Die Volatilität hat für viele Anleger in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten, geopolitischer Spannungen und unvorhersehbarer Marktbewegungen suchen Investoren nach Instrumenten, um sich gegen plötzliche Kursschwankungen abzusichern oder von Marktvolatilität zu profitieren. In diesem Kontext kündigen Roundhill Investments und Tuttle Capital Management spannende Neuheiten an, die den Markt für Volatilitäts-ETFs bereichern könnten. Beide Unternehmen haben Mitte Mai 2025 bei der US-amerikanischen Securities and Exchange Commission neue Produkte angemeldet, welche auf den Cboe Volatility Index (VIX) basieren. Diese ETFs sollen voraussichtlich ab Juli 2025 verfügbar sein und bieten Investoren differenzierte Möglichkeiten, auf die Volatilität zu setzen oder sich abzusichern.
Der VIX gilt als der „Angstindex“ der Wall Street, da er die erwartete Schwankungsbreite des S&P 500 Index misst. Seine hohe Sensitivität auf Marktstress macht ihn zu einem interessanten, aber auch komplexen Handelsobjekt, das nur für geübte Anleger mit Verständnis für kurzfristige Marktbewegungen geeignet ist. Roundhill Investments plant die Einführung von vier neuen ETFs, die auf den sogenannten „S&P 500 VIX Short-Term Futures Points-Change Inverse Daily Index“ referenzieren. Dabei handelt es sich um Fonds, die nicht auf prozentualen Veränderungen des VIX-Futures basieren, sondern die Bewegung in Punkten abbilden. Dies ist ein bedeutendes Unterscheidungsmerkmal zu den meisten bestehenden Volatilitäts-ETFs, die meist die prozentuale Veränderung zugrunde legen.
Die Fonds von Roundhill umfassen sowohl Long-Positionen – also Wetten auf steigende Volatilität – in einfacher und doppelter Hebelwirkung, als auch Short-Varianten, die auf fallende Volatilität setzen. Durch den Fokus auf Punktveränderungen erwartet man eine reduzierte Volatilität in den Produktpreisbewegungen, was den Fonds tendenziell etwas stabiler macht. Analysten wie Bryan Armour von Morningstar betonen, dass diese Konstruktion die ETFs insgesamt „palpabler“, also besser handelbar und für Investoren überschaubarer macht. Trotzdem bleibt die zugrunde liegende Volatilität eine Herausforderung, sodass die Fonds eher eine gedämpfte Form von direkten VIX-ETFs darstellen. Ein großes Problem herkömmlicher Volatilitäts-ETFs ist der sogenannte Future-Roll-Kostenmechanismus.
Da VIX-Futures in der Regel in Contango-Phasen gehandelt werden, also die Zukunftskontrakte teurer sind als die näher liegenden Kontrakte, entstehen regelmäßig Kosten durch den Ausstieg aus dem auslaufenden Kontrakt und den Einstieg in den nächsten. Diese Kosten können sich über lange Anlagezeiträume negativ auf die Performance auswirken. Für inverse VIX-ETFs ist es umgekehrt: Sie profitieren eher von sogenannten Backwardationsituationen, in denen die Zukunftskontrakte günstiger sind. Dabei sind jedoch erhöhte Risiken zu beachten, etwa plötzliche Marktreaktionen, die inverse Produkte sehr anfällig machen. Neben Roundhill will auch Tuttle Capital Management mit zwei neuen Volatilitäts-ETFs den Markt bereichern.
Diese Produkte setzen auf eine inverse Abbildung der VIX-Performance und bieten sowohl eine unhebelte als auch eine zweifach gehebelte Variante. Damit können Investoren auf fallende Volatilität spekulieren sowie ihre Positionen gegen steigende Schwankungen absichern. Die Tuttle-ETFs sind anders konzipiert und orientieren sich näher an bereits existierenden VIX-bezogenen Produkten, verfügen jedoch über einen vergleichsweise moderaten Management-Fee von 1,2 Prozent. Die Sichtweise von Matthew Tuttle, CEO von Tuttle Capital, ist, dass Volatilität nicht grundlos hoch bleibt. In Phasen erhöhter Unsicherheit könne es strategisch sinnvoll sein, auf fallende Volatilität zu setzen.
Dennoch warnen Experten vor den Risiken dieser heftig schwankenden Produkte. Morningstar-Analyst Armour weist darauf hin, dass gehebelte VIX-ETFs zu den größten „Vermögensvernichtern“ (Wealth Destroyers) im ETF-Bereich gehören können. Sie seien deshalb nur für risikofreudige Anleger geeignet, die ihre Investments eng überwachen können und sich der Dynamik der Futures-Märkte bewusst sind. Für Privatanleger sind Volatilitäts-ETFs meist kein Mittel für den langfristigen Vermögensaufbau, sondern eher taktische Werkzeuge zur Risikosteuerung oder zur spekulativen Nutzung von Marktschwankungen. Die Entscheidung für oder gegen Volatilitäts-ETFs sollte stets auf fundierter Kenntnis der Produkte und der Marktdynamik basieren.
Es empfiehlt sich, die Kostenstruktur, Tracking-Methodik und die Hebelwirkung der Fonds genau zu analysieren. Trotz der Herausforderungen bieten die neuen ETFs von Roundhill und Tuttle Capital spannende Ansätze, die Volatilität differenzierter und potenziell etwas risikoärmer abzubilden. Die einzigartige Fokussierung auf Punktveränderungen statt prozentuale Performance macht den Ansatz von Roundhill besonders interessant für Anleger, die von der bisherigen extremen Volatilität vieler VIX-ETFs abgeschreckt sind. Gleichzeitig bieten die inversen Produkte von Tuttle Möglichkeiten, mit fallender Volatilität zu profitieren, allerdings mit Vorsicht und Bewusstsein für das Risiko von Hebelprodukten. Insgesamt sind die Neuzugänge ein Zeichen dafür, dass das Interesse an Volatilität als Anlageklasse weiterhin stark bleibt und die Branche bestrebt ist, neue, innovativere Produkte zu entwickeln.
Für die deutschen Investoren, die über internationale Handelsmöglichkeiten verfügen, könnten diese ETFs eine Ergänzung zum Portfolio darstellen, um mit professionell gemanagten Instrumenten auf unterschiedliche Marktsituationen reagieren zu können. Wichtig ist jedoch, sich mit der Funktionsweise der Volatilitätsindex-Futures und ihren Marktmechanismen auseinanderzusetzen. Auch das Thema Contango, Backwardation und die Rolle von Futures-Rollover sollten verstanden werden, um Fehleinschätzungen zu vermeiden. Experten empfehlen, Volatilitäts-ETFs eher als kurzfristige Handelsinstrumente oder zum Hedging in Betracht zu ziehen, nicht aber als traditionelle Buy-and-Hold-Anlageklasse. Ein tiefergehendes Verständnis und gegebenenfalls professioneller Rat sind daher unverzichtbar.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die ETFs von Roundhill und Tuttle Capital den Markt für Volatilitätsprodukte weiter diversifizieren und Investoren vielfältigere Möglichkeiten geben, mit Marktschwankungen umzugehen. Die neue Ausrichtung auf Punktveränderungen und die inverse Hebelung bieten innovative Alternativen zu den klassischen VIX-ETFs, die dafür bekannt sind, im langfristigen Haltezeitraum erhebliche Wertverluste zu erleiden. Für informierte Anleger eröffnen sich damit interessante Chancen, gleichzeitig machen die Experten deutlich, wie wichtig eine kritische und informierte Betrachtung gerade dieser komplexen Anlageklasse ist. Der laufende Trend hin zu immer differenzierteren Finanzprodukten zeigt, wie dynamisch sich das Feld der ETFs entwickelt. Volatilität bleibt ein zentrales Thema, sowohl für Absicherung als auch für gezielte Renditechancen.
Die nächsten Jahre werden zeigen, wie sich diese neuen Produkte am Markt behaupten. Klar ist, dass Investoren mit Interesse an Volatilitätsstrategien künftig mehr Auswahl und feiner abgestimmte Instrumente zur Verfügung haben werden – vorausgesetzt sie verstehen die komplexen Mechanismen und handeln umsichtig.