Der Ölmarkt befindet sich derzeit in einer spannungsvollen Phase, in der sich verschiedene geopolitische und wirtschaftliche Einflüsse auf die Preisgestaltung auswirken. Zu den wichtigsten positiven Faktoren gehört die Aussicht auf Fortschritte in den Handelsgesprächen zwischen den USA und China, den größten Verbrauchern von Rohöl weltweit. Diese Gespräche haben das Potenzial, die globalen Nachfrageerwartungen zu verbessern und dem Ölpreis kurzfristig Auftrieb zu verleihen. Dennoch stehen diese Optimismen unter dem Druck anderer Faktoren wie der geldpolitischen Haltung der US-Notenbank (Fed) und der Stärke des US-Dollars, die das Aufwärtspotenzial der Ölpreise begrenzen. Durch den näheren Blick auf die jüngsten Entwicklungen und die verschiedenen Einflussgrößen lassen sich die Marktbewegungen besser verstehen und mögliche Szenarien ableiten.
Die Hoffnungen auf eine Entspannung im Handelsstreit zwischen den USA und China sorgen aktuell für eine vorsichtige Zuversicht am Ölmarkt. Die für den 10. Mai 2025 angesetzten Gespräche in der Schweiz zwischen dem US-Finanzminister Scott Bessent und einem führenden chinesischen Wirtschaftsvertreter haben bereits im Vorfeld die Erwartungen in Bezug auf eine Verbesserung der Handelsbeziehungen und damit der wirtschaftlichen Dynamik wecken können. Da China neben den USA die größte Nachfrage nach Rohöl weltweit generiert, könnten positive Signale aus diesen Verhandlungen zu einer verstärkten Rohölnachfrage führen. Der Markt reagiert entsprechend, indem die Ölpreise Beständigkeit zeigen: Leichtes Rohöl, etwa WTI, stabilisierte sich nahe der 60-Dollar-Marke, während Brent-Öl über 61 Dollar je Barrel notiert.
Diese Preisentwicklung ist insofern bemerkenswert, als sie angesichts verschiedener Gegenfaktoren erfolgt. Dazu zählt unter anderem das OPEC+-Abkommen, das eine Produktionssteigerung für den Juni vorsieht. Die Mitglieder des OPEC+-Kartells planen eine zusätzliche Förderung von rund 411.000 Barrel pro Tag. Dieser Anstieg folgt bereits auf einen ähnlich gelagerten Schritt im Monat zuvor und signalisiert, dass die Förderländer trotz eines bereits gewissen Drucks auf die Preise an ihrer Strategie festhalten, das Angebot deutlich zu erhöhen.
Diese Maßnahme wirkt einer stärkeren Preisrallye entgegen, denn ein größeres Angebot kann zu einem Überhang am Markt führen, besonders wenn die Nachfrage von Seiten der Verbraucher unsicher ist oder sich abschwächt. Neben den Angebotsfaktoren hält auch die Geldpolitik der Zentralbanken den Ölmarkt in Atem. Die US-Notenbank hat ihre Zinspolitik jüngst unverändert gelassen, jedoch mit Hinweisen auf mögliche Inflations- und Beschäftigungsrisiken für die Zukunft. Diese Kommunikation stärkte den US-Dollar, welcher eine bedeutende Rolle bei der Preisgestaltung von Rohstoffen inklusive Öl spielt. Ein stärkerer Dollar verteuert Rohöl für Investoren und Verbraucher, die andere Währungen nutzen, und bremst so den globalen Absatz und die Preisentwicklung.
Diese Wechselwirkung erkauft sich der Ölmarkt häufig mit einem rückläufigen Preisniveau, womit das Aufwärtspotenzial trotz positiver Handelsgespräche eingeschränkt bleibt. Marktanalysten zeigen sich derzeit zwiegespalten in ihren Preisprognosen. Das Forschungsinstitut Citi Research hat ihren Brent-Öl-Preisprognose für die kommenden drei Monate von bisherigen Niveaus auf 55 Dollar je Barrel gesenkt. Dieses Szenario beruht auf der angenommenen Wahrscheinlichkeit eines bevorstehenden US-Iran-Abkommens, das die Sanktionen gegen die iranischen Ölexporte aufheben könnte. Würden die iranischen Exportkapazitäten dann wieder deutlich steigen, wäre mit einem zusätzlichen Angebot zu rechnen, das die Preise vor weiteren Höhenflügen bewahren würde.
Sollte dieses Abkommen verwirklicht werden, könnten die Ölpreise sogar auf rund 50 Dollar fallen. Andererseits könnte das Ausbleiben eines Deals oder eine Eskalation im Nahen Osten die Preise wieder in Richtung 70 Dollar treiben. Auch andere Marktteilnehmer, wie etwa die ANZ Bank, halten ihre kurzfristigen Ölpreisprognosen weiterhin auf rund 55 Dollar und warnen vor Abwärtspotenzialen. Insgesamt reflektieren diese Einschätzungen die anhaltende Unsicherheit am Markt, bei der politische Entwicklungen, inklusive Handel, geopolitische Beziehungen und Produktionsentscheidungen der OPEC+, den Preis stark beeinflussen. Die technischen Unterstützungszonen bei etwa 57,78 Dollar spielen hierbei eine entscheidende Rolle.
Hält der Ölpreis über diesem Niveau, könnten Käufer wieder aktiver werden und versuchen, die Obergrenzen zwischen rund 59,68 und 60,09 Dollar zu durchbrechen. Dieser technische Kampf verweist auf eine Marktphase mit neutraler bis leicht bärischer Tendenz. Zusätzlich zur Hauptakteurskonstellation aus Handelsdialogen, Fördermengen und Währungseinfluss bestimmen makroökonomische Trends die zukünftige Ölpreisentwicklung. Meldungen zu Wachstumsraten, Inflation, Verbrauchervertrauen und Industrieproduktion wirken auf das Nachfrageprofil ein. Ebenfalls im Fokus stehen Informationen aus dem Energiesektor selbst, wie Lagerbestände, Raffineriekapazitäten und alternative Energiequellen.
Diese Vielzahl an Faktoren macht das Rohölpreisgefüge komplex – jede neue Information kann eine deutliche Bewegung auslösen. Die längerfristige Perspektive für Rohöl bleibt auch aufgrund der verstärkten Klimaschutzmaßnahmen und dem Ausbau nachhaltiger Energieträger gemischt. Während klassische fossile Brennstoffe weiterhin für wesentliche Teile der Energieversorgung weltweit sorgen, wächst der Druck auf Unternehmen und Staaten, Emissionen zu reduzieren und den Übergang zu erneuerbaren Quellen zu beschleunigen. Dies sorgt für eine unbekannte Komponente in der Nachfrageentwicklung, die bei längerfristigen Preisprognosen berücksichtigt werden muss. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die aktuellen US-China-Gespräche eine Quelle der Hoffnung für den Ölmarkt bilden, indem sie das Risiko einer weiteren Nachfrageschwäche reduzieren.