VCV Rack ist vielen als eine revolutionäre Software bekannt, die das Konzept modularer Synthese in die digitale Welt bringt. Für kreative Musiker und Entwickler ist es eine Plattform, die neue Klangwelten eröffnet und eine lebendige Community von Drittentwicklern versammelt hat. Doch hinter der Fassade dieses vielversprechenden Projekts verbergen sich Herausforderungen, die mich, Aria Salvatrice, dazu bewegt haben, keine weiteren Module für VCV Rack zu entwickeln und eine komplett neue Richtung einzuschlagen. Seit Jahren beschäftige ich mich leidenschaftlich mit elektronischer Musik und der Entwicklung von Musiksoftware. Angefangen habe ich mit der Idee, meine eigenen ungewöhnlichen Module für VCV Rack zu erschaffen, um aleatorische und generative Musikformen zu erforschen.
Die Freiheit, die modulare Synthese ermöglicht, hat mich fasziniert. Man benötigt keine teuren Geräte, sondern kann mit ein paar Klicks und virtuellen Kabeln experimentieren. Gerade in meinem ehrlichen, bodenständigen Lebensstil ohne hohe finanzielle Mittel erschien mir VCV Rack als perfekte Spielwiese. Meine ersten Schritte in der Entwicklung waren von Neugier und Lernbereitschaft geprägt. Mit Null Erfahrung in C++ oder Audiotechnik begann ich ganz klein – mit einfachen Utilities, wie einem Polyphonic Splitter und Merger, um in der Modulwelt Fuß zu fassen.
Gleichwohl merkte ich schnell, wie tief und komplex das Feld der Modulentwicklung ist. Von da an entwickelte ich eine Sammlung von Modulen, die heute aus sechzehn einzigartigen Tools besteht, alle fokussiert auf Performance und Improvisation. Module wie Arcane, das tägliche musikalische Glücksbringer liefert, oder das psychodelisch anmutende Modulus Salomonis Regis sind Beispiele für meinen künstlerischen Zugang und Wunsch, musikalisch Neues zu entdecken. Was mich jedoch langfristig vom Enthusiasmus zur Frustration brachte, war das Umfeld rund um VCV Rack – die soziale und kommunikative Atmosphäre, die eine immer toxischere Richtung nahm. Die Probleme waren nicht oberflächlich oder einzelne Missverständnisse, sondern tiefer liegende Muster von Respektlosigkeit und Ausschluss.
Der Entwickler und Gründer von VCV, Andrew Belt, scheint wenig Interesse an einer positiven Kollaboration mit Drittentwicklern zu zeigen. Mehrere technische Fragen wurden konterkariert durch Angabe von Beratungsgebühren – ein Signal, das in einem offenen Entwicklerumfeld kaum willkommen ist. Darüber hinaus gab es Probleme mit der Namenspolitik innerhalb des Modul-Marktplatzes: so können inaktive Module und sogar Namen von Entwicklern übernommen und für minderwertige Forks genutzt werden. Dass mein eigener Name einfach entmachtet werden könnte, war für mich ein Bruch mit der Wertschätzung meiner jahrelangen Arbeit. Solche Richtlinien ignorieren die Tatsache, dass hinter den Modulentwicklungen Individuen mit Stolz und persönlichem Engagement stehen.
Die systematische Durchsetzung von „Hide Buttons“ und das Verstecken von Diskussionen über diese Problematiken drücken den Wunsch nach einer gesunden, transparenten Gemeinschaft nieder. Zudem zeigte sich, dass Programme zur Förderung von Vielfalt und Inklusion – wie Codes of Conduct – nur oberflächlich umgesetzt wurden. Eine echte Willkommenskultur für Frauen und marginalisierte Gruppen fehlte, Gespräche wurden zensiert, und die Befürwortung dieser Themen wurde eher als Störfaktor denn als Bereicherung empfunden. Dies schaffte eine Atmosphäre, in der sich viele Entwickler ausgelaugt fühlen und das Feld verlassen, ohne es öffentlich zu machen, aus Angst vor beruflichen Nachteilen. Neben den sozialen Schwierigkeiten sind auch technische und strategische Einschränkungen Teil meiner Entscheidung gewesen.
Das VCV-Ökosystem hat eine geschlossene Entwicklungsstruktur, eine geschützte kommerzielle Plattform und setzt viele rechtliche und soziale Hürden gegen Forks und Alternativprojekte. So klafft eine Lücke zwischen dem offenen Geist von Open Source und dem geschlossenen Geschäftsmodell. Der Versuch, alternative Forks wie MiRack oder VeeSeeVST ins Leben zu rufen oder zu fördern, wird eher verhindert als unterstützt. Nachdem ich diese Muster und den Mangel an nachhaltigem Support erkannt hatte, stellte sich die Frage: Wie geht es weiter? Sollte ich meine Energien weiterhin auf eine mit toxischer Kommunikation belastete Plattform verwenden? Oder gibt es einen anderen Weg, meine Visionen umzusetzen? Ich entschied mich, mich radikal zu verändern. Interessanterweise liegt der Schlüssel in einer grundlegenden technischen Einsicht: Ich muss nicht mehr auf Audioebene arbeiten – also mit den hohen Anforderungen und der Komplexität der Echtzeit-Audiosynthese.
Die Fokussierung auf Komposition, Sequencing und Modulation erlaubt es mir, eine vollständig neue Art von Musiksoftware zu schaffen. Dabei verzichte ich bewusst darauf, Klang direkt zu erzeugen, setze stattdessen auf MIDI, OSC und weitere Schnittstellen zur Integration mit bestehenden Soundquellen. Dieses neue Projekt, das ich Séanceur nenne, soll eine modulare Sequencer-Plattform werden, die spielerisch und intuitiv, aber auch tiefgründig und leistungsstark ist. Ich will die metaphorischen Elemente der Modularität wie virtuelle Kabel und Module verwenden, ohne die Beschränkungen bestehender Audiohost-Umgebungen. Ein einzigartiges Merkmal ist die Idee, eine touch-optimierte Oberfläche in einer Game-Engine wie Unreal zu realisieren.
Das eröffnet nicht nur neue Möglichkeiten bei der Bedienung, sondern erlaubt auch eine ästhetisch ansprechende Gestaltung – denn ein Instrument sollte nicht nur funktional, sondern auch schön und greifbar sein. Séanceur zielt darauf ab, die Brücke zwischen musikalischem Toy und ernstzunehmendem Instrument zu schlagen. Es soll sich von der zahlreichen experimentellen Modul-Welt abheben, indem es eine klare Traditionslinie zu eingängigeren musikalischen Formen und bekannten Harmonielehren zieht, dabei aber genug Raum für Improvisation und ungewöhnliche Kompositionstechniken lässt. Die Verwendung von alltagsnahen Controllern, von Spielepads über Gestenerkennung bis hin zu Computer Vision, steht im Zentrum meines innovativen Ansatzes. Die Vision ist eine Community kleiner, engagierter Künstlerinnen und Künstler, die gemeinsam mit einem intuitiven und dennoch tiefen Instrument arbeiten können, fernab toxischer Communitydynamiken und strenger Gatekeeper-Politiken.
Ich will, dass Musikentwicklung wieder Freude bereitet, dass Wissensaustausch gefördert wird und dass Grenzen der Kreativität neu ausgehandelt werden. Die letzten Monate und Jahre haben mir gezeigt, wie wichtig ein gesundes soziales Umfeld für das Entwickeln und Kreativsein ist. Auch wenn es weh tat, das Kapitel VCV Rack abzuschließen, bringt der Neuanfang eine Vielzahl Chancen und Raum für eigene Ideen, frei von äußeren Zwängen und Problemen. Abschließend lässt sich sagen, dass meine Geschichte eine wertvolle Lektion für alle Entwickler und Musiker ist: Es reicht nicht, nur das beste technische Produkt zu schaffen. Hochwertige Software benötigt auch eine unterstützende, wertschätzende Gemeinschaft.
Nur so wird aus einem einfachen Hobby eine nachhaltige Leidenschaft, die andere inspiriert und mitreißt. Mit Séanceur starte ich ein neues Kapitel, mit dem Ziel, Musik und Technologie enger zusammenzubringen, auf neue Art und Weise zu experimentieren und vor allem den Spaß an der Musik zurückzubringen.