Jeffrey Ullman steht als Synonym für die grundlegenden Fortschritte in der Informatik, insbesondere in den Bereichen Compilertechnik und Programmiersprachen. Gemeinsam mit Alfred Aho wurde er 2020 mit dem renommierten ACM Turing Award ausgezeichnet – eine Anerkennung für seine wegweisenden Beiträge zur Theorie und Praxis der Compilerentwicklung, die auch als Motor der Softwareentwicklung gilt. Ullmans Werk hat nicht nur ein Fachgebiet entscheidend vorangebracht, sondern auch Generationen von Informatikern beeinflusst. Seine „Dragon Book“ genannte Publikation „Compilers: Principles, Techniques and Tools“ wird oft als „Bibel“ der Compilertechnik bezeichnet und prägt bis heute die Lehre und Forschung. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt jedoch einen Forscher, der neben technischem Know-how auch philosophische und praktische Überlegungen in die Informatik einbringt.
Ein herausragendes Element seiner Arbeit ist die Herangehensweise an komplexe theoretische Grundlagen mit dem Ziel, sie praktisch nutzbar zu machen. Dabei scheut Ullman auch nicht die kritische Reflexion über Grenzen und Herausforderungen. Die berühmte Buchcover-Illustration mit dem Kämpfer gegen einen Drachen basiert auf einer Allegorie zu Miguel de Cervantes‘ Don Quijote. Diese symbolisiert den Kampf gegen vermeintliche „Drachen“ – also die technische Problematik des Compilerdesigns – und gleichzeitig die Skepsis Ullmans gegenüber der Frage, ob die damals vorgestellten Theorien tatsächlich praktikabel sein würden. Ironischerweise erwiesen sich die Methoden wie LR(k)-Parsing als äußerst effektiv, auch wenn nicht alle Teilbereiche der Compiler vollständig von der Theorie beherrscht werden konnten.
Seine Expertise erstreckt sich weit über Compiler hinaus. In den 1980er Jahren trieb Ullman die Entwicklung von „Datalog“ voran, einer logikbasierten Sprache, die das Beste aus Datenbanken und Künstlicher Intelligenz verband. Er erkannte die Notwendigkeit, eine Sprache mit rekursiven Fähigkeiten zu schaffen, die dennoch berechenbar und optimierbar ist. Trotz anfänglicher politischer Widerstände zwischen den Gemeinschaften der Datenbanken und der KI fand Datalog später den Weg in den SQL-Standard und beeinflusst bis heute Optimierungsverfahren in Datenbanksystemen. Dies zeigt die Fähigkeit Ullmans, vermeintlich unterschiedliche Felder der Informatik zu verknüpfen und dadurch neue Standards zu setzen.
Ein weiterer zentraler Schwerpunkt in Ullmans Betrachtungen ist die Rolle von Abstraktionsmechanismen in der heutigen Zeit, insbesondere im Kontext generativer Künstlicher Intelligenz. In seinem Turing-Preis-Vortrag von 2020 stellte er die Vision auf, wie Abstraktionen helfen könnten, robuste Anwendungen unter Nutzung von maschinellem Lernen effizient zu entwickeln. Schon 2025 sieht er jedoch Herausforderungen, da es an umfassenden theoretischen Modellen mangelt, um Fragestellungen bei tiefen neuronalen Netzen oder großen Sprachmodellen zu erklären oder gar Missbrauchsfällen vorzubeugen. Dass Abstraktionen noch wichtiger werden, betont er besonders im Umgang mit KI-generiertem Code, um präzise und effiziente Anweisungen an komplexe Systeme zu formulieren. Sein Blick auf die Forschung ist von einer klaren, praxisorientierten Haltung geprägt.
Er warnt vor einer reinen Orientierung an „offenen Problemen“ ohne tiefes Verständnis für den praktischen Nutzen der Fragestellungen. Stattdessen empfiehlt er Nachwuchswissenschaftlern, sich auf reale, nützliche Probleme zu fokussieren und den Weg der Originalität durch eigene Erkenntnisse zu gehen. Dieser Ansatz fördert nicht nur eine nachhaltige Forschung, sondern trägt dazu bei, dass Ergebnisse auch tatsächlich relevant sind und einen Mehrwert schaffen. Ullman spricht auch offen über seine Erfahrungen als Autor zahlreicher einflussreicher Fachbücher. Seine Anfangsschwierigkeiten verdeutlichen, dass exzellente Fachliteratur Schreiben und kontinuierliche Verbesserung erfordert.
Erst mit Erfahrung und Praxis wurde Schreiben für ihn produktiver und leichter, eine Entwicklung, die viele Wissenschaftler nachvollziehen können. Das Verfassen von wissenschaftlicher Literatur sieht er als essenziell, um Wissen zu verbreiten und die Disziplin voranzubringen. Neben seinen wissenschaftlichen Leistungen reflektiert Ullman auch den Spannungsbogen zwischen theoretischer Eleganz und praktischer Relevanz in der Informatik. Er beschreibt, wie in den Anfangstagen viele Vertreter einfach alles als Theorie deklarierten und wie sich im Laufe der Zeit herausstellte, dass nur bestimmte abstrakte Konzepte tatsächlich signifikanten Einfluss auf die Entwicklung effizienter Software hatten. Diese differenzierte Sichtweise lehrt, dass Wissenschaft neben der Ästhetik der Theorie immer auch der Nützlichkeit dienen muss.
Das Interview zeigt Jeffrey Ullman als einen vielseitigen, besonnenen und zugleich visionären Informatiker, dessen Arbeiten die Computerscience und Softwareentwicklung tiefgreifend beeinflusst haben. Sein Aufruf zur eigenständigen, zielorientierten Forschung bleibt gerade für heutige Entwickler und Wissenschaftler, die in einer Welt ständiger technologischer Veränderungen leben, von ungebrochener Aktualität. Die Verbindung aus theoretischem Fundament, praktischer Umsetzung und dem Mut zur kritischen Selbstreflexion macht Ullman zu einem Vorbild für die gesamte Branche. Für Computerbegeisterte und Wissenschaftler bietet seine Lebensgeschichte sowie seine Einschätzung zu aktuellen Entwicklungen wertvolle Impulse. Von den Anfängen der Compilertheorie bis zum gegenwärtigen Zeitalter der Künstlichen Intelligenz erstreckt sich ein roter Faden innovativen Denkens und Handelns.
Die Brücke zwischen historischen Klassikern und den Herausforderungen moderner Technologien zeigt deutlich, dass das Fundament der Informatik weiterhin eine entscheidende Rolle spielt, um auch in Zukunft relevante und wertvolle Systeme zu entwickeln.