Produkt von einem passiven Gegenstand zu einem aktiven Partner, der nicht nur auf Handlungen reagiert, sondern diese antizipiert, lenkt und gemeinsam mit dem Nutzer sinnstiftend gestaltet. Ein solcher Ansatz stellt eine neue Dimension in der Interaktionsgestaltung dar, die weit über konventionelle Usability hinausgeht und die User Experience auf ein neues Level hebt. In der Zukunft wird die Integration solcher Konzepte in die Entwicklung intelligenter Objekte voraussichtlich eine wichtige Rolle spielen, um komplexe und heterogene Nutzerbedürfnisse besser zu erfüllen und ein nahtloses, natürliches Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik in allen Lebensbereichen zu ermöglichen.