Die Energy Transfer Aktie hat in der Investmentwelt zuletzt für einiges Aufsehen gesorgt, insbesondere da der Kurs unter die Marke von 20 US-Dollar gefallen ist. Für viele Anleger stellt sich die Frage, ob jetzt ein günstiger Zeitpunkt für einen Einstieg in das börsennotierte Unternehmen vorliegt oder ob Vorsicht geboten ist. Um diese Entscheidung fundiert treffen zu können, ist es wichtig, die Geschäftsstruktur, die Ertragsquellen und die Risiken von Energy Transfer genau zu verstehen. Energy Transfer ist ein großes nordamerikanisches Midstream-Unternehmen, das vor allem im Bereich der Öl- und Gasinfrastruktur aktiv ist. Als sogenanntes Master Limited Partnership (MLP) profitiert es von stabilen Einnahmen, da es überwiegend Gebühren für die Nutzung seiner Pipelines und Transportanlagen erhält.
Diese Gebühren generieren relativ vorhersehbare Cashflows, da sie nicht unmittelbar an die Schwankungen der Rohstoffpreise gekoppelt sind. Somit zählt Energy Transfer zu den eher defensiven Werten innerhalb der Energiebranche. Ein entscheidender Anziehungspunkt für viele Investoren ist die stattliche Dividendenrendite von aktuell etwa 7,8 Prozent. Zusätzlich zeigt das Unternehmen eine Historie regelmäßiger Ausschüttungserhöhungen seit dem vierten Quartal 2021, was signalisieren kann, dass das Management eine positive Entwicklung der Cashflows erwartet. Doch trotz dieser scheinbar attraktiven Kennzahlen gibt es wesentliche Aspekte, die vor einer Investitionsentscheidung genau betrachtet werden sollten.
Ein zentraler Punkt ist die Vergangenheit der Dividendenausschüttungen. Während der Corona-Pandemie sah sich Energy Transfer gezwungen, die Ausschüttung um rund 50 Prozent zu kürzen. Dieses Ereignis hat bei vielen Anlegern Zweifel an der Nachhaltigkeit der Dividendenpolitik hinterlassen. Das Management argumentierte, dass die Kürzung notwendig war, um die Verschuldung zu reduzieren und die finanzielle Stabilität des Unternehmens zu stärken. Denn hohe Verschuldungsgrade bergen insbesondere in einem volatilen Marktumfeld erhebliche Risiken.
Darüber hinaus ist die Struktur von Energy Transfer komplex. Das Unternehmen fungiert nicht nur als Betreiber des Hauptgeschäfts mit Pipelines, sondern ist auch der General Partner zweier weiterer börsennotierter MLPs – Sunoco, das vor allem für die Lieferung von Benzin an Tankstellen zuständig ist, sowie USA Compression Partners, welches Kompressionsdienstleistungen für Pipelines anbietet. Zusätzlich investiert Energy Transfer in Projekte zur Verflüssigung von Erdgas (LNG), was potenziell Wachstumsmärkte erschließen kann, aber auch mit höheren Risiken verbunden ist. Die Diversifikation über verschiedene Geschäftsbereiche kann einerseits Stabilität bieten, andererseits erschwert diese Struktur die Transparenz für Anleger. Ein weiterer kritischer Aspekt ist eine gescheiterte Übernahme im Jahr 2016.
Energy Transfer hatte geplant, den Wettbewerber Williams zu übernehmen, stieß aber schnell auf finanzielle Hürden. Die drohende Übernahme hätte zu einer erheblichen Erhöhung der Verschuldung führen und möglicherweise eine erneute Dividendenkürzung notwendig machen können. Tatsächlich wurde der Deal abgelehnt, was kurzzeitig Unsicherheiten für Investoren schuf. Zu diesem Zeitpunkt gab es auch die Ausgabe von Wandelanleihen, die vom damaligen CEO maßgeblich gezeichnet wurden – eine Maßnahme, die aus heutiger Sicht weitere Fragen zur Corporate Governance aufwirft, zumal dieser CEO nun als Vorsitzender des Aufsichtsrats fungiert. Trotz der genannten Herausforderungen bietet Energy Transfer als Infrastrukturunternehmen im Energiesektor einige Vorteile.
Die Pipelineinfrastruktur ist essenziell für die Versorgung mit Öl und Gas. Solche Vermögenswerte sind kapitalintensiv und besitzen eine hohe Eintrittsbarriere für Wettbewerber. Zudem ist die Nachfrage nach Energie und deren Transport mittel- bis langfristig stabil. Das bringt eine gewisse Planbarkeit der Cashflows mit sich, was besonders in Phasen von Marktturbulenzen positiv gewichtet wird. Jedoch darf nicht übersehen werden, dass der Energiesektor auch unter wachsendem politischen und gesellschaftlichen Druck steht.
Die globale Energiewende und der Trend zu erneuerbaren Energien könnten langfristig die Nachfrage nach fossilen Energieträgern und damit auch deren Transportinfrastruktur beeinträchtigen. Investoren sollten daher auch das Risiko einer schleichenden Entwertung solcher Assets berücksichtigen. Anleger, die auf der Suche nach stabilen Einkommensquellen sind, müssen zudem abwägen, wie viel Risiko sie bereit sind zu tragen. Energy Transfer's hohe Dividendenrendite ist verlockend, doch die Vergangenheit mit Dividendensenkungen zeigt, dass diese nicht garantiert ist. Alternativen mit ähnlicher Rendite, aber möglicherweise stabileren Dividendenzahlungen, könnten daher in Betracht gezogen werden.
Ein Blick auf die Bewertung ist ebenfalls wichtig. Ein Aktienkurs unter 20 US-Dollar scheint auf den ersten Blick günstig, doch die fundamentalen Kennzahlen müssen das Bewertungsbild bestätigen. Energy Transfer weist ein höheres Verschuldungsniveau als viele seiner Konkurrenten auf, was in einem Umfeld steigender Zinsen problematisch sein kann. Zudem könnten mögliche regulatorische Änderungen oder Veränderungen im Energiemarkt Einfluss auf die zukünftigen Erträge haben. Letztlich hängt die Entscheidung, ob Energy Transfer Aktien bei Kursen unter 20 US-Dollar gekauft werden sollten, stark von der individuellen Risikobereitschaft und den Anlagezielen ab.