Die Rolle von Google als dominierende Suchmaschine im digitalen Ökosystem ist seit Jahren unumstritten. Über 90 Prozent der Websuchen allein in Deutschland und global werden über Google abgewickelt. Diese Dominanz bringt enorme Macht mit sich, insbesondere wenn es darum geht, wie Inhalte von Verlagen online gefunden, dargestellt und auch verwendet werden. Aktuelle Gerichtsunterlagen aus den USA werfen ein Schlaglicht auf eine Praxis, die Verlage zunehmend in Bedrängnis bringt: Google zwingt Verlage faktisch dazu, das sogenannte KI-Scraping ihrer Inhalte zu akzeptieren, um überhaupt noch in den Suchergebnissen sichtbar zu bleiben. Diese Entwicklung wirft grundlegende Fragen über Urheberrecht, wirtschaftliche Fairness und die zukünftige Rolle von Nachrichtenmedien im digitalen Zeitalter auf.
In diesem Zusammenhang führt der Weg zu einer Debatte über Machtmissbrauch, Geschäftsmodelle und mögliche politische Eingriffe in die Funktionsweise der Suchmaschine. Das Gerichtsverfahren in den USA, in dem Google wegen seines Suchmonopols angeklagt wurde, förderte neue Details zu Tage. Insbesondere geht es um die Einführung von „AI Overviews“ bzw. der sogenannten Search Generative Experience (SGE), einer KI-Technologie, die Inhalte aus dem gesamten Web scrapt und in eigenen Zusammenfassungen und Antworten integriert. Verlage wurden in diesem Zusammenhang vor die Wahl gestellt: Entweder sie erlauben Google die Verwendung ihrer Inhalte als Grundlage für diese KI-gestützten Antworten, oder sie optieren aus – was aber dazu führt, dass sie auch vollständig aus den Suchergebnissen verschwinden.
Diese Praxis ist für viele Medienhäuser ein „harte rote Linie“, wie es interne Google-Unterlagen beschreiben. Google prüfte zwar Optionen, mit denen Verlage ihre Inhalte zumindest für das Training der KI oder für die sogenannte „Grounding“ entsorgen könnten. „Grounding“ ist das Verbinden von KI-Ausgaben mit überprüfbaren, vertrauenswürdigen Quellen. Doch diese Optionen wurden aufgrund ihrer potenziellen monetären Einbußen und der sich daraus ergebenden Komplexität verworfen. Stattdessen entschied sich der Konzern, den Verlagen nur eingeschränkte Kontrollmechanismen wie das „no snippet“-Meta-Tag anzubieten – ein Instrument, das einst entwickelte wurde, um die Anzeige bestimmter Textabschnitte in Suchergebnissen zu limitieren.
Das „no snippet“-Tag erlaubt es Verlagen zwar, die Darstellung bestimmter Inhalte in Suchergebnissen zu beschränken, doch es ist kein vollständiger Schutz gegen das Scraping für KI-Zwecke durch „Googlebot“ – die Suchmaschinencrawler, die Webseiten indexieren. Um sich vollständig gegen KI-Scraping zu schützen, müssten Verlage tatsächlich komplett auf das Crawling durch Googlebot verzichten. Das würde allerdings bedeuten, dass sie für mehr als 90 Prozent der Internetnutzer praktisch unsichtbar werden – eine unverhältnismäßige Strafe angesichts der abgeschöpften Werte durch KI-gesteuerte Dienste. Der Finanzzeitungsdirektor Matt Rogerson beschrieb diese Situation als ein „unglückliches Dilemma“. Verlage stehen davor, entweder den kostenlosen Zugriff von Google zu erlauben, wodurch ihre hochwertigen Inhalte ohne direkte Entschädigung genutzt werden, oder aber sie blieben im digitalen Niemandsland unsichtbar.
Zudem bedroht dieses Vorgehen entstehende Geschäftsmodelle, die auf fairer Lizenzierung von geistigem Eigentum basieren, und erschwert die Monetarisierung journalistischer Arbeit erheblich. Die Folgen für die Medienbranche sind weitreichend. Bereits seit langem kämpfen Verlage mit sinkenden Einnahmen aus klassischen Kanälen wie Printwerbung und Abonnements, während neue Online-Strategien eine zunehmende Relevanz erhalten. Gleichzeitig bietet die KI-basierte Zusammenfassung und Neuverwendung von Inhalten ohne Lizenzierung oder honorarische Abgeltung ein ernstzunehmendes Risiko für die Qualität und Vielfalt der Medienlandschaft. Verlage könnten unter dem Druck stehen, Inhalte entweder kostenlos für Suchmaschinen bereitzustellen oder sich wirtschaftlich zurückzuziehen.
Der Umstand, dass Google in internen Präsentationen eine „heimliche“ Implementierung solcher Kontrollmechanismen ohne öffentliche Kommunikation in Betracht zog, zeugt von der Komplexität und der heiklen Natur des Themas. Dies zeigt auch, dass Google um die Sensibilität seiner Maßnahmen weiß und bewusst Abwägungen trifft, um Kritik und regulatorische Konsequenzen zu umgehen. Darüber hinaus wurde vor Gericht enthüllt, dass Google intern AI Overviews mit Webinhalten trainieren kann, selbst wenn Verlage offiziell der Nutzung ihrer Daten für das Training von KI-Modellen widersprochen haben. Laut Aussagen von Google-Führungskräften aus dem DeepMind-Forschungsbereich wird diese Praxis begründet mit der Integration von KI in das Suchprodukt, wodurch entsprechende Schranken für Verlage faktisch umgangen werden. Das bringt eine weitere Dimension in die Debatte: Neben dem Kontrollverlust über die eigenen Inhalte verlieren Verlage auch die Möglichkeit, den Einsatz ihrer Daten für KI-Trainingsmodelle zu regulieren.
Angesichts wachsender Forderungen nach fairen Entlohnungen und transparenten Lizenzbedingungen in der KI-Branche ist dies ein kritischer Punkt, der zeigt, wie weit Suchmaschinenbetreiber ihre Hoheit ausbauen. Kartellrechtlich hat die US-Justiz dieses Verhalten bereits als illegal eingestuft, und auch die britische Wettbewerbsbehörde untersucht die Marktdominanz von Google im Suchsektor. Mögliche Lösungen und Auflagen reichen von der Verpflichtung Googles, Daten mit Wettbewerbern zu teilen, bis hin zur Abspaltung des Chrome-Browsers oder anderen strukturellen Veränderungen. Für die Medienbranche bedeutet dies einen Kampf um die Zukunft ihrer wirtschaftlichen Existenz im Netz. Die Integration von KI in Suchmaschinen verändert nicht nur die Art der Informationsbeschaffung, sondern beeinflusst auch direkt, wie Inhalte monetarisiert und geschützt werden können.
Verlage müssen strategische Entscheidungen treffen, ihre digitale Sichtbarkeit gegen den Schutz ihrer Inhalte abzuwägen und Druck auf politische Institutionen ausüben, um faire Rahmenbedingungen zu schaffen. Abschließend lässt sich festhalten, dass Googles Modell, Verlagen das Akzeptieren von KI-Scraping als Bedingung für die Sichtbarkeit in Suchergebnissen aufzuerlegen, ein Paradebeispiel für die Herausforderungen digitaler Monopole darstellt. Es zeigt die Notwendigkeit sorgfältiger Regulierung in einer Zeit, in der Künstliche Intelligenz zunehmend Teil der Alltagsinfrastruktur wird. Nur durch ein ausgewogenes Zusammenspiel von Technologie, Medienfreiheit und rechtlichen Schutzmechanismen kann ein vielfältiges und qualitativ hochwertiges Informationsangebot im digitalen Raum gewährleistet werden.