Der jüngste Durchbruch im US-Kongress hat das Thema Stablecoins wieder in den Mittelpunkt der Finanzwelt gerückt. Mit der Verabschiedung des GENIUS-Gesetzes im Senat wurde ein wichtiger Schritt unternommen, um einen klaren regulatorischen Rahmen für Stablecoins zu schaffen. Diese digitalen Vermögenswerte, die üblicherweise an den US-Dollar gebunden sind, gewinnen in der Kryptoindustrie weiterhin stark an Bedeutung. Doch trotz der positiven Resonanz in der Branche gibt es ernste Bedenken hinsichtlich der möglichen systemischen Risiken, die das Gesetz mit sich bringen könnte, insbesondere im Hinblick auf den US-Schatzmarkt.Das GENIUS-Gesetz zielt darauf ab, die Nutzung von Stablecoins sicherer und transparenter zu machen.
Es verlangt unter anderem, dass Stablecoins stets zu 100 Prozent durch Reserven gedeckt sind. Diese Reserven sollen hauptsächlich in US-Dollar und kurzfristigen US-Staatsanleihen gehalten werden. Außerdem führt das Gesetz strenge Regeln für Herausgeber, einschließlich Anti-Geldwäsche-Maßnahmen ein. Mit einer deutlichen Mehrheit von 68 zu 30 Stimmen wurde das Gesetz in einer parteiübergreifenden Zusammenarbeit verabschiedet und muss nun noch vom Repräsentantenhaus gebilligt werden.Viele Experten begrüßen die Bemühungen, den regulatorischen Wildwuchs im Bereich der Kryptowährungen einzudämmen.
Die klare Regelung soll Vertrauen bei Investoren und Nutzern schaffen und den Stablecoins helfen, sich als verlässliche Säule in der Finanzlandschaft zu etablieren. Senator Bill Hagerty, der das Gesetz maßgeblich vorangetrieben hat, betonte, dass es den US-Dollar stärken und die Nachfrage nach US-Staatsanleihen ankurbeln werde. Darüber hinaus soll das Gesetz vor Betrug schützen und die Stabilität des Finanzsystems fördern.Allerdings werfen Ökonomen und Finanzexperten warnende Blicke auf die mögliche Belastung des US-Schatzmarktes durch die steigende Nachfrage von Stablecoin-Herausgebern. Professorin Yesha Yadav von der Vanderbilt University und Brendan Malone, ehemaliger Mitarbeiter der Federal Reserve, haben in einer detaillierten Analyse vor den Folgen einer starken Kopplung von Stablecoins an US-Staatsanleihen gewarnt.
Sie sehen die Gefahr, dass das Gesetz die Herausgeber von Stablecoins faktisch zu Großabnehmern von US-Schuldtiteln macht und dadurch die Liquidität des Treasury-Marktes beeinträchtigen könnte.Der Markt für US-Staatsanleihen ist zweifelsohne einer der größten und liquideesten der Welt. Doch das stetige Wachstum des Stablecoin-Sektors hat die Nachfrage nach kurzfristigen Staatsanleihen erheblich erweitert. Während derzeit noch ausreichend Gegenparteien im Sekundärmarkt existieren, um Anleihen bei einem Verkauf abzunehmen, könnte dies in Zukunft zu einem Problem werden, sollten Stablecoins weiter exponentiell wachsen. So hat sich die ausstehende Menge der Stablecoins allein innerhalb der letzten fünf Jahre von knapp zwei Milliarden auf rund 230 Milliarden US-Dollar erhöht.
Die Liquiditätsprobleme im US-Schatzmarkt sind bereits heute spürbar. Die Einführung von Hochgeschwindigkeits-Handelsalgorithmen hat die Marktdynamik verändert. Außerdem erfordern gesetzliche Vorgaben seit der Finanzkrise 2008, dass Banken größere Kapitalreserven vorhalten, was sie weniger geneigt macht, am Markt der Staatsanleihen aktiv teilzunehmen. Damit stehen weniger Marktmacher zur Verfügung, die große Bestände an Staatsanleihen übernehmen könnten. Die Gesamtmenge der ausstehenden US-Staatsanleihen ist in den letzten Jahren von 4,8 Billionen auf 28,6 Billionen US-Dollar gestiegen – ein Anstieg, der zusätzlich die Liquiditätslage beeinflusst.
Im Falle einer Krise, die zu einem massiven Einlösen von Stablecoins führen würde, könnte die mangelnde Liquidität im Staatsanleihenmarkt dazu führen, dass Stablecoin-Herausgeber ihre Wertpapiere nur schwer oder mit deutlichen Abschlägen verkaufen könnten. Dies birgt das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit, die wiederum das Vertrauen in die Stablecoins und die US-Staatsanleihen erschüttern könnte. Historische Ereignisse, wie die Liquiditätskrise im März 2020 während der COVID-19-Pandemie oder die Marktverzerrungen aufgrund politischer Entscheidungen im April 2025, zeigen, dass es bereits früher zu solchen Spannungen gekommen ist.Der enge Zusammenhang zwischen dem wachsenden Stablecoin-Markt und der Nachfrage nach US-Staatsanleihen hat weitreichende politische Implikationen. So könnte die verstärkte Nachfrage nach kurzfristigen Staatsanleihen, die im GENIUS-Gesetz bevorzugt werden, dazu führen, dass sich die Struktur der US-Staatsverschuldung verändert.
Derzeit macht die kurzfristige Verschuldung etwa ein Viertel des Gesamtbestands aus, während langfristige Anleihen meist für Planung und Finanzierung langfristiger Projekte genutzt werden. Die neue Ausrichtung könnte somit die Finanzierungspolitik der US-Regierung beeinflussen und langfristige Strategien erschweren.Kritisch bleibt auch die Frage der Regulierung: Das GENIUS-Gesetz delegiert die Aufsicht vor allem an die Office of the Comptroller of the Currency (OCC) und die Federal Reserve, während kleinere Stablecoin-Anbieter auf staatlicher Ebene reguliert werden sollen. Dies schafft eine komplexe Landschaft mit mehreren Aufsichtsbehörden, deren Zusammenarbeit bisher als unzureichend gilt. Experten fordern eine koordinierte Regulierung zwischen Staatsanleihe-Überwachern und Stablecoin-Aufsehern, um potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und abzuwenden.
Auch wenn das Gesetz im Senat eine breite Zustimmung gefunden hat, sieht die politische Lage im Repräsentantenhaus etwas komplizierter aus. Dort muss das GENIUS-Gesetz mit dem STABLE Act, einem weiteren Entwurf zur Stablecoin-Regulierung, zusammengeführt werden. Beide Gesetze haben ähnliche Ziele, unterscheiden sich jedoch in Details wie dem Umfang der Bundesaufsicht, der Zusammenarbeit mit staatlichen Regulierern und der Behandlung algorithmischer Stablecoins. Diese Differenzen müssen noch beigelegt werden, bevor das Gesetz endgültig verabschiedet wird.Nicht zuletzt bringen parteipolitische Rivalitäten und prominente Kritiker zusätzlichen Gegenwind.
Senatorin Elizabeth Warren kritisiert, dass das Gesetz hauptsächlich im Interesse der Industrie geschrieben sei und letztlich Donald Trumps Engagement im Krypto-Bereich begünstigen könnte, was die Verbraucherschutzmechanismen schwächen würde. Demokratische Spitzenpolitiker wie Maxine Waters haben sich ebenfalls skeptisch gegenüber einem breitflächigen Krypto-Engagement geäußert. Die zunehmende Verwicklung Trumps in die Kryptoindustrie wird von einigen als weiterer Risikofaktor für die politische Akzeptanz des Gesetzes gesehen.Die Verabschiedung des GENIUS-Gesetzes ist dennoch ein bedeutender Schritt für die Regulierung von Stablecoins. Sie verspricht mehr Sicherheit für Verbraucher und Stabilität im Markt.