Am 17. Juni 2025 hat der US-Senat mit einer deutlichen Mehrheit von 68 zu 30 Stimmen das sogenannte GENIUS-Gesetz verabschiedet, das einen regulatorischen Rahmen für Stablecoins schaffen soll. Diese Maßnahme wurde von Branchenvertretern als bedeutender Schritt zur Klarheit und Stabilität in der stark wachsenden Stablecoin-Branche gefeiert. Gleichzeitig gibt es jedoch ernsthafte Bedenken von Wirtschaftsexperten und Rechtsexperten, die das Gesetz als potenzielle Gefahr für die Stabilität der US-amerikanischen Finanzmärkte erachten, insbesondere im Hinblick auf die Verknüpfung mit dem US-Treasury-Markt. Der vorliegende Text beleuchtet sowohl die Inhalte des Gesetzes als auch die kritischen Stimmen und die möglichen Konsequenzen für das Finanzsystem der Vereinigten Staaten.
Das GENIUS-Gesetz setzt klare Vorgaben für Stablecoin-Emittenten, indem es unter anderem eine vollständige 1:1-Deckung der Stablecoins mit Reserven vorschreibt. Diese Reserven sollen vorzugsweise in US-Dollar und kurzfristigen US-Staatsanleihen gehalten werden. Durch diese Regelung soll das Vertrauen der Nutzer gestärkt und die Transparenz auf dem Markt erhöht werden. Zudem fordert das Gesetz Anti-Geldwäsche-Maßnahmen und stellt Anforderungen an die Anbieter, um eine erhöhte Verbrauchersicherheit zu gewährleisten. Trotz dieser positiven Ziele sorgen sich Fachleute vor allem wegen der Fokussierung auf US-Staatsanleihen als Sicherheiten.
Die Professorin Yesha Yadav von der Vanderbilt University und Brendan Malone, ein ehemaliger Mitarbeiter der Federal Reserve Board, haben bereits in einem Papier eindringlich auf die möglichen Risiken hingewiesen. Ihrer Ansicht nach wird durch die starke Nachfrage nach US-Treasurys als Besicherung der Stablecoins ein erheblicher Druck auf die derzeitigen Liquiditätsverhältnisse im Treasury-Markt ausgeübt. Kurz gesagt bedeutet das, dass die Stablecoin-Industrie, die in den letzten Jahren ein explosives Wachstum erfahren hat, immer größere Mengen an US-Staatsanleihen kaufen muss, um die Regulierungsvorgaben zu erfüllen. Derzeit beläuft sich das ausstehende Volumen an Stablecoins auf etwa 230 Milliarden US-Dollar, ein enormer Anstieg im Vergleich zu nur rund 2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019. Diese rapide Expansion trifft auf einen Treasury-Markt, der bereits in den vergangenen Jahren unter verstärktem Druck durch sinkende Liquidität und Regulierungsanforderungen gelitten hat.
Banken sind heute aufgrund höherer Kapitalanforderungen deutlich zurückhaltender bei der Beteiligung am Treasury-Handel. Gleichzeitig sind automatisierte Handelssysteme und Hochfrequenzhändler aktiv, was zwar zu einer höheren Marktaktivität, aber auch zu komplexeren Marktmechanismen und potenzieller Instabilität führt. Folglich wächst die Sorge, dass bei einem plötzlichen Vertrauensverlust einer größeren Stablecoin-Emission oder gar einer Insolvenz eines Emittenten der Markt für US-Staatsanleihen nicht ausreichend liquid sein könnte, um die benötigten Verkäufe abzufangen. Dies könnte zu einem Kaskadeneffekt führen, bei dem die Preise der Staatsanleihen stark einbrechen, was wiederum die Stabilität der Stablecoins untergraben und systemische Risiken für das gesamte Finanzsystem auslösen würde. Ein weiteres Argument gegen die derzeitige Gestaltung des GENIUS-Gesetzes liegt in der potenziellen Beeinflussung der US-Finanzpolitik.
Da das Gesetz stabile Stablecoins vorrangig mit kurzfristigen Staatsanleihen besichern möchte, könnte dies den typischen Mix der Ausgabenfinanzierung der US-Regierung verändern. Traditionell plant die Regierung langfristige Projekte mithilfe von 10- und 30-jährigen Staatsanleihen, die eine längerfristige Finanzierung sicherstellen. Wenn jedoch kurzfristige Staatsanleihen durch die Anforderungen der Stablecoin-Industrie eine größere Rolle spielen, könnten sich die Finanzierungsstrukturen und die Zinskosten für die Regierung ändern, was wiederum politische und wirtschaftliche Auswirkungen haben könnte. Die Unsicherheit darüber, wie die Aufsicht über dieses komplexe Geflecht von Stablecoins und Treasury-Märkten effektiv organisiert werden kann, bleibt ebenfalls ein Thema der Debatte. Das GENIUS-Gesetz verteilt die Zuständigkeit auf verschiedene Bundesbehörden, darunter das Office of the Comptroller of the Currency (OCC) und die Federal Reserve, während kleinere Stablecoins unter Aufsicht der jeweiligen Bundesstaaten stehen.
Diese Aufteilung erschwert eine einheitliche Regulierung und Überwachung. Professorin Yadav schlägt vor, dass die Federal Reserve oder der Financial Stability Oversight Council die übergreifende Aufsicht übernehmen könnten, um eine bessere Koordination sicherzustellen. Allerdings gibt es bislang keinen etablierten Mechanismus, der eine solche Zusammenarbeit praktikabel macht, was das Risiko von Aufsichtslücken erhöht. Politisch ist das GENIUS-Gesetz ebenfalls nicht unumstritten. Einige politische Akteure, insbesondere Anhänger der Demokratischen Partei wie die Kongressabgeordnete Maxine Waters, äußern starke Kritik.
Sie sind besorgt, dass das Gesetz, das nach ihrer Ansicht von der Kryptoindustrie maßgeblich mitgestaltet wurde, vor allem großen Profiteuren wie dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump zugutekommen könnte, dem in der Kryptoszene eine gewisse Einflussnahme nachgesagt wird. Dieses politische Spannungsfeld könnte die endgültige Verabschiedung des Gesetzes im Repräsentantenhaus erschweren, zumal noch ein weiteres Gesetz namens STABLE Act vorliegt, das auch die Regulierung von Stablecoins anstrebt und mit dem GENIUS-Gesetz abgeglichen werden muss. Der Krypto-Sektor selbst sieht die Verabschiedung des GENIUS-Gesetzes überwiegend positiv, da es lang ersehnte Regulatory Clarity verspricht. Gerade die Sicherheit für Investoren und Nutzer wird hier als großer Fortschritt angesehen. Durch klare Richtlinien könnten auch Innovationen gefördert und eine breitere Akzeptanz von Stablecoins in der Finanzwelt erreicht werden.
Abschließend stellt sich jedoch die Frage, ob das US-Finanzsystem und insbesondere die Treasury-Märkte dem gewaltigen Wachstum der Stablecoin-Branche gewachsen sind. Die Verbindung von digitalem Geld mit traditionellen Staatsfinanzierungsinstrumenten eröffnet neue Möglichkeiten, birgt jedoch auch erhebliche Risiken. Es bedarf einer sorgfältigen Regulierung und Überwachung, die über den Blick auf einzelne Märkte hinausgeht und die Interdependenzen zwischen Stablecoins und der Staatsfinanzierung ganzheitlich betrachtet. Langfristig könnte das GENIUS-Gesetz dazu beitragen, dass Stablecoins als fester Bestandteil der US-Finanzinfrastruktur gelten. Aber nur mit einer abgestimmten Politik zwischen Stablecoin-Regulierern und Aufsehern der Treasury-Märkte lässt sich verhindern, dass die Stabilität des amerikanischen Finanzsystems durch die wachsende digitale Geldwelt gefährdet wird.
Die kommenden Monate im US-Kongress werden zeigen, ob diese Balance gelingt und wie sich das Verhältnis zwischen Blockchain-Technologie und traditioneller Finanzwelt weiterentwickelt.