Der deutsche Immobilienmarkt steht aktuell vor einer entscheidenden Herausforderung: Während die Hypothekenzinsen kontinuierlich steigen, verlangsamt sich der Verkauf von Wohnimmobilien spürbar. Diese Dynamik prägt nicht nur die Entscheidungen von Kaufinteressenten, sondern wirkt sich auch auf die gesamte Marktentwicklung und die Preisgestaltung aus. Um die Ursachen und Folgen dieser Trends besser zu verstehen, lohnt es sich, tiefer in die wirtschaftlichen Hintergründe und die Reaktionen von Marktteilnehmern einzutauchen. In den vergangenen Monaten haben wir festgestellt, dass die Durchschnittszinsen für langfristige Baufinanzierungen merklich angestiegen sind. Insbesondere der 30-jährige Festzins ist auf ein Niveau geklettert, das für viele Käufer eine große Hürde darstellt.
Wo früher Zinsen im Bereich von zwei bis drei Prozent üblich waren, bewegen sich diese Werte heute oft deutlich darüber. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und liegen unter anderem in der geldpolitischen Wende der Europäischen Zentralbank (EZB), die sich angesichts erhöhter Inflationsraten dazu entschlossen hat, die Leitzinsen anzuheben. Dies führt zu höheren Refinanzierungskosten für Banken, die diese Kosten in Form von steigenden Hypothekenzinsen an die Endverbraucher weitergeben. Die höhere finanzielle Belastung durch steigende Zinsen hat unmittelbar Auswirkungen auf die Nachfrage nach Immobilien. Viele potenzielle Käufer zögern, eine so große Investition aufzunehmen, wenn die monatlichen Belastungen durch die Kreditrückzahlung deutlich ansteigen.
Das Interesse an Neubauten und vorhandenen Bestandsimmobilien lässt nach, was sich in sinkenden Verkaufszahlen und längeren Vermarktungszeiten widerspiegelt. Der Wohnungsmarkt, der viele Jahre von einem starken Nachfrageüberhang geprägt war, erlebt derzeit eine Phase der Abkühlung. Neben den Zinsen spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Die wirtschaftliche Unsicherheit im Zuge geopolitischer Spannungen, globaler Lieferkettenprobleme und einer sich abschwächenden Konjunktur beeinflusst die Kaufbereitschaft vieler Menschen. Zudem haben die Verbraucher angesichts teils hoher Energiepreise und steigender Lebenshaltungskosten weniger finanzielle Spielräume zur Verfügung, um Immobilienkäufe zu tätigen oder bestehende Finanzierungen zu erhöhen.
Ein weiterer Aspekt betrifft die sogenannte „Mortgage Rate Lock-In“, also die Zurückhaltung von Eigentümern mit alten, günstigen Finanzierungen, ihr Eigenheim zu verkaufen. Viele Hauseigentümer sind momentan nicht bereit, ihre Immobilie zu veräußern, da sie wissen, dass sie bei einem erneuten Kauf mit höheren Kreditzinsen kalkulieren müssten. Diese ins Stocken geratene Verkaufsbereitschaft reduziert das Angebot auf dem Markt und könnte theoretisch die Preise stabilisieren oder gar steigen lassen. Dennoch zeigt sich, dass die Preise trotz dieses Angebotsengpasses durch die nachlassende Nachfrage eher unter Druck geraten. Die Preisentwicklung auf dem Wohnimmobilienmarkt verläuft aktuell ambivalent.
Einige Anzeigen für Immobilien übersteigen die realistischen Verkaufspreise deutlich, was eine Diskrepanz zwischen den Verkäufererwartungen und der tatsächlichen Marktlage offenbart. Experten beobachten vermehrt, dass Verkäufer ihre Immobilien zu hohen Preisen anbieten, aber potenzielle Käufer durch die gestiegenen Finanzierungskosten nicht bereit sind, diese Forderungen zu erfüllen. Dies führt zu einer Preiskorrektur in den Verhandlungsgesprächen, die angesichts des Überangebots an angebotenen Immobilien höchstwahrscheinlich noch anhalten wird. Aufseiten der Käufer zeichnet sich eine gewisse Machtverschiebung ab. Nachdem in den letzten Jahren der Markt von Nachfrageüberhängen geprägt war, haben Käufer heute wieder mehr Verhandlungsspielraum.
Dies zeigt sich im verstärkten Bemühen, Preise herunterzuhandeln, sowie in der Zurückhaltung gegenüber voreiligen Kaufentscheiden. Die intensive Phase, in der Häuser und Wohnungen innerhalb weniger Tage oder gar Stunden weggekauft wurden, scheint vorerst vorbei. Für Bauherren und Investoren stellt sich die Situation ebenfalls komplex dar. Höhere Kreditzinsen verteuern Neubauprojekte, was teilweise schon zu einer Verzögerung geplanter Bauvorhaben führt. Dies wirkt sich auch auf die Angebotssituation mittelfristig aus, denn weniger Neubauangebote könnten mittelfristig das Wohnungsangebot weiter verknappen.
Gleichzeitig wird die Attraktivität von Investitionen in Wohnimmobilien geprüft und oftmals zurückhaltender bewertet. Die Frage, wie lange die Hypothekenzinsen noch steigen werden, beschäftigt viele Marktteilnehmer. Ökonomen erwarten, dass die EZB ihre restriktive Geldpolitik zumindest bis zur Stabilisierung der Inflation beibehalten wird. Bis dahin dürften die Zinsen auf einem höheren Niveau verharren als in den vergangenen Jahren. Dies bedeutet für viele Haushalte, dass sie ihre Finanzierungsmodelle neu planen oder Alternativen wie kürzere Zinsbindungsfristen und variabel verzinste Darlehen in Betracht ziehen müssen.
Die Unsicherheit bezüglich der weiteren Marktentwicklung führt zu einer zögerlichen Haltung bei vielen käuferseitigen Entscheidungen. Trotz all dieser Herausforderungen gibt es auch Chancen. Der verlangsamte Markt bietet potenziellen Käufern die Möglichkeit, bessere Konditionen auszuhandeln und sich intensiver mit den verschiedenen Angeboten auseinanderzusetzen. Die größere Auswahl und weniger Zeitdruck können helfen, eine durchdachte Entscheidung zu treffen. Für Verkäufer ist es wichtig, realistische Preisvorstellungen zu entwickeln und ihre Immobilien attraktiv und marktorientiert zu präsentieren, um das Interesse von Käufern zu wecken.