Die Entwicklung von Quantencomputern gilt als eine der spannendsten Herausforderungen der modernen Wissenschaft und Technik. Quantencomputer versprechen eine Revolution in Bereichen wie Kryptografie, Materialwissenschaften, Optimierung und Künstliche Intelligenz. Doch trotz beeindruckender Fortschritte steht die Technologie noch immer vor bedeutenden Hürden. Eine der zentralen Herausforderungen ist die Fehlerkorrektur, welche wegen der hohen Empfindlichkeit von Quantenbits, sogenannten Qubits, immens komplex ist. Hier zeichnet sich nun ein bedeutender Durchbruch ab, der die Entwicklung von Quantencomputern deutlich vereinfachen und ihre Bauweise revolutionieren könnte.
Der kanadische Start-up Nord Quantique hat einen neuartigen Qubit entwickelt, der das Ziel verfolgt, Fehlerkorrektur wesentlich effizienter zu gestalten und die benötigte Anzahl von Qubits drastisch zu reduzieren. Traditionelle Ansätze im Quantencomputing erfordern für eine fehlerkorrigierte, also stabile und zuverlässige Quantenberechnung, oftmals Hunderttausende von Qubits. Jedes Qubit ist anfällig für Störungen durch Umwelteinflüsse oder technische Unzulänglichkeiten, was zu Fehlern im Rechenprozess führt. Um diese Fehler zu beseitigen, müssen redundante Qubits verwendet werden, die Informationen mehrfach speichern und schützen – ein Prozess, der den Hardware-Aufwand enorm steigert. Nord Quantique setzt hier auf ein radikal andersartiges Konzept: die Entwicklung von Qubits mit intrinsischer Redundanz, die bereits intern gegen typische Fehler resistent sind.
Die grundlegende Innovation des Start-ups liegt in der sogenannten multimodalen Kodierung innerhalb eines einzelnen Qubits. Herkömmliche Qubits, etwa jene aus supraleitenden Schaltkreisen oder ultrakalten Atomen, speichern Information in einem einzelnen quantenmechanischen Modus. Die neue Technologie von Nord Quantique besteht aus einem supraleitenden Resonator, einer sogenannten Kavität, die mit Mikrowellenstrahlung gefüllt ist. Die dort eingeschlossenen Photonen reflektieren innerhalb der Kavität und können die Information in mehreren Eigenschaften – wie Frequenz, Phase und anderen quantenphysikalischen Zuständen – gleichzeitig speichern. Dies erhöht die Fehlertoleranz und Robustheit gegen Verlust oder Störungen erheblich.
Die multimodale Kodierung ermöglicht es, Informationen in einem mathematisch vierdimensionalen Raum zu speichern, was mit herkömmlichen Qubits nicht möglich ist. Dadurch kann ein einzelner Qubit viel mehr Informationen sichern und gegen typische Fehler geschützt werden, die bei Quantenprozessen auftreten. Experten wie Victor Albert von der University of Maryland sehen hierin einen vielversprechenden Ansatz, da er entweder sehr große, informationsreiche Einzelqubits oder – wie bisher – sehr viele kleine Qubits erfordert, um sichere Berechnungen durchzuführen. Nord Quantique setzt auf das Konzept großer, „besser“ codierter Qubits. Die potenziellen Vorteile dieses Systems sind gewaltig.
Laut den Vorstellungen des Unternehmens könnten zukünftige fehlerkorrigierende Quantencomputer um den Faktor 50 kleiner sein als gegenwärtige Modelle mit herkömmlichen supraleitenden Qubits. Das erscheint nicht nur aus Platzgründen vorteilhaft, denn die Energieeffizienz wird sich ebenfalls drastisch verbessern: Die Prognosen des Start-ups deuten darauf hin, dass der Stromverbrauch auf ein Zehntel der bisherigen Systeme sinken könnte. Dies wäre ein entscheidender Schritt, um Quantencomputer von schwer zugänglichen Laborgeräten zu praktischen und nutzenbringenden Technologien zu machen. Doch trotz dieser verheißungsvollen Fortschritte bleiben entscheidende Herausforderungen bestehen. Nord Quantique hat bislang lediglich die Funktionalität eines einzelnen Qubits mit multimodaler Kodierung experimentell bestätigt.
Der Sprung zur Integration vieler solcher Qubits in einem System, das praktisch nutzbare Berechnungen ausführt, ist noch in weiter Ferne. Die Manipulation gespeicherter Information innerhalb dieser neuen Qubits, das sogenannte „Gating“, ist ein essenzieller Schritt für jegliche Art von Rechenvorgang, welcher ebenfalls noch intensiv erforscht und entwickelt werden muss. Auch die Fehlerkorrektur in großskaligen Systemen setzt komplexe technische Lösungen voraus, die gegenwärtig noch nicht vorliegen. Wissenschaftler und Forschende weltweit beobachten den neuen Ansatz mit Interesse, aber auch mit angemessener Zurückhaltung. Barbara Terhal von der Technischen Universität Delft weist darauf hin, dass es zu früh sei, den neuen Qubit-Ansatz als überlegen oder gar bahnbrechend einzustufen.
Er sei zweifellos eine wertvolle Ergänzung in der Landschaft konkurrierender Fehlerkorrekturtechnologien, aber der Weg zu einem umfassend überzeugenden System ist noch lang. Michel Devoret von der Yale University bewertet die Entwicklung als inkrementellen Fortschritt: Das Unternehmen habe die Herausforderung angenommen und technische Hürden gemeistert, aber der Durchbruch, der die gesamte Quantencomputing-Branche revolutionieren würde, stehe noch aus. Nord Quantique verfolgt ambitionierte Ziele. Bis zum Jahr 2029 plant das Start-up, einen funktionsfähigen Prototyp mit über 100 ihrer fortschrittlichen Qubits zu bauen und zu testen. Dies würde einen wichtigen Meilenstein markieren und eventuell den Weg für weitere industrielle Investitionen und Forschungsförderungen ebnen.
Um dieses Ziel zu erreichen, konzentriert sich das Team auf die Optimierung der Kavitätsqubits, die Verbesserung der Fehlerresistenz und die Erweiterung der Steuerungsmöglichkeiten für komplexe quantenmechanische Operationen. Quantencomputer-Technologie ist ein multidisziplinäres Feld, das Physik, Informatik, Ingenieurwesen und Mathematik vereint. Der Durchbruch bei der Entwicklung von Qubits mit intrinsischer Redundanz und multimodaler Kodierung kann als ein wichtiger Beitrag im Wettlauf um leistungsfähige und robuste Quantenrechner angesehen werden. Er zeigt, dass alternative Denkansätze, die über die reine Skalierung von Qubit-Zahlen hinausgehen, vielversprechend sind. Die Zukunft der Quantencomputer steht in engem Zusammenhang mit der Beherrschung der Fehlerkorrektur und der Schaffung von Hardware, die sowohl leistungsfähig als auch zuverlässig ist.
Die neuen Ansätze von Nord Quantique könnten es ermöglichen, Quantencomputer zu miniaturisieren und die Betriebskosten radikal zu senken. Dies wiederum eröffnet Perspektiven für Anwendungen, die heute noch als unerreichbar gelten – von der Simulation komplexer Moleküle über die sichere Kommunikation bis hin zur Optimierung von Versorgungsnetzen und dem maschinellen Lernen. Nicht zuletzt zeigt der Erfolg und die Innovationskraft junger Start-ups wie Nord Quantique, wie dynamisch und lebendig das Forschungsfeld der Quanteninformatik heute ist. Mit jedem kleinen Erfolg, mit jedem neuen Qubit-Design kommen wir der Vision eines alltagstauglichen Quantencomputers einen Schritt näher. Während die technischen Herausforderungen weiterhin immens bleiben, übersteigt die Kombination aus Kreativität, Technologie und wissenschaftlicher Exzellenz selbst die kühnsten Erwartungen.
Der jüngste Fortschritt bei den Qubits ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie fundamentale Innovationen den Weg zu einer neuen Ära der Informationstechnologie ebnen können.