In den letzten Jahren hat die globale Technologielandschaft tiefgreifende Veränderungen durchlaufen. Ein wesentlicher Faktor, der diesen Wandel vorantreibt, sind die politischen Maßnahmen rund um Handelszölle, insbesondere jene, die von der Trump-Regierung eingeführt wurden. Diese Zölle haben nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf den Warenverkehr, sondern auch weitreichende Konsequenzen für Investoren und Gründer in der Technologiebranche. Dana Settle, Mitbegründerin und Managing Partner von Greycroft, einem renommierten Venture-Capital-Unternehmen mit Sitz in San Francisco, hat diese Entwicklungen jüngst in Gesprächen auf der Milken Institute Global Conference beleuchtet. Ihre Einblicke spiegeln den grundlegenden Wandel wider, den die Industrie derzeit erlebt.
Traditionell waren Investoren im Technologiesektor immer bestrebt, ihre Investitionen auf Unternehmen auszurichten, die einen globalen Markt bedienen konnten. Die Größe des sogenannten Total Addressable Market (TAM) war ein entscheidendes Kriterium für Investitionsentscheidungen. Ein globaler TAM versprach maximale Wachstumschancen und langfristige Skalierbarkeit. Dabei spielte China als einer der größten Technologiemärkte eine Schlüsselrolle, auch wenn geopolitical Spannungen und Marktzugangsbarrieren bereits vor der Einführung der Zölle vorhanden waren. Jedoch haben die verschärften Handelskonflikte und die daraus resultierenden Zölle, speziell seit der sogenannten "Liberation Day"-Phase unter der Trump-Regierung, die Perspektive deutlich verändert.
Die aktuelle Situation zwingt Investoren dazu, ihre Einschätzung neu auszurichten. Statt wie bisher primär auf globale Expansion zu setzen, rückt der Fokus zunehmend auf den heimischen US-Markt. Unternehmen müssen in diesem neuen Umfeld „Gewinner in den USA“ sein, um Investoren anzuziehen und nachhaltige Erfolge zu erzielen. Diese Verschiebung hat mehrere Auswirkungen. Einerseits reduziert sie den risikoreichen Aufbau von Vertriebs- und Logistiknetzwerken in Ländern, die durch Zölle oder politische Unsicherheiten stark reguliert sind.
Andererseits fordert sie von Start-ups eine stärkere Lokalisierung ihrer Geschäftsmodelle, Produkte und strategischen Zielgruppen.Für viele frühphasige Unternehmen hat sich mit dieser Entwicklung das Finanzierungsumfeld merklich verschärft. Zwar ist die Anzahl der Börsengänge (Initial Public Offerings) im Jahr 2025 trotz der widrigen Rahmenbedingungen relativ hoch, doch der Gesamtwert dieser IPOs scheint hinter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre zu liegen. Darüber hinaus haben zu erwartende attraktive Börsengänge wie Klarna, Chime oder eToro ihre Debüts an den öffentlichen Märkten verschoben oder verzögert. Dieses Verhalten dokumentiert die Vorsicht der Investoren angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten, Handelskonflikten und geänderten regulatorischen Rahmenbedingungen.
Trotz aller Widrigkeiten bleibt ein beachtlicher Lichtblick bestehen: Die Künstliche Intelligenz (KI) bleibt ein zentraler Wachstumstreiber und eine Hochburg für Investitionen. Dana Settle verdeutlicht, dass der Bereich der KI trotz der Unsicherheit in anderen Marktsegmenten ungebrochen dynamisch ist. Unternehmen bemühen sich verstärkt darum, KI-Technologien zu implementieren, um Geschäftsprozesse zu optimieren, Effizienzgewinne zu realisieren und sich auf volatile wirtschaftliche Bedingungen besser einstellen zu können. Diese Entwicklung zeigt, wie technologische Innovationen nicht nur ein Wachstumstreiber, sondern auch ein Mittel zur Risikominderung und Anpassung an äußere Herausforderungen sind.Der Trend zur Fokussierung auf KI spiegelt sich auch in den Portfolios großer Venture-Capital-Firmen wider.
Greycroft etwa konzentriert sich intensiv auf Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind. Neben prominenten ehemaligen Investments wie Bumble, Venmo oder Axios hat das Unternehmen aktuell Beteiligungen an Startup-Projekten wie Stability AI, die den KI-Markt mitprägen. Diese gezielte Ausrichtung unterstreicht den Glauben an eine Tech-Zukunft, die trotz Handelsbarrieren und geopolitischer Herausforderungen prosperieren kann.Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem neuen Umfeld ist die Notwendigkeit einer disziplinierten und langfristig orientierten Investitionsstrategie. Die Volatilität auf den Finanzmärkten und die Unsicherheiten durch Handelspolitik und geopolitische Spannungen erfordern von Venture-Capital-Investoren eine erhöhte Risikominderung und eine genauere Prüfung von Geschäftsmodellen und Marktpotenzialen.
Statt auf schnelle Erfolge zu setzen, gewinnen nachhaltige und skalierbare Investments in Unternehmen mit robusten, oft technologiegetriebenen Nutzenversprechen an Bedeutung.Die Auswirkungen der Zölle reichen jedoch weit über die Geldflüsse und Investitionsentscheidungen hinaus. Auch die Struktur der Technologiebranche verändert sich schrittweise. Unternehmen sehen sich gezwungen, Lieferketten neu zu denken, Fertigung und Entwicklung stärker auf den Binnenmarkt auszurichten und zugleich Märkte außerhalb der USA selektiver anzugehen. Dieser Trend hin zur Regionalisierung kann Chancen für lokale Marktteilnehmer schaffen, erhöht aber auch den Wettbewerbsdruck und die Anforderungen an Innovation und Anpassungsfähigkeit.
Weiterhin steht auch die politische Dimension im Mittelpunkt der Debatte. Internationale Investoren und Unternehmen fordern von den politischen Entscheidungsträgern eine klare und vorausschauende Handelspolitik, um Planungssicherheit zu schaffen. Der Handelskrieg trägt zur Verunsicherung bei und kann langfristig das Wachstumspotential des Technologiesektors dämpfen, wenn keine Lösungen gefunden werden. Maßnahmen wie schnellere Versachlichung der Zölle und Abkommen, die den freien Handel fördern, sind aus Sicht vieler Marktteilnehmer essenziell, um das Innovationsklima zu stärken.Für deutsche und europäische Unternehmen und Investoren ergibt sich daraus ein zweischneidiges Bild.
Einerseits bieten die veränderten Bedingungen im US-Markt Chancen, sich als verlässliche Partner und alternative Marktteilnehmer zu positionieren. Andererseits gilt es auch hier, die eigenen Lieferketten und Marktstrategien an die neuen Realitäten anzupassen, um Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und auszubauen. Technologieunternehmen werden daher vermehrt auf regionale Stärken setzen müssen. Kooperationen, Innovationsförderung und eine kluge Balance zwischen globaler Reichweite und lokaler Präsenz sind wichtige Erfolgsfaktoren.Abschließend lässt sich festhalten, dass die Handelspolitik der letzten Jahre einen Paradigmenwechsel in der Technologieinvestition und -entwicklung eingeläutet hat.
Das bisher dominante Paradigma des globalen TAM wird durch ein fokussiertes Denken ersetzt, welches den US-Markt als Basis der Investitionsentscheidung ins Zentrum rückt. Gleichzeitig eröffnen technologische Trends wie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz neue Wachstumschancen und Möglichkeiten zur Resilienz gegenüber wirtschaftlichen Turbulenzen. Für Gründer, Investoren und Politik bedeutet das, strategisch neu zu denken, flexible und widerstandsfähige Geschäftsmodelle zu fördern und die globalen Herausforderungen als Chance für nachhaltige Innovation zu begreifen.