Die Entwicklung von Dragon Age: The Veilguard war geprägt von Herausforderungen, die tief in den Strukturen von BioWare und dem Einfluss des Publishers Electronic Arts (EA) verwurzelt sind. Mark Darrah, der ehemalige Executive Producer der Dragon Age-Reihe, hat in einem aufsehenerregenden YouTube-Video Einblicke in die schwierige Zeit gewährt, die das Studio während der Produktion des Spiels durchlebte. Seine Aussagen bieten einen seltenen Blick hinter die Kulissen und enthüllen, wie mangelnde Unterstützung und interne Umstrukturierungen das Projekt erheblich beeinträchtigten. Die Rolle von Mark Darrah in der Entwicklung von Dragon Age war entscheidend. Vor 2017 war er eine zentrale Führungskraft im Team, das an der Fortsetzung der beliebten Fantasy-Reihe arbeitete.
Doch in einer entscheidenden Phase wurde Darrah auf das Mass Effect: Andromeda-Projekt transferiert, um dessen letzten Entwicklungsmonat zu leiten. Dieser Wechsel bedeutete für das Dragon Age-Team nicht nur, einen wichtigen Anführer zu verlieren, sondern setzte auch ein Signal, das in der Belegschaft als Zeichen mangelnder Priorität empfunden wurde. Trotz seiner Erwartungen, dass die Ressourcen nach Abschluss von Andromeda zurück zum Dragon Age-Team fließen würden, passierte genau das Gegenteil. Darrah spricht offen darüber, wie das Dragon Age-Team sich „verraten“ und „hinten runtergefallen“ fühlte. Die Unterstützung seitens BioWare und EA blieb weit hinter den Erwartungen zurück.
Die Praxis, Führungskräfte mitten in der Entwicklungsphase auf andere Projekte zu versetzen, sorgte für Verunsicherung und trug zu einem Eindruck bei, dass Dragon Age nicht die Aufmerksamkeit erhielt, die es verdiente. Diese sogenannten „Leadership Discontinuities“ waren zu dieser Zeit völlig neu für BioWare, führten aber zu erheblichem innerem Unmut. Eine der bedeutendsten Veränderungen in diesem Zusammenhang war der Wechsel von BioWare in eine andere Führungsebene bei EA. Zuvor berichtete das Studio an den Sportbereich der Firma, der laut Darrah eine eher desinteressierte, aber auch weniger kontrollierende Hand über das Studio hielt. 2017 wurde dies geändert; BioWare rückte unter die Verantwortung einer neuen EA-Sparte, die sehr viel stärker in Entscheidungen eingriff.
Diese neue Führung zeigte sich sehr viel aktiver darin, Projekte schnell zu beurteilen und Entscheidungen zugunsten anderer Titel zu treffen – allen voran Anthem, ein ehrgeiziger, aber später gescheiterter Live-Service-Shooter. Anthem war nicht nur eine neue Priorität seitens EA, sondern veränderte auch die Ressourcenverteilung bei BioWare maßgeblich. Darrah erklärt, dass trotz Zusicherungen von EA und der Studioleitung, Dragon Age habe weiterhin Priorität, genau das Gegenteil geschah. Viele der erfahrenen Entwickler und Führungskräfte, darunter Darrah selbst, wurden auf Anthem umverteilt. Damit ging ein Großteil des personellen Rückhalts verloren, der für eine so ambitionierte Rollenspielserie nötig gewesen wäre.
Die Situation wurde durch die Rückkehr von Casey Hudson als General Manager bei BioWare zusätzlich erschwert. Darrah erfuhr davon zeitgleich mit der gesamten Belegschaft und empfindet die Entscheidung, ihn nicht im Vorfeld zu konsultieren, als Vertrauensbruch. Seine Befürchtung, dass Hudson die Ressourcen für Dragon Age weiter reduzieren würde, bestätigte sich bald. Dies führte dazu, dass das Dragon Age-Projekt intern stark beschnitten wurde und die Arbeit an Anthem die Priorität bekam. Zudem kam es zur Umstrukturierung und letztlich Skalierung des Montreal-Studios von BioWare.
Viele Entwickler wurden abgezogen oder auf andere Projekte verteilt, oft entgegen dem Wunsch des Dragon Age-Teams. Darrah versuchte intensiv, diese Verluste zu verhindern, sah sich jedoch einer höheren Macht gegenüber, die den Verbleib von Mitarbeitern in Montreal nicht unterstützte und stattdessen eine Umverteilung in andere Bereiche bei EA bevorzugte. Ein Umstand, den Darrah als besonders schmerzlich bezeichnet. Insgesamt beschreibt Darrah diese Phase als den Moment, in dem EA BioWare endgültig verschluckt und dessen einst einzigartige Kultur in die breitere Unternehmensstruktur integriert hat. Die ambitionierten Pläne und besonderen Qualitätsansprüche, die BioWare einst auszeichneten, mussten sich nun den wirtschaftlichen und strategischen Zielen eines großen Publishers unterordnen.
Die Auswirkungen auf Dragon Age: The Veilguard waren und sind deutlich spürbar. Trotz all der internen Widrigkeiten gelang es dem Team, das Spiel 2024 schließlich zu veröffentlichen. Doch die Entwicklung zog sich über ein Jahrzehnt hin und verlief über viele Jahre in mehreren Phasen, die teilweise völlig neu begonnen wurden. Kritiker und Fans waren hinsichtlich des Endprodukts gespalten, da das Spiel einige der typischen Stärken der Reihe offenbarte, aber auch Schwächen zeigte, die auf die schwierigen Produktionsbedingungen zurückzuführen sind. Im Januar 2025 wurde BioWare zudem zu einem „One Game Studio“ umstrukturiert, mit entsprechend reduzierter Belegschaft und dem Fokus auf Mass Effect 5.
Diese Entscheidung, kombiniert mit zahlreichen Entlassungen, zeigt, wie tiefgreifend der Wandel im Unternehmen noch immer ist. Rückblickend lassen Mark Darrahs Offenbarungen verstehen, wie viel Einfluss Entscheidungen auf der Führungsebene von EA auf die Entwicklung von Dragon Age hatten. Die Ressourcenknappheit, die ständigen Umverteilungen und der Fokus auf Anthem sorgten dafür, dass sich das Team hinter Dragon Age immer weniger unterstützt fühlte. Darrah kündigte dennoch an, dass er sich weiterhin engagiert hat, um qualitativ hochwertige RPGs zu ermöglichen und beriet 2023 auch wieder zum Launch von The Veilguard. Diese Geschichte wirft ein Licht auf die komplexen Dynamiken in großen Studios und wie externe Faktoren, wie die strategischen Prioritäten eines Publishers, das kreative Potenzial eines Teams maßgeblich beeinflussen können.
Für Fans von Dragon Age bleibt die Hoffnung, dass zukünftige Projekte wieder mehr Unterstützung erhalten und die Qualität der beliebten Serie erhalten oder sogar gesteigert wird. Die Herausforderungen bei BioWare sind exemplarisch für viele Entwicklerstudios, die sich in der modernen Spielebranche in komplexen Unternehmensstrukturen und marktgetriebenen Entscheidungen bewegen müssen. Mark Darrah hat nicht nur einen persönlichen Einblick gegeben, sondern auch eine Analyse geliefert, wie aus internen Führungsentscheidungen weitreichende Auswirkungen auf Projekte, Teams und das Spielerlebnis entstehen können. Es bleibt abzuwarten, wie BioWare und EA diesen Kurs in Zukunft gestalten werden und ob das Dragon Age-Franchise sein volles Potenzial künftig wieder ausschöpfen kann.