Im digitalen Zeitalter haben soziale Medien eine zentrale Rolle in der Vernetzung von Menschen übernommen und ermöglichen sowohl den Austausch von Ideen als auch die Verbreitung von Diskursen in Echtzeit. Plattformen wie Reddit bieten großflächige öffentliche Räume für Diskussionen, die von politischen Themen bis hin zu persönlichen Meinungen reichen. Während die Offenheit und Anonymität solche Plattformen prägen, schaffen sie zugleich ein oft fruchtbaren Boden für Hassrede und Radikalisierung. Im Fokus steht hierbei besonders der geschlechtsspezifische Hass – ein Phänomen, das sowohl Frauen als auch Männer betrifft, jedoch ungleich erforscht wurde. Die extremen Subkulturen auf Reddit, die entweder offen misogynistische oder misandrische Haltungen vertreten, bieten einen wertvollen Untersuchungsansatz, um die Dynamik hinter geschlechtsspezifischer Hassrede besser zu verstehen.
Die bisherige Forschung hat Online-Misogynie, also den Hass gegen Frauen, ausführlich thematisiert und zahlreiche soziale und politische Auswirkungen aufgezeigt. Hingegen ist der Hass gegen Männer, auch als Misandrie bezeichnet, bislang deutlich weniger untersucht worden, was eine erhebliche Forschungslücke darstellt. Eine vergleichende Analyse dieser gegensätzlichen jedoch strukturell ähnlichen Communities ist daher unerlässlich, um aufzuzeigen, ob und wie sich diese Formen von Hass unterscheiden. Die Reddit-Communities r/Incels und r/MensRights gelten als Beispiele für misogynistische Gruppen, die verstärkt frauenfeindliche Inhalte verbreiten, während r/Feminism und r/GenderCritical als misandrische, also männerkritische beziehungsweise männerfeindliche Gruppen identifiziert wurden. Der Analyseansatz erstreckt sich über mehrere Ebenen.
Zunächst erfolgt eine linguistische Untersuchung, bei der die verwendete Sprache und deren Frequenz auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede überprüft werden. Überraschenderweise zeigt sich, dass die häufig verwendeten Wörter in den jeweiligen Communities eine hohe Schnittmenge besitzen. Begriffe, die direkt auf das jeweils angegriffene Geschlecht verweisen, wie "Frauen" in misogynen Gruppen und "Männer" in misandrischen Gruppen, sind erwartungsgemäß präsent, doch insgesamt bleiben die sprachlichen Unterschiede gering. Toxizität, also die aggressive und schädliche Ausdrucksweise der Inhalte, wurde mit modernen KI-gestützten Klassifikatoren gemessen. Hierbei offenbaren die misogynistischen Gruppen eine tendenziell höhere toxische Intensität als ihre misandrischen Pendanten.
Dennoch zeigen alle untersuchten Communities eine bimodale Verteilung von Inhalten, bei denen überwiegend entweder sehr harmlose oder äußerst toxische Beiträge verfasst werden. Diese Polarisierung spiegelt die oft radikale Haltung der Mitglieder wider, die sich entweder zurückhaltend oder extrem feindselig gegenüber dem jeweils anderen Geschlecht äußern. Die emotionale Analyse räumt ein, dass der Hass und die negativen Gefühle, die in den Beiträgen zum Ausdruck kommen, unabhängig von der Gruppe eine zentrale Rolle spielen. Die vorherrschenden Emotionen sind Hass, Wut, Furcht und Traurigkeit. Interessanterweise verändern sich die emotionalen Verteilungen, wenn man die Perspektive von einzelnen Nutzern anstelle einzelner Beiträge betrachtet.
Dabei zeigen misandrische Gruppen – speziell die feministisch geprägten – eine stärkere Aggregation negativer Emotionen wie Hass als die misogynistischen Gruppen, was auf emotional tief verwurzelte Frustrationen und aggressive Ideologien hindeutet. Nicht minder wichtig ist der strukturelle Aufbau der Community-Interaktionen. Durch die Abbildung der Nutzervernetzung entstehen Graphen, die das Antwortverhalten und die Diskussionsstrukturen innerhalb der Subreddits sichtbar machen. Die Analyse dieser Soziogramme macht deutlich, dass es zwischen misogynen und misandrischen Gruppen keine signifikanten Unterschiede bei der Netzwerkstruktur gibt. Die Interaktionsmuster folgen einem ähnlichen Power-Law-Verteilungsgesetz, typische Merkmale sozialer Netzwerke.
Auch die Modularität, also der Grad der Clusterbildung innerhalb der Gruppen, zeigt sich bei beiden Gruppen vergleichbar, was auf die Existenz innerer Subgruppen und Diskussionsinseln hindeutet. Diese Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf den Umgang mit geschlechtsspezifischem Hass im Netz. Genderbasierte Online-Hassreden sind ein allgemeines Problem, das nicht ausschließlich einem Geschlecht zugeordnet werden kann. Entsprechend sollten Gegenmaßnahmen wie Moderation, automatisierte Erkennung von Hate Speech und Interventionen zur Nutzerunterstützung geschlechtsneutral gestaltet sein. Die übliche Fokussierung auf Misogynie allein unterschätzt das Ausmaß und die Komplexität von Misandrie, welches ebenso schädlich und weitreichend sein kann.
Um wirksame Strategien zu entwickeln, müssen Plattformen wie Reddit die Sprache und die Codes verstehen, mit denen extremistisches Gedankengut kommuniziert wird. Zudem sind über strafende Maßnahmen hinausgehende Hilfsangebote, etwa psychologische Unterstützung oder Bildungsprogramme, essenziell, um Nutzer aus toxischen Communities herauszuführen und eine nachhaltige Verhaltensänderung zu fördern. Die untersuchten Daten stammen aus groß angelegten Archiven, die einen Zeitraum von mehreren Jahren umfassen. Trotz Aufbereitung und Säuberung der Daten ist die inhärente Vielfalt und Dynamik sozialer Medien sowie die teilweise widersprüchliche Klassifikation von Emotionen und Toxizität eine Herausforderung für eine vollständige und fehlerfreie Analyse. Zudem müssen die Ergebnisse im Kontext von Reddit bezogen werden und lassen sich nicht ohne Weiteres auf andere Plattformen übertragen, die andere Nutzerstrukturen und Diskussionsdynamiken aufweisen.
Abschließend verdeutlicht die vergleichende Analyse, dass geschlechtsspezifischer Online-Hass eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung ist, die von beiden Seiten ausgeübt und erlebt wird. Wissenschaft, Politik und Social-Media-Betreiber sind somit gefordert, geschlechterübergreifende Perspektiven einzunehmen und umfassende Maßnahmen gegen alle Formen von Hassrede zu ergreifen. Nur ein solcher ganzheitlicher Ansatz kann im digitalen Raum zu mehr Respekt, Gleichberechtigung und sozialem Zusammenhalt führen.