In den letzten Jahren haben große Sprachmodelle, kurz LLMs (Large Language Models), in der Softwareentwicklung und im Ingenieurwesen einen festen Platz eingenommen. Doch jenseits von Hype und technischer Faszination eröffnet sich ein tieferer Nutzen: LLMs helfen dabei, ein besserer Ingenieur zu werden. Es geht nicht nur darum, Fehler zu vermeiden oder schneller Code zu schreiben, sondern darum, den Denkprozess, die Herangehensweise und die Fähigkeit, Anforderungen präzise zu formulieren und zu reflektieren, zu schärfen. Die Integration von KI-basierten Tools in den Arbeitsalltag hat dazu geführt, dass viele Entwickler sich fragen, ob und wie diese Modelle nachhaltige Kompetenzentwicklung fördern. Dabei zeigt die persönliche Erfahrung, dass es weniger auf das einfache Generieren von Code oder Texten ankommt.
Vielmehr verbessert sich die Qualität der eigenen Arbeit durch einen bewussten Umgang mit LLMs und einem iterativen Prozess der Anforderungsentwicklung. Eines der größten Hindernisse in der Softwareentwicklung ist das sogenannte „Anfangs- und Abschlussproblem“: Der Start eines Projekts, das Überwinden der ersten Hürde und das konsequente Fortschreiten bis zum Ziel. Hier zeigen LLMs ihre Stärke, indem sie den Widerstand gegen den Einstieg senken. Ideen, die vielleicht nur vage formuliert sind, lassen sich so schnell in konkrete Umsetzungsideen verwandeln. Dies ermöglicht es, Projekte zu beginnen, die man sonst vielleicht gar nicht angepackt hätte.
Gerade nach einem anstrengenden Arbeitstag kann diese Art von Unterstützung die Motivation erhöhen und Spaß zurück in die eigene Entwicklung bringen. Doch dieses verlockende Potenzial birgt auch eine Falle, die viele als die „Vibe Coding“ Falle kennen: Schnell viele Projekte starten, ohne dabei tiefere Fähigkeiten zu entwickeln. Die Verlockung, immer wieder neue Tools und Methoden parallel zu nutzen, ohne sich fundiert mit einem Bereich auseinanderzusetzen, führt nicht zwangsläufig zu besserem Wissen oder soliderem Können. Vielmehr besteht die Gefahr, dass die eigene technische Tiefe leidet, während die Vielfalt steigt. Der wesentliche Vorteil von LLMs als Entwicklungswerkzeug liegt daher in der bewussten Steuerung.
Bei der Anwendung von KI müssen Nutzer lernen, nicht einfach nur Fehler zu korrigieren, sondern ihre Anforderungen immer besser zu formulieren. Das iterative Vorgehen - Ausprobieren, stoppen, überarbeiten und erneut starten – zwingt dazu, das Problem klarer zu erfassen und den Lösungsansatz zu präzisieren. Wer diesen Prozess verinnerlicht, verbessert nicht nur seine spezifischen Coding Skills, sondern auch das Verständnis von komplexen Systemen und Anforderungen allgemein. Dieser Gedanke lässt sich leicht auf technische Dokumentationen und Kommunikationsprozesse ausweiten. LLMs sind oft nicht perfekt, gerade wenn es um logisch strukturierte Argumentation und Kontext geht.
Trotzdem eröffnen sie die Möglichkeit, erste Entwürfe zu erstellen, die dann verfeinert werden können. Dabei stellt sich heraus, dass das Stoppen und Neustarten des KI-Outputs anhand eigener Qualitätskriterien ein wertvolles Feedback-Werkzeug ist. Die Kombination aus menschlichem Urteilsvermögen und KI-Output trägt dazu bei, dass Inhalte klarer, prägnanter und überzeugender werden. Eine weitere wertvolle Erkenntnis besteht darin, dass erfolgreiche Interaktionen mit LLMs maßgeblich davon abhängen, den „Artefakt“-Charakter des Outputs zu verstehen. Das bedeutet, die Aufgabe des Nutzers besteht darin, die Erwartungen an den Output explizit zu machen und im Idealfall schon im ersten Prompt klar und detailliert zu kommunizieren, was benötigt wird.
Die meisten Nutzer neigen dazu, viele kleine Korrekturen hintereinander vorzunehmen, ohne die ursprüngliche Anforderung ausreichend zu hinterfragen oder anzupassen. Dieses Verhalten führt häufig zu einer Überlastung des Kontexts und einer Verschlechterung der Qualität. Wer dagegen strukturiert und mit bedacht an den Prompt herangeht, trifft schneller auf das gewünschte Ergebnis und kann die KI gezielt für Feinschliffe nutzen. Dass LLMs mich als Ingenieur auch im Bereich strategischer Reflexion besser machen, zeigt sich darin, wie ich mittlerweile bewusster mit neuen Technologien umgehe. Die Fähigkeit, Hypes kritisch zu hinterfragen und die tatsächlichen Nutzen von Buzzwords und Innovativen Technologien in Relation zu bewährten Methoden zu setzen, hat sich durch die Arbeit mit LLMs gestärkt.
Neben technischen Details rückt das Verständnis von langfristigen Einflussfaktoren, Anreizmechanismen und grundsätzlichen Prinzipien immer mehr in den Vordergrund. Dies hilft dabei, technische und organisatorische Entscheidungen fundierter zu treffen und effektiv zu kommunizieren. Nicht zuletzt zeigt die Erfahrung, dass der Umgang mit LLMs eine Form der kontinuierlichen Weiterbildung ist. Der stetige Dialog mit der KI stellt immer wieder neue Herausforderungen, erfordert Anpassungsfähigkeit und fördert das Problemlösungsdenken. Dieser Lernprozess ist dynamisch und passt sich den eigenen Fähigkeiten an, was ihn besonders nachhaltig macht.