In den vergangenen Jahren haben Initial Coin Offerings (ICOs) als innovative Finanzierungsquelle im Kryptowährungsbereich enorm an Bedeutung gewonnen. Viele Startups nutzten diesen unregulierten Weg, um mithilfe von Kryptotoken schnell und unkompliziert Millionen zu beschaffen. Doch nicht selten stehen diese Projekte unter heftiger Kritik, da sie mit großen Versprechen locken, hinter denen teilweiße kein funktionsfähiges Produkt steckt und auch die Unternehmensstrukturen fragwürdig sind. Ein besonders prominentes Beispiel liefert das Unternehmen Centra Tech, das mit prominenter Unterstützung Millionen Dollar einsammelte, aber nun von Investoren verklagt wird, weil weder ein marktreifes Produkt noch ein legitimer CEO existieren sollen. Diese Geschichte wirft ein Schlaglicht auf die Risiken von ICO-Investitionen und die Notwendigkeit einer stärkeren Regulierung in der Branche.
Centra Tech gelang es im September 2017, durch einen sogenannten ICO knapp 32 Millionen US-Dollar zu sammeln. Das Startup versuchte, sich als innovativer Anbieter zu positionieren, der eine Kryptowährungs-Debitkarte entwickeln wollte. Diese Karte sollte Kunden ermöglichen, verschiedene Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum einfach zu verwalten und im Alltag zu verwenden. Bei einem Thema, das für viele Anleger attraktiv ist, sorgten zudem umfangreiche Marketingkampagnen für Aufsehen, in denen prominente Persönlichkeiten wie der Boxer Floyd Mayweather Jr. und der Rapper DJ Khaled für Centra warben.
Diese Werbemaßnahmen trugen erheblich dazu bei, das Vertrauen vieler Investoren zu gewinnen und das ICO erfolgreich zu machen. Doch schon bald nach der Finanzierung häuften sich Zweifel an der Seriosität des Projekts. Die US-amerikanische Securities and Exchange Commission (SEC) hatte zuvor mehrfach vor den Gefahren eines Investments in ICOs gewarnt und dabei auf die fehlende Regulierung und die Anfälligkeit für Betrug und Missmanagement hingewiesen. Diese Warnungen schienen sich bei Centra zu bestätigen. Mehrere Investoren klagten daraufhin gegen das Unternehmen sowie vier seiner leitenden Angestellten – Sam Sharma, Raymond Trapani, Robert Farkas und William Hagner – wegen illegaler Wertpapiergeschäfte und irreführender Informationen.
Der Klageschrift zufolge soll Centra falsche Angaben dazu gemacht haben, dass bereits eine funktionsfähige Kryptowährungs-Debitkarte existiert und dass das Team auf der Webseite authentisch sei. Im Gegenteil wurden nachweislich einige Teammitglieder erfunden, etwa der CEO Michael Edwards, dessen Bild in verschiedenen Versionen im Internet auftaucht und zu dem es keine glaubwürdigen Nachweise gibt. Auch die versprochene Zusammenarbeit mit Visa, auf die das Unternehmen wiederholt hingewiesen hatte, wurde von Visa offiziell dementiert. Die Anschuldigungen wiegen schwer, denn sie sprechen eine Sprache von Täuschung und Betrug. So konnte beispielsweise durch einen Reddit-Beitrag nachgewiesen werden, dass ein angebliches physisches Centra-Kreditkarten-Exemplar mit einem Ausstellungsdatum von 2005 versehen wurde – obwohl das Unternehmen erst 2016 gegründet worden war.
Solche Ungereimtheiten verstärken den Eindruck, dass das Unternehmen nicht die Absicht hatte, tatsächlich ein verlässliches Produkt auf den Markt zu bringen. Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt betrifft die Unternehmensführung. Nach dem ICO gerieten die Gründer und Führungskräfte in den Fokus der Justiz aufgrund von Vorfällen, die sowohl berufliche als auch persönliche Vertrauensfragen aufwarfen. Sam Sharma, der Gründer, geriet in einen Prozess wegen Meineids im Zusammenhang mit einem Vorfall im Straßenverkehr. Zusammen mit seinem Chief Operating Officer Raymond Trapani trat er unter erheblichem Presse-Druck zurück und übergab die Leitung an William Hagner, der zuvor bei einem Luxusautoverleih tätig war und als weniger erfahren im Krypto-Bereich gilt.
Die Tatsache, dass wichtige Führungspersonen gar nicht mehr im Unternehmen aktiv sind und kein klarer CEO offiziell bestätigt wird, sorgt für weitere Unsicherheiten. Die Website von Centra listet aktuell zwar mehrere Mitarbeiter auf, doch eine klare Führungsstruktur fehlt. Solche internen Probleme schon kurz nach dem ICO sind ein deutliches Warnsignal für potenzielle Investoren. Die Rolle der prominenten Sprecher Mayweather und Khaled wird ebenfalls kritisch betrachtet, da sie zwar für das ICO geworben haben, aber die Gegenleistung nicht transparent gemacht wurde. Weder in ihren Social-Media-Beiträgen noch öffentlich wurde offengelegt, dass sie für die Promotion bezahlt wurden.
Dies ist aus rechtlicher Sicht nicht nur problematisch, sondern trägt auch zur Irreführung der Anleger bei. Die Centra-Geschichte zeigt exemplarisch die Probleme der ICO-Branche auf. Einerseits sind Innovation und neue Finanzierungsmodelle wichtig, um technologische Entwicklungen voranzutreiben. Andererseits sind Investoren durch den Mangel an Regulierung oft ungeschützt vor unseriösen Angeboten und Betrügern. Die SEC hat bereits mehrfach betont, dass Anleger bei ICOs besonders vorsichtig sein und sich genau informieren sollten, da das Risiko eines Totalverlustes hoch sei.
Seit dem Centra-Fall sind Kryptowährungs-Startups verstärkt unter Beobachtung von Regulierungsbehörden weltweit. Viele Länder überlegen oder haben bereits Gesetze erlassen, die ICOs regulieren und die Transparenz sowie Rechenschaftspflicht erhöhen sollen. Dies soll dazu beitragen, dass Anleger besser geschützt werden und es leichter wird, betrügerische Organisationen zu identifizieren und zur Rechenschaft zu ziehen. Für zukünftige Investoren ist es daher entscheidend, bei ICOs nicht nur auf prominente Unterstützung oder vielversprechende Marketingkampagnen zu vertrauen. Eine umfassende Prüfung des Unternehmenshintergrunds, des technischen Produkts, der Teammitglieder und der regulatorischen Situation ist unerlässlich.
Seriöse ICOs zeichnen sich durch klare und überprüfbare Angaben aus, haben ein funktionsfähiges Produkt oder zumindest einen glaubwürdigen Prototyp, eine transparente Unternehmensführung und halten gesetze und Vorschriften ein. Darüber hinaus ist es ratsam, sich nicht ausschließlich auf soziale Medien und unbestätigte Quellen zu verlassen. Investoren sollten zusätzlich auf seriöse Fachportale, Berichte von Finanzbehörden und unabhängige Analysten zurückgreifen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Selbst dann bleibt immer ein Risiko bestehen, denn der Kryptowährungsmarkt ist volatil und hochspekulativ. Die Centra-Klage ist ein Weckruf für die komplette Branche und ein wichtiger Schritt hin zu mehr Transparenz und Verantwortlichkeit bei ICOs.
Für die Zukunft ist es zu hoffen, dass solche Vorfälle seltener werden, weil sowohl die Unternehmen als auch die Investoren professioneller mit den finanziellen Risiken umgehen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen klarer und wirksamer werden. Die Entwicklungen rund um Centra werden die Diskussion um die Regulierung und Sicherheit von Kryptowährungsinvestitionen weiter anheizen. Anleger sollten deshalb wachsam bleiben, nur Gelder einsetzen, deren Verlust sie verkraften können, und den Markt stets kritisch hinterfragen. Nur so kann das enorme Potenzial digitaler Währungen und Blockchain-Technologien verantwortungsvoll und nachhaltig ausgeschöpft werden.