Huawei hat mit seiner Betriebssysteminitiative HarmonyOS, auch bekannt unter dem Namen OpenHarmony, in den letzten Jahren verstärkt versucht, im Bereich der intelligenten Endgeräte Fuß zu fassen. Als Antwort auf geopolitische Herausforderungen und die Abhängigkeit von westlichen Betriebssystemen wie Android hat das Unternehmen eine eigene Open-Source-Plattform geschaffen, um eine Alternative zu etablieren. Doch während HarmonyOS technisch Ambitionen durch disruptive Innovationen zeigt, sorgte die Art und Weise, wie Huawei Open-Source-Repositorien für seine Adaptationen nutzt, für kontroverse Diskussionen in der globalen Entwickler-Community. Das zentrale Element in diesem Diskurs ist die zunehmende Häufigkeit von sogenannten „Proposals“, also Vorschlägen zur Adaption bereits bestehender Open-Source-Projekte für das OpenHarmony-Ökosystem. Diese Initiativen sind oftmals in großer Zahl und mit ähnlichen Texten und Strukturierungen bei mehreren Projekten auf GitHub zu finden.
Dabei adaptiert Huawei bestehende Bibliotheken, Frameworks und Tools, um sie kompatibel mit HarmonyOS zu machen. Die Strategie ist ambitioniert, denn dadurch kann Huawei eine breite Vielfalt an Softwarekomponenten schneller integrieren und so sein Ökosystem erweitern. Doch die Menge und Frequenz dieser Vorschläge weckt bei vielen Entwicklern den Verdacht eines Massenansturms oder gar Spammings. Die Open-Source-Community lebt von Freiwilligkeit, Transparenz und gegenseitigem Respekt. Die Einreichung qualitativ hochwertiger und nützlicher Beiträge ist Kern der Zusammenarbeit.
Wenn jedoch eine Organisation wie Huawei mit einer Flut sehr ähnlicher Adoptionsanfragen auftaucht, kann das als störend oder sogar ausbeuterisch wahrgenommen werden. Es entsteht der Eindruck, dass die Community in die Breite überfordert wird, da die Anpassungen nicht immer einzeln diskutiert oder qualitativ ausreichend überprüft erscheinen. Für viele Mitwirkende stellt sich die Frage, ob hinter den massenhaften Vorschlägen langfristiges Engagement steht oder lediglich eine schnelle Nutzung von fremder Arbeit für wirtschaftliche Zwecke erfolgt. OpenHarmony selbst ist mittlerweile eine dieser großen Open-Source-Plattformen, die von Huawei ausgebaut wird. Das Betriebssystem wird als quelloffenes Projekt präsentiert, das zahlreiche Entwickler weltweit einbinden soll.
Doch das Spannungsverhältnis zwischen der Öffnung und dem kommerziellen Interesse bleibt spürbar. Während andere Open-Source-Projekte oft organisch wachsen und Entwicklungsprozesse partizipativ gestalten, scheint bei HarmonyOS die Initiativsprache vornehmlich von einer einzelnen großen Organisation dominiert zu sein. Die Rollenverteilung verschiebt sich so von einer dezentralen Community hin zu einer kontrollierteren, zentral geprägten Entwicklungsstruktur. Interessant ist auch die technische Dimension solcher Massenadaptationen. Huawei nutzt dabei vielfach bestehende etablierte Bibliotheken wie ThreadPool, libgphoto2, rsync oder snappyjs.
Durch die „Proposals for OpenHarmony Adaptation“ schlägt das Unternehmen vor, diese Projekte als Subsysteme in HarmonyOS einzubinden. Auf den ersten Blick handelt es sich dabei um eine sinnvolle Vernetzung zwischen bewährten Open-Source-Komponenten und neuerer Plattformtechnologie, um Entwicklungszeiten und Ressourcen zu sparen. Doch die manuelle Pflege, die Einhaltung von Lizenzbestimmungen und die ständige Abstimmung mit den Ursprungsgemeinschaften bleiben Herausforderungen. Die Balance zwischen Wiederverwendung und nachhaltiger Integration ergibt sich so nicht ohne weiteres. Der Vorwurf des Spammings wächst besonders dann, wenn die Vorschläge qualitativ identisch erscheinen und keine eigenständigen Weiterentwicklungen oder Anpassungen erkennbar sind.
In mehreren GitHub-Issues und Pull-Requests wird genau dieses Verhalten beschrieben. Trotz mehrmaliger Hinweise auf Community-Richtlinien setzt Huawei oder deren beauftragte Entwickler diese Art der massenhaften Vorschläge fort. Dadurch platziert sich der Konzern in einer Grauzone zwischen legitimer Open-Source-Nutzung und möglicher Überforderung der Plattformbetreiber und Maintainer. Die Folge sind längere Reaktionszeiten, frustrierte Entwickler und eine gespannte Kommunikation zwischen Huawei und externen Partnern. Die politische Dimension von HarmonyOS und dessen Stellung im globalen Wettbewerb darf nicht außer Acht gelassen werden.
Huawei fungiert mit HarmonyOS als Aushängeschild eines eigenständigen Technologie-Ökosystems, das sich gegen die Dominanz amerikanischer Anbieter durchsetzen will. In diesem Sinne ist das schnelle Onboarding breiter Open-Source-Komponenten strategisch wichtig. Doch umso mehr gewinnt die nachhaltige und respektvolle Zusammenarbeit mit der weltweiten Open-Source-Community an Gewicht. Ohne eine konstruktive und transparente Kooperation kann der Versuch, ein alternatives Betriebssystem zu etablieren, leicht als isolierter Vorstoß wahrgenommen werden, der Gemeinschaften eher schwächt statt stärkt. Wie sehen also mögliche Lösungsansätze aus? Ein erster Schritt für Huawei wäre es, die Zusammenarbeit mit Projekt-Maintainern enger und persönlicher zu gestalten.
Statt Massenproposals könnten gezielte Anpassungen mit ausführlicher Dokumentation und gemeinsamer Entwicklung umgesetzt werden. Auch die Einhaltung offener Kommunikationsstandards und eine regelmäßige Diskussion in Community-Foren sind essenziell. In Kombination mit einem strukturierten Beitragssystem, das sinnvoll filtert und priorisiert, ließe sich die Qualität der Open-Source-Integrationen für HarmonyOS verbessern. Für die Open-Source-Community gilt es, klare Richtlinien zu etablieren, die einerseits Offenheit für neue Akteure signalisieren, andererseits die Balance zwischen produktiven Beiträgen und Spam gewährleisten. Eine konstruktive Haltung dürfte im langfristigen Interesse aller Parteien sein, denn nur durch ein respektvolles Miteinander können technologische Innovationen nachhaltig vorangetrieben werden.