Im Jahr 2025 stehen zwei der größten Einzelhandelsgiganten der Welt, Walmart und Amazon, vor einem bisher ungeahnten Umbruch im Finanzsektor. Beide Konzerne erwägen die Entwicklung einer eigenen digitalen Währung, eines sogenannten Stablecoins, der über die gewöhnlichen Kryptowährungen hinausgeht, indem er an den US-Dollar gekoppelt wird. Diese ambitionierte Initiative könnte das traditionelle Bankensystem auf den Kopf stellen und den Zahlungsverkehr, wie wir ihn heute kennen, grundlegend verändern. Stablecoins, also Kryptowährungen mit stabilem Wert, bieten eine Brücke zwischen der digitalen Welt und traditionellen Währungen. Sie sind speziell darauf ausgelegt, die Volatilität vieler Kryptowährungen zu vermeiden, indem ihr Wert durch Reserven in der jeweiligen Fiat-Währung gedeckt wird.
Diese für den Nutzer wichtige Eigenschaft macht Stablecoins für kommerzielle Anwendungen besonders attraktiv. Walmart und Amazon könnten mithilfe dieser Technologie finanzielle Intermediäre wie Visa, Mastercard und große Banken umgehen und so Milliarden an Gebühren einsparen. Die derzeitige Abhängigkeit vom traditionellen Zahlungsverkehr beruht auf einem komplexen System von Banken und Kreditkartengesellschaften, die bei jeder Transaktion sogenannte Interchange- beziehungsweise „Swipe-Fees“ in Milliardenhöhe generieren. Laut dem Merchants Payments Coalition beliefen sich diese Gebühren für Visa und Mastercard im Jahr 2024 auf über 111 Milliarden US-Dollar, was gegenüber dem Vorjahr einen signifikanten Anstieg darstellt. Für große Handelsunternehmen bedeuten diese Kosten jährlich immense Ausgaben, die sie durch eigene Stablecoin-Initiativen drastisch senken könnten.
Experten warnen jedoch, dass ein massives Abweichen der Einzelhändler vom traditionellen System eine existenzielle Krise für Banken und Zahlungsdienstleister bedeuten könnte. Neil Saunders, Direktor für Einzelhandel bei GlobalData, betont, dass ein solcher Schritt für Banken ein enormer Schlag wäre, der die derzeitigen Einnahmemodelle gefährden würde. Besonders Institutionen wie JPMorgan Chase oder die Bank of America könnten gravierende Umstellungen erleben. Neben den wirtschaftlichen Auswirkungen ruft die Einführung von Stablecoins auch regulatorische Herausforderungen hervor. Der Erfolg solcher Initiativen hängt maßgeblich von der Einführung klarer gesetzlicher Rahmenbedingungen ab, die Funktion und Sicherheit dieser digitalen Währungen gewährleisten.
Derzeit liegt ein regulatorischer Entwurf, bekannt als Genius Act, der eine solche Rechtsgrundlage schaffen soll, zur Prüfung in den US-amerikanischen Gesetzgebungen vor. Die Verabschiedung dieses Gesetzes könnte den Weg für den breiten Einsatz von Stablecoins ebnen und auch öffentliche Akzeptanz fördern. Die Lobbyarbeit großer Einzelhändler für den Genius Act ist intensiv. Walmart und andere Unternehmen drängen darauf, den Zahlungsverkehr zu öffnen und so ein Monopol der großen Kreditkartenanbieter zu brechen. Dies könnte nicht nur zu mehr Wettbewerb, sondern auch zu einer innovativeren und effizienteren Zahlungsabwicklung führen.
Der Vorteil von Stablecoins für Händler liegt nicht nur in der Senkung der Gebühren, sondern auch in der Beschleunigung von Zahlungsvorgängen. Derzeit können Kreditkartentransaktionen bis zu mehreren Tagen zur Abwicklung benötigen. Digitale Währungen basierend auf Blockchain-Technologie ermöglichen hingegen nahezu sofortige Transfers, was die Liquidität für Händler deutlich verbessert. Dennoch ist ein entscheidendes Hindernis die Verbraucherakzeptanz. Viele Kunden sind skeptisch gegenüber neuen Zahlungsmethoden, besonders wenn diese mit Kryptowährungen in Verbindung gebracht werden.
Die Sorge um Sicherheit, Datenschutz und die Stabilität digitaler Währungen ist groß. Visa und Mastercard verfügen durch ihr jahrzehntelanges Bestehen über hohes Vertrauen und bieten umfangreiche Schutzmechanismen bei Betrugsfällen, was für Verbraucher ein wichtiges Argument bleibt. Die neue Technologie bringt zudem Risiken für das gesamte Finanzsystem mit sich. Stablecoins sind nicht durch Einlagensicherung wie traditionelle Bankeinlagen gedeckt, was sie anfällig für sogenannte Bank Runs macht, also plötzliche Massenabhebungen, die Panik auslösen können. Finanzanalysten warnen, dass der Einsatz von Stablecoins außerhalb regulierter Banken die Stabilität des Marktes beeinträchtigen könnte, falls diese digitalen Währungen missbraucht oder fehlerhaft verwaltet werden.
Technisch betrachtet befinden sich die Planungen für die Stablecoins von Walmart und Amazon in unterschiedlichen Stadien. Während Amazon mit ersten Tests und internen Überlegungen zur Implementierung einer eigenen Online-Währung begonnen hat, bewegt sich Walmart auf politischer Ebene voran, um seine Interessen durch eigene Gesetzesvorschläge zu verankern. Beide Unternehmen sehen in Stablecoins eine Möglichkeit, dem Kunden neben Bequemlichkeit auch Vorteile wie günstigere Preise oder exklusiven Zugang zu Rabatten bieten zu können. Für die Kreditkartenunternehmen stellt diese Entwicklung eine echte Herausforderung dar. Visa und Mastercard könnten versuchen, sich an das neue Geschäft anzupassen, indem sie eigene Stablecoins lancieren oder Partnerschaften mit den Handelsgiganten eingehen.
Es ist auch denkbar, dass sie regulatorisch Einfluss nehmen, um diese Neuerungen zu verzögern oder zu verhindern. Darüber hinaus gehen Fachleute davon aus, dass vor allem der Online-Handel von der Stablecoin-Einführung profitieren wird. Im E-Commerce gibt es schon heute viele alternative Bezahlmethoden wie PayPal, Apple Pay oder Buy-Now-Pay-Later-Lösungen, die um Marktanteile konkurrieren. Stablecoins könnten sich hier schnell etablieren, da digitale Zahlungen ohnehin Standard sind und Kunden mit digitalen Wallets vertraut sind. Im stationären Handel könnte die Akzeptanz langsamer verlaufen.
Die breite Nutzung von Kredit- und Debitkarten ist tief verankert, und deren Bequemlichkeit und Verlässlichkeit sind für viele Kunden entscheidend. Händler müssen also intensive Aufklärung und Anreize schaffen, damit Verbraucher ihre Zahlungsmethoden ändern. Ob und wann die stablecoin-basierte Zahlungsrevolution kommt, hängt maßgeblich von der politischen Entwicklung und den wirtschaftlichen Interessen der Marktteilnehmer ab. Sollte der Genius Act Gesetz werden, könnte dies den Weg für ein neues Kapitel im Finanzwesen eröffnen. Gleichzeitig müssen Verbraucher, Regulierungsbehörden und Finanzinstitute gemeinsam die Chancen und Risiken dieser neuen Technologie abwägen.