Der Aktienkurs von Vivid Seats, einem führenden Online-Marktplatz für den Kauf und Verkauf von Eintrittskarten zu Live-Events, erlebte kürzlich einen dramatischen Einbruch von 39 %. Damit sendet das Unternehmen ein klares Signal, das über die eigene Geschäftsentwicklung hinausgeht und die gesamte Live-Event-Branche betrifft. Vivid Seats veröffentlicht seine Quartalszahlen mit rückläufigen Umsätzen und sinkendem Auftragsvolumen, was die alarmierende Stimmung in einer Branche widerspiegelt, die lange Zeit als resilient galt und von der starken Nachfrage nach Konzerten, Sportevents und kulturellen Veranstaltungen profitierte. Die Ursachen für die negative Entwicklung sind vielschichtig, dennoch zeichnet sich ein deutlicher Zusammenhang mit der aktuellen wirtschaftlichen Lage und den veränderten Konsumpräferenzen ab. Die jüngsten Zahlen zeigen, dass der Umsatz von Vivid Seats im ersten Quartal dieses Jahres auf 164 Millionen US-Dollar gefallen ist – ein Rückgang von 14 % im Vergleich zum Vorjahr.
Noch deutlicher ist der Rückgang bei den Gesamtbestellungen und dem Gesamtwert der getätigten Verkäufe, die jeweils um 20 % sanken. Die durchschnittliche Bestellgröße blieb zwar stabil, doch diese Konstanz kann darüber nicht hinwegtäuschen, dass die Menge der verkauften Tickets spürbar zurückging. Diese Entwicklung ist besorgniserregend, nicht nur für Anleger, sondern auch für Veranstalter, Künstler und die gesamte Live-Event-Ökonomie in den USA. Das Unternehmen hat seine Prognosen für den Rest des Jahres 2025 ausgesetzt, was auf anhaltende Herausforderungen hindeutet. Die Gründe für den Nachfragerückgang sind komplex.
Wirtschaftliche Unsicherheit, höheren Inflationserwartungen und der drohenden Gefahr einer Rezession stehen im Raum. Verbraucher reagieren sensibel auf steigende Lebenshaltungskosten und verschieben oder verzichten teils auf Ausgaben für Freizeit und Unterhaltung. Die höheren Preise durch staatliche Zollmaßnahmen und geopolitische Spannungen tragen zusätzlich zu dieser Zurückhaltung bei. Vivid Seats selbst verweist neben der allgemeinen Wirtschaftslage auch auf unerwartete Veränderungen im Bereich Performance-Marketing als Ursache für die schwächeren Zahlen. Performance-Marketing, das stark datengetriebene Werbemaßnahmen umfasst, ist eine wichtige Säule für das Wachstum und die Kundenakquise bei Online-Marktplätzen.
Veränderungen in diesem Bereich können bedeuten, dass Werbung weniger effizient oder teurer geworden ist, was die Neukundengewinnung und den Umsatz bremst. Branchenbeobachter sehen in Vivid Seats eine Art Frühindikator für den Zustand der amerikanischen Sport- und Musikindustrie. Während der CEO das wirtschaftliche und politische Umfeld als entscheidenden Faktor bezeichnet, verweist der CFO darauf, dass die Unsicherheit auch Künstler und Rechteinhaber beeinflusst, die ihre Tournee- und Veranstaltungstermine vorsichtiger planen oder verschieben. Dies trägt zu Schwankungen im Angebot an Tickets bei, die für Endkunden wahrnehmbar sind und die Marktdynamik beeinträchtigen. Interessant ist dabei der Unterschied zwischen den Segmenten Konzerte und Sportveranstaltungen.
Im Gesamtumsatz von 2024 entfielen 43 % auf Konzerte und 31 % auf Sportevents. Während die Konzert-Dynamik aufgrund unregelmäßiger Tourpläne und kurzfristiger Änderungen volatil ist, zeigt sie sich im bisherigen Jahresverlauf relativ stabil bis leicht wachsend. Im Gegensatz dazu verzeichnet das Sportsegment einen Rückgang, der sich aller Voraussicht nach durch das gesamte Jahr 2025 ziehen wird. Grund dafür sind unter anderem schwierige Vergleichswerte aus dem Vorjahr sowie ein allgemeiner Rückgang der Nachfrage nach Sporttickets. Die deutsche Live-Event-Branche, obwohl geografisch getrennt, kann aus dieser Entwicklung wichtige Lehren ziehen.
Die Herausforderungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, der veränderten Kaufkraft und der steigenden Unsicherheiten im privaten sowie politischen Umfeld sind auch hierzulande spürbar. Unternehmen, die im Bereich Live-Entertainment tätig sind, müssen sich darauf einstellen, dass Kunden zunehmend mehr auf den Preis und das Erlebnis achten. Digitale Vertriebskanäle wie Vivid Seats stehen dabei vor der Aufgabe, ihr Angebot und Marketing strategisch anzupassen und gleichzeitig die Attraktivität von Live-Events durch Innovation, bessere User Experience und flexible Preismodelle zu erhöhen. Die Geschichte von Vivid Seats seit dem Börsengang im Jahr 2021 unterstreicht zudem die Schwierigkeiten, die solche Unternehmen auf ihrer Wachstumsreise erleben können. Nach dem Börsengang zu einem Kurs von 10 US-Dollar je Aktie stieg der Kurs zunächst auf über 14 US-Dollar, bevor er kontinuierlich fiel und inzwischen mehr als 85 % unter dem Hoch steht.
Dieser anhaltende Abwärtstrend reflektiert nicht nur die gesunkene Stimmung gegenüber dem Unternehmen selbst, sondern auch die Skepsis gegenüber der gesamten Branche. Anleger zeigen sich vor allem durch die Aussetzung der Geschäftsprognosen vorsichtig und erwarten strategische Maßnahmen, die Wachstum und Stabilität fördern können. Die Entwicklung von Vivid Seats wirft ebenfalls Fragen zur Nachhaltigkeit des bisherigen Geschäftsmodells auf. Plattformen für den Handel von Event-Tickets stehen vor der Herausforderung, sich in einem stark umkämpften Markt zu behaupten und gleichzeitig Verbraucher zu binden, deren Erwartungen sich verändern. Immer höhere Preise, Unsicherheit bezüglich Verfügbarkeiten und mögliche Alternativen wie Streaming-Angebote oder virtuelle Events beeinflussen das Konsumverhalten.
Die Zukunft der Live-Event-Branche könnte daher in einer stärkeren Integration digitaler Erlebnisse und ergänzender Services liegen. Insgesamt zeichnet der starke Kursrückgang von Vivid Seats ein Bild einer Branche im Umbruch. Wirtschaftliche Turbulenzen, veränderte Konsumgewohnheiten und technologische Herausforderungen verlangen nach einer Neuausrichtung sowohl der Geschäftsmodelle als auch der Marketing- und Vertriebsstrategien. Unternehmen, die es schaffen, flexibel auf diese Trends zu reagieren, haben die besten Chancen, gestärkt aus der Situation hervorzugehen. Für die Konsumenten bleiben Live-Events jedoch weiterhin wichtig, da sie einzigartige Erlebnisse und emotionale Verbindungen bieten, die digitale Alternativen nicht vollständig ersetzen können.
Die Frage ist, wie diese Brücke zwischen Tradition und Innovation effektiv geschlagen werden kann, um die Attraktivität von Konzerten und Sportveranstaltungen nachhaltig zu sichern. Vivid Seats steht hier exemplarisch für die Herausforderungen und Chancen, die auf die gesamte Branche zukommen.