Der China-Pakistan-Wirtschaftskorridor, bekannt unter der Abkürzung CPEC, gilt als eines der ambitioniertesten Infrastruktur- und Entwicklungsprojekte innerhalb der chinesischen Belt and Road Initiative (BRI). Seit seiner Initiierung im Jahr 2013 mit einem geplanten Investitionsvolumen von 62 Milliarden US-Dollar sollte der Korridor den wirtschaftlichen Austausch zwischen China und Pakistan massiv stärken und Pakistan zu einem Knotenpunkt regionaler Handelswege ausbauen. Doch inzwischen sieht sich das zwischenstaatliche Vorhaben mit vielfältigen und tiefgreifenden Schwierigkeiten konfrontiert, die nicht nur die Projektumsetzung verzögern, sondern auch schwerwiegende Folgen für beide Länder und die strategische Partnerschaft haben könnten. Die wirtschaftliche Situation Pakistans belastet den Fortschritt von CPEC entscheidend. Das Land befindet sich seit mehreren Jahren in einer ernsten Finanzkrise, die durch hohe Staatsverschuldung, Haushaltsdefizite und unzureichende Währungsreserven geprägt ist.
Besonders die externe Verschuldung stellt eine große Herausforderung dar. Laut Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) beläuft sich die ausländische Gesamtverschuldung Pakistans auf etwa 126 Milliarden US-Dollar, wovon China mit rund 30 Milliarden US-Dollar den größten Anteil hält. Die finanzielle Belastung schränkt nicht nur die Fähigkeit der pakistanischen Regierung ein, Investitionen bereitzustellen oder Kredite zuverlässig zurückzuzahlen, sondern führt auch zu einer Abkühlung der chinesischen Investitionsbereitschaft. Ein weiterer kritischer Faktor ist die Skepsis Pekings gegenüber den Auflagen und Bedingungen des Internationalen Währungsfonds. Der IWF hatte ein Hilfsprogramm im Wert von sechs Milliarden US-Dollar für Pakistan ausgesetzt, das an strenge Reformvorgaben gebunden ist, welche die wirtschaftliche Situation angeblich verschlechtern und zusätzliche Kontrolle auf chinesische Kredite mit sich bringen könnten.
Die Unzufriedenheit Chinas mit diesen Bedingungen und die damit verbundene Unsicherheit über die Rückzahlung der finanziellen Mittel wirken sich negativ auf die Bereitschaft chinesischer Investoren aus, neue Projekte direkt zu finanzieren oder bestehende auszubauen. Neben den finanziellen Aspekten stellen auch politische und sicherheitsrelevante Probleme signifikante Hindernisse dar. Die bürokratischen Verzögerungen, innerstaatliche Korruption und politische Auseinandersetzungen in Pakistan erschweren die zügige Durchführung vieler CPEC-Projekte. Darüber hinaus wirken sich wiederkehrende Sicherheitsbedrohungen in den Provinzen Belutschistan und Sindh negativ auf das Investitionsklima aus. Insbesondere Belutschistan, wo sich der strategisch wichtige Hafen von Gwadar befindet, ist seit Jahren von ethnischen Spannungen und gewaltsamen Protesten geprägt.
Die lokale Bevölkerung ist vielfach unzufrieden mit dem wachsenden Einfluss chinesischer Unternehmen und Arbeiterschaft vor Ort und sieht die Projekte oft als Bedrohung für ihre wirtschaftliche und kulturelle Selbstbestimmung. Der Hafen von Gwadar, der als das «Kronjuwel» des CPEC gilt, ist trotz intensiver Investitionen und langer Planungs- und Bauphasen bis heute nicht vollständig operativ. Ursprünglich sollte Gwadar als Transithafen und logistische Drehscheibe dienen, die den Warentransport von China bis in den Indischen Ozean stark verkürzt und erleichtert. Die fehlende Inbetriebnahme und die damit verbundenen Verzögerungen haben nicht nur die wirtschaftliche Rentabilität des Korridors gedrückt, sondern auch das Vertrauen der chinesischen Investoren und Firmen erschüttert. Unzufriedenheit und Frustration auf beiden Seiten führen zu Spannungen in der sonst als eng geltenden bilateralen Partnerschaft.
Auch die chinesischen Unternehmen, die im Rahmen von CPEC aktiv sind, agieren zunehmend vorsichtiger. Trotz der engen politischen Verflechtung sind diese Unternehmen gewinnorientierte Akteure und erwarten – ähnlich wie Unternehmen weltweit – eine effiziente Nutzung ihrer Finanzmittel und eine solide Rendite. Die kontinuierlichen Verzögerungen und die fehlende Transparenz in finanziellen Belangen gelten als bedeutende Risikofaktoren. Im vergangenen Jahr drohten mehr als 30 chinesische Firmen, die in den Bereichen Energie, Kommunikation und Eisenbahn investierten, ihre Aktivitäten einzustellen, sofern kurzfristig ausstehende Zahlungen in Höhe von rund 300 Milliarden pakistanischen Rupien nicht geleistet würden. Ein weiteres Problem ist der Ausschluss pakistanischer Arbeitskräfte von Schlüsselpositionen bei Planung und Bau der Infrastrukturprojekte.
Das trägt zu einer wachsenden Unzufriedenheit und dem Gefühl einer einseitigen, „imperialistischen“ Vorgehensweise bei. China schicken vornehmlich eigene Arbeiter und Experten nach Pakistan, statt lokal Talente zu fördern und wirtschaftliche Spillover-Effekte zu ermöglichen. Dies hat auch Auswirkungen auf die gesellschaftliche Akzeptanz des Projekts in Pakistan und verknappt die Chancen einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung vor Ort. Die Intransparenz der finanziellen Bedingungen stellt zudem einen großen Knackpunkt dar. Die chinesische Seite hat bislang keine offenen Daten über die genauen Kreditkonditionen bei CPEC veröffentlicht.
Dies führt nicht nur zu Unsicherheit bei globalen Finanzinstitutionen und Beobachtern, sondern schürt auch Kritik innerhalb Pakistans. Internationale Akteure wie der IWF oder die USA haben mehrfach versucht, Druck für mehr Offenlegung auszuüben, was von China jedoch stets abgelehnt wurde. Die Furcht besteht, dass eine volle Transparenz einen starken Widerstand gegen CPEC-Projekte hervorrufen und das gesamte Vorhaben gefährden könnte. Darüber hinaus wirkt sich die Zollbefreiung für chinesische Importe negativ auf die lokale pakistanische Wirtschaft aus. Viele einheimische Hersteller beklagen Wettbewerbsnachteile, die sie teilweise in den Ruin treiben, da billigere chinesische Waren den heimischen Markt überschwemmen.
Einige Experten sehen darin eine mögliche Strategie, die Kontrolle über pakistanische Wirtschaftsbereiche zu erhöhen und das Land in eine Abhängigkeit zu zwingen – womöglich im Sinne eines sogenannten «Schulden-Dilemmas». Trotz all dieser Widrigkeiten versucht die pakistanische Regierung, insbesondere unter Ministerpräsident Shehbaz Sharif, ein positives Bild des Wirtschaftsprojekts zu vermitteln. Im Frühjahr 2022 lobte Sharif die Rolle Chinas für das Wachstum Pakistans und dankte Präsident Xi Jinping für die Initiierung von CPEC. Obwohl offizielle Besuche und Gespräche in Peking auf eine Reaktivierung der Projekte abzielen, konnten bislang keine konkreten Fortschritte oder Lösungen für die überwiegenden Probleme erzielt werden. Konstruktive Maßnahmen zur Überwindung von administrativen Hemmnissen oder zur Verbesserung der Sicherheitslage in den Schlüsselregionen bleiben bislang aus.
Die geopolitische Bedeutung von CPEC ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Für China ist der Korridor ein zentrales Element zur Stärkung seines Einflusses im indopazifischen Raum sowie zur Sicherung direkter Transportwege nach Südostasien und Afrika. Scheitert das Projekt, könnte dies das gesamte Belt and Road Netzwerk infrage stellen und negative Signale an andere Partnerländer aussenden. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen und diplomatischen Folgen hätten weitreichende Auswirkungen für Chinas globale Strategie. Aus Sicht Pakistans bietet CPEC trotz aller Schwierigkeiten auch Chancen.
Die Modernisierung der Infrastruktur, der Ausbau von Energieprojekten sowie der Ausbau von Häfen und Verkehrsverbindungen könnten wichtige Impulse zur Stärkung der Wirtschaftskraft geben. Doch hierfür müssten dringend die bestehenden Herausforderungen überwunden und vor allem das Vertrauen zwischen beiden Partnern wieder gestärkt werden. Ein kritischer und transparenter Dialog sowie konkretes Engagement zur Bekämpfung von Korruption, zur Erhöhung der lokalen Beteiligung und zur Förderung der sozialen Akzeptanz erscheinen unverzichtbar. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der China-Pakistan-Wirtschaftskorridor aktuell vor einer historischen Bewährungsprobe steht. Finanzielle Engpässe, politische Instabilität, soziale Spannungen und mangelnde Transparenz sind zentrale Ursachen für die gravierenden Verzögerungen und den schwindenden Optimismus.
Ohne entschlossene Reformen und eine konstruktive Zusammenarbeit riskieren beide Länder eine Verschlechterung ihrer strategischen Beziehung sowie erhebliche wirtschaftliche Nachteile. Die Zukunft von CPEC muss daher als dynamischer Prozess verstanden werden, der nur durch erhöhte Kooperation, Verantwortung und Offenheit erfolgreich zu gestalten ist.