Die Welt steht heute vor enormen ökologischen Herausforderungen, insbesondere in dicht besiedelten und urbanisierten Gebieten, in denen grüne Flächen oft Mangelware sind. Mexiko ist hierfür ein prägnantes Beispiel, insbesondere der stark versiegelte und dicht besiedelte Ort Nezahualcóyotl, der direkt neben Mexiko-Stadt liegt. Hier trifft Beton auf einen ernsten Wärmeeinfluss – den sogenannten Wärmeinseleffekt. Doch nun bringt eine japanische Innovation, die Miyawaki-Methode, Hoffnung und frisches Grün in diese graue Landschaft. Die Miyawaki-Methode wurde vom japanischen Botaniker Akira Miyawaki entwickelt und basiert auf dem Konzept, kleine, dichte und biodiversitätsreiche Wälder binnen sehr kurzer Zeit anzulegen.
Das Ziel ist, natürliche Wälder nachzubilden, die sich selbst erhalten und ohne großen Pflegeaufwand wachsen können. Diese Methode konnte sich in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg etablieren, als das Land mit der Herausforderung kämpfte, urbane Umweltprobleme zu lösen und gleichzeitig wirtschaftlich rasch zu wachsen. 1973 führte die japanische Regierung ein Gesetz ein, das große Industrieunternehmen verpflichtete, 20 Prozent ihrer Flächen in Grünzonen umzuwandeln. Miyawaki wurde federführend beauftragt, diese Flächen mit nativen Pflanzen zu begrünen und entwickelte daraufhin eine Plantagetechnik, die Bäume und Sträucher in hoher Dichte anpflanzte und natürliche Konkurrenz förderte. Das beschleunigt das Wachstum und schafft schnell dichte und vielfältige Mini-Wälder.
Diese Flächen benötigen nach etwa drei Jahren kaum noch Pflege und wachsen sich innerhalb von rund 30 Jahren zu stabilen Ökosystemen aus. Die Methoden haben längst die Grenzen Japans überschritten und wurden weltweit aufgegriffen – von Italien über Indien bis nach Südamerika und dem Nahen Osten. Nun gelang die Miyawaki-Methode auch nach Mexiko, speziell nach Nezahualcóyotl, einem stark verdichteten Vorort von Mexiko-Stadt. Einst war die Region ein Teil des ehemaligen Lake Texcoco, heute ist sie von Asphalt und Beton geprägt, die den natürlichen Wasserkreislauf und das Mikroklima stark beeinträchtigen. Gleichzeitig ist die Region von einer schnellen und ungeplanten Urbanisierung betroffen, das Stadtgebiet gilt als eines der am dichtesten besiedelten des Landes.
Der Wärmeinseleffekt sorgt hier für deutlich höhere Temperaturen als in ländlichen Gebieten, Stress für die Bevölkerung und negative Auswirkungen auf die Gesundheit. In Nezahualcóyotl wurden auf einer ungenutzten 600-Quadratmeter-Fläche an der Technologischen Universität lokale Freiwillige und Expertinnen und Experten aktiv, um nach dem Miyawaki-Prinzip einen neuen Wald zu pflanzen. Der Prozess beginnt mit der Aufbereitung des Bodens. Durch den Einsatz von Baggern wird der Boden gelockert, komprimierte Schichten werden aufgebrochen und mit organischem Kompost sowie städtischem und landwirtschaftlichem Abfall angereichert. Diese Maßnahme ist entscheidend, um die Bodenqualität zu verbessern, denn die Region ist geprägt von salzhaltigen, verdichteten Böden, die für Pflanzen kaum lebensfreundlich sind.
Im Anschluss erfolgt die Anpflanzung von circa 1500 Pflanzen aus rund 25 heimischen Arten. Dabei sind nicht nur optische Kriterien oder Kulturwert relevant, sondern vor allem ökologische Funktionen. Verschiedene Pflanzenarten werden kombiniert, um das Ökosystem vielfältiger und widerstandsfähiger zu machen. Einige Arten sind dafür bekannt, Phosphor besonders gut aus dem Boden zu binden, andere können Stickstoff fixieren und damit den Boden anreichern. Wieder andere locken wichtige Bestäuber wie Bienen und Schmetterlinge an oder dienen als Ausgangspunkt für die spätere Ausbreitung von Samen durch Vögel.
So entsteht ein funktionierendes Geflecht aus Flora und Fauna, welches die urbane Umwelt nachhaltig stabilisiert und verbessert. Die Wirkung eines solchen Miniwaldes ist beeindruckend. Forscher beobachteten, dass die Temperaturen innerhalb solcher „Pocket Forests“ um zehn bis fünfzehn Grad Celsius niedriger sein können als in der unmittelbar angrenzenden, betonierten Umgebung. Gleichzeitig wird die Fähigkeit zur Regenwasserrückhaltung und Versickerung erhöht, was weitere positive Effekte auf das Mikroklima und die Bodenfruchtbarkeit hat. In einem städtischen Umfeld mit wenig Natur ist das eine bedeutende ökologische Leistung.
Zugleich fungieren diese Wälder als lebendige Samenquellen, die sich im Laufe der Zeit eigenständig ausbreiten können. Die Miyawaki-Methode ist ein Paradebeispiel für das Zusammenwirken von alten, traditionellen Umweltkonzepten mit moderner Wissenschaft. Ursprünglich basiert sie auf der japanischen Philosophie Satoyama, einem nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen, der das harmonische Miteinander zwischen Mensch und Natur in Dörfern und Bergregionen regelt. Die Wiederbelebung dieser Philosophie in Form von urbanen Wäldern ist mehr als nur eine ästhetische Maßnahme, sie stellt auch einen wichtigen Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel dar. Die Beteiligung der lokalen Bevölkerung ist ein zentraler Aspekt des Projekts.
Freiwillige sind nicht nur bei der Pflanzung aktiv, sondern lernen darüber hinaus den ökologischen Wert ihrer Umgebung kennen. Durch Umweltbildung und Bürgerengagement entsteht ein Bewusstsein für ökologische Prozesse und die Bedeutung nachhaltiger Stadtentwicklung. Die Umsetzung der Miyawaki-Methode in Nezahualcóyotl ist zudem ein Beispiel für internationale Kooperation und Wissensaustausch. Mit Beteiligung von Fachkräften aus Chile und Unterstützung durch globale Plattformen wie SUGI, können gute Praktiken adaptiert und weiterentwickelt werden. Trotz aller Erfolge bleibt klar, dass solche Wälder nicht allumfassende Lösungen für die Umweltprobleme urbaner Ballungsräume darstellen.
Die Miyawaki-Methode ist ein wichtiger Baustein in einem komplexen Geflecht aus Maßnahmen, die neben weiteren Initiativen, wie der Verbesserung der Infrastruktur, Emissionsreduktionen und Stadtplanung, notwendig sind. Dennoch zeigen die ersten Erfolge, dass selbst kleine grüne Oasen signifikante Veränderungen bewirken können. Der Blick in die Zukunft ist vielversprechend: Weitere Flächen könnten nach dem Miyawaki-Prinzip begrünt werden und damit für mehr Lebensqualität sorgen, Artenvielfalt fördern und das ökologische Gleichgewicht in Mexikos Ballungsräumen stärken. Im Zuge der globalen Klimakrise gewinnt der Erhalt und die Wiederherstellung von Biodiversität immer mehr an Bedeutung. Als effiziente und nachhaltige Aufforstungsmethode hat die Miyawaki-Technik großes Potenzial, urbane Lebensräume weltweit zu transformieren.
In Mexiko ist dieses Potenzial jetzt greifbar geworden – ein klares Zeichen, dass traditionelle Weisheiten und Innovationen gemeinsam Wege zu einer grüneren Zukunft ebnen können.