Im digitalen Zeitalter, in dem künstliche Intelligenz (KI) immer stärker in alle Lebensbereiche vordringt, entstehen neue Herausforderungen im Bereich der Identitätsverifizierung und Sicherheit. Eine dieser Herausforderungen ist die Frage, wie man in einer Welt sicherstellen kann, dass Menschen von KI-gestützten Bots und Agenten unterschieden werden können. Sam Altman, CEO von OpenAI, hat mit dem sogenannten Orb eine Technologie vorgestellt, die genau dieses Problem adressieren will: eine einzigartige Methode, Menschen zu erkennen und zu authentifizieren. Der Orb erfasst die iris-spezifischen Strukturen eines Benutzers und stellt so sicher, dass es sich tatsächlich um einen Menschen handelt. Diese Methode eröffnet nicht nur neue Möglichkeiten der Digitalkommunikation, sondern könnte das Internet und die digitale Wirtschaft grundlegend verändern.
Der Orb ist eine scheinbar simple, aber technisch hochkomplexe weiße Kugel, die ungefähr die Größe eines Strandballs hat. In ihrem Inneren befindet sich eine hochauflösende Kamera, die die Muster der Iris eines Menschen scannt. Jeder Mensch hat eine individuelle Irisstruktur, ähnlich einem Fingerabdruck, sodass diese Methode zur biometrischen Identifikation nahezu fälschungssicher ist. Nachdem der Nutzer in den Orb geblickt hat, wird ein sogenannter Iris-Code generiert: eine 12.800-stellige Binärzahl, die als unveränderbarer digitaler Schlüssel die Menschlichkeit des Nutzers beweist.
Diese Information wird verschlüsselt an eine App auf dem Smartphone gesendet, die zudem als Belohnung eine Kryptowährung namens Worldcoin überträgt. Worldcoin ist mehr als eine simple digitale Währung. Es ist ein ökonomischer Anreiz, Teil eines globalen Netzwerks zu werden, das Tools for Humanity im Jahr 2019 ins Leben gerufen hat. Die Firma, an der Altman maßgeblich beteiligt ist, zielt darauf ab, bis Ende 2025 weltweit 50 Millionen Menschen zu verifizieren und langfristig jeden Menschen auf der Erde in ihrem System zu registrieren. Dieses enorme Ziel ist nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch eine gesellschaftliche Vision, die auf der Annahme basiert, dass fortschrittliche künstliche Intelligenz das Internet fundamental verändern wird.
Die Abgrenzung zwischen menschlichen und KI-generierten Inhalten wird immer schwieriger. Das führt zu erheblichen Problemen, etwa der Verbreitung von Desinformationen oder der Manipulation von Meinungen durch AI-gesteuerte Bots. Die Idee des Orbs ist somit, ein neues Fundament für das digitale Zeitalter zu schaffen: eine „Proof-of-Humanity“-Infrastruktur, die schützt und authentifiziert. Anstelle von herkömmlichen Captchas oder zweifelhaften Sicherheitsmechanismen, die oft unpraktisch und fehleranfällig sind, liefert der Orb eine sichere biometrische Basis. Dadurch könnten soziale Netzwerke, Onlinedienste, staatliche Portale und viele weitere Anwendungen verlässlich sicherstellen, dass ihre Nutzer tatsächlich menschlich sind.
Das würde nicht nur die Qualität der digitalen Interaktionen erhöhen, sondern auch den Kampf gegen Fake News und automatisierte Täuschungsversuche intensivieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt in Altmans Vision ist die Verbindung von Technologie und sozialer Gerechtigkeit. Die Verbreitung von KI und Automatisierung birgt die Gefahr, dass viele Arbeitsplätze durch Maschinen ersetzt werden und damit eine breite wirtschaftliche Disruption entsteht. Als Antwort darauf wird im Konzept von Tools for Humanity auch die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens (Universal Basic Income, UBI) diskutiert. Die Steuerung und Verteilung von Kryptowährungen wie Worldcoin könnte ein neues Modell bieten, um in einer automatisierten Welt Wohlstand gerechter zu verteilen und Menschen eine Existenzgrundlage zu sichern, während KI ihnen assistiert.
Trotz der vielversprechenden Ansätze steht das Projekt jedoch auch vor bedeutenden Herausforderungen. Die Erfassung biometrischer Daten und deren Speicherung wirft essentielle Datenschutzfragen auf. Tools for Humanity betont zwar, dass der Iris-Code nach dem Scan anonymisiert und in einer dezentralen Struktur gespeichert wird, die keine Rückschlüsse auf die Identität der Nutzer zulässt. Allerdings bleibt ein gewisses Restrisiko bestehen, dass sensible Informationen missbraucht werden könnten – vor allem, wenn der Datenschutz nicht in allen Ländern gleich streng gehandhabt wird. Insbesondere europäische Datenschutzbehörden haben bereits Bedenken angemeldet und fordern eine vollständige Löschung der Daten auf Wunsch des Nutzers.
Darüber hinaus hängt der Erfolg des Orbs von der Akzeptanz der Nutzer ab. Obwohl die Idee, für die Verifizierung Kryptowährung als Belohnung zu erhalten, auf den ersten Blick attraktiv wirkt, sind viele Menschen skeptisch, wenn es um das Teilen ihrer biometrischen Daten geht. In Ländern mit hoher Technikaffinität wie Südkorea oder den USA werden zwar erste Schritte unternommen, doch das Wachstum der Nutzerzahlen bleibt hinter den Erwartungen zurück. Viele Nutzer verstehen die komplexen Implikationen der Technologie nicht vollständig oder sind besorgt über mögliche Auswirkungen auf ihre Privatsphäre. Ein weiteres potenzielles Problem liegt im monopolartigen Charakter des Systems.
Sollte der Orb beziehungsweise Tools for Humanity eine dominante Rolle bei der menschlichen Identitätsbestätigung im Internet einnehmen, könnte dies eine Machtkonzentration bedeuten. Das Unternehmen betont jedoch, dass die Kontrolle über die Technologie durch das sogenannte „World Protocol“ mit der Zeit dezentralisiert und an die Nutzer übergeben werden soll. Dennoch bleibt abzuwarten, wie sich diese Dezentralisierung in der Praxis realisieren lässt und inwiefern Wettbewerb und alternative Identifikationsmethoden gefördert werden. Technologisch bietet der Orb eine interessante Kombination aus Künstlicher Intelligenz und biometrischen Sensoren. Durch eine Kombination aus Infrarotkamera, Thermometersensoren und hochauflösenden optischen Geräten stellt er sicher, dass das Subjekt lebendig und physisch existent ist – eine wichtige Sicherheitsfunktion, um Betrugsversuche durch Fotos oder Videos zu verhindern.
Das System nutzt lernfähige neuronale Netzwerke, um die Echtheit des Scans sicherzustellen und False Positives auszuschließen. Neben der Identitätsprüfung wird ein komplexes verschlüsseltes Protokoll genutzt, um die Daten sowohl anonym als auch einmalig zu speichern und zu überprüfen. Interessant ist auch die geplante Erweiterung der Funktionalität. Tools for Humanity arbeitet daran, die Verifizierung auch auf sogenannte AI-Agenten auszuweiten, also KI-Systeme, die im Auftrag von Menschen Aufgaben und Aktionen im Internet ausführen. Dafür sollen Menschen die Verwaltung ihrer World IDs an diese Agenten delegieren können, sodass die Aktivitäten immer über menschliche Autorisierung laufen.
Dies könnte einerseits mehr Sicherheit geben, andererseits stellt es die Frage, wie die Grenze zwischen Mensch und Maschine künftig gezogen wird und ob dies zu neuen Formen der Überwachung führt. Der Orb und sein Umfeld sind somit ein Spiegelbild der großen technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformationen unserer Zeit. Während KI das Potenzial hat, unzählige Prozesse zu optimieren und unser Leben zu bereichern, entstehen parallel Risiken durch Manipulation, Identitätsdiebstahl und Gesichtslosigkeit im Netz. Die Bestätigung der eigenen Menschlichkeit auf verlässliche Weise wird daher zu einer Schlüsselkompetenz der digitalen Zukunft. Projekte wie das von Altman initiierte Tools for Humanity bieten eine Möglichkeit, diese Entwicklung aktiv mitzugestalten.