Im Mai 2025 veröffentlichte Robert F. Kennedy Jr., Gesundheitsminister der Vereinigten Staaten, gemeinsam mit Ex-Präsident Donald Trump den ersten Bericht der sogenannten Make America Healthy Again (MAHA) Kommission. Der Bericht trägt den Titel „MAHA Report: Make Our Children Healthy Again“ und soll eine umfassende Analyse der Gesundheitslage amerikanischer Kinder liefern. Während der Bericht wichtige Themen wie Ernährung und den Einfluss digitaler Medien auf Kinder anspricht, geriet er rasch in die Kritik, da mehrere zitierten Forschungsstudien offenbar nicht existieren.
Ein zentrales Element des Berichts ist die Behauptung, dass amerikanische Kinder in ihrer Gesundheit zunehmend leiden – unter anderem durch Übermedikation, gefährliche Impfpläne und chronisch schlechte Ernährung. Um diese kontroversen Thesen zu untermauern, werden zahlreiche wissenschaftliche Studien als Belege angeführt. Doch überprüfungen von etablierten Rechercheorganen wie NOTUS deckten auf, dass mindestens sieben der angeführten Quellen entweder falsch zitiert sind oder komplett erfundene Studien darstellen. Ein Beispiel dafür ist die Fehlzitation einer Studie mit dem Titel „Changes in mental health and substance abuse among US adolescents during the COVID-19 pandemic“, die angeblich von der Epidemiologin Katherine Keyes verfasst wurde. Die Studie sollte subjektiv belegen, dass 20 bis 25 Prozent der Jugendlichen Angstzustände und 15 bis 20 Prozent Depressionen entwickelten – mit signifikant höheren Werten bei Mädchen.
Doch weder die betroffene Fachzeitschrift JAMA Pediatrics noch Keyes selbst oder andere angekündigte Koautoren bestätigen die Existenz dieser Arbeit. Keyes erklärte ausdrücklich, dass sie diesen Artikel weder verfasst noch koautoriert habe. Ähnliche Fehler treten auch bei anderen angeblichen Studien auf. So wurde Harold J. Farber als Autor einer Studie bezeichnet, die eine Überverschreibung von oralen Kortikosteroiden bei Kindern mit leichter Asthma-Diagnose diagnostizieren sollte.
Farber dementierte jegliche Beteiligung an solch einer Studie und kritisierte die Überinterpretation von Forschungsdaten in dem Bericht. In einem weiteren Fall war sogar der Autor selbst vermutlich fiktiv – eine besonders schwere Manipulation. Nicht nur inhaltlich, sondern auch formal macht der MAHA-Bericht eine schlechte Figur. Zahlreiche Links führen ins Leere oder Fehlerseiten, Autorenangaben sind falsch oder inkonsistent und viele Quellen fehlen gänzlich. Dieses Gesamtbild lässt wenig Raum für Zweifel daran, dass es sich um eine bewusst geschönte oder gar fabrizierte Datensammlung handelt, die vor allem eins bezweckt: kritische Impfdebatten zu schüren und eine kontrollierte wissenschaftliche Arzneimittelforschung durch staatliche Einrichtungen infrage zu stellen.
Die offizielle Reaktion der US-Regierung auf die Vorwürfe war vielsagend. Auf Nachfragen erklärte White House Press Secretary Karoline Leavitt, man habe „vollstes Vertrauen“ in Robert F. Kennedy Jr. und sein Team. Gleichzeitig machte sie „Formatierungsprobleme“ für die Fehler verantwortlich – eine Erklärung, die in Fachkreisen als sehr dünn angesehen wird.
Zudem verweigerte sie Auskünfte darüber, ob künstliche Intelligenz für die Erstellung des Berichts genutzt wurde. Gerade diese Tatsache wirft neue Fragen zur Integrität und wissenschaftlichen Sorgfalt des Dokuments auf. Die Kritik geht über parteipolitische Grenzen hinaus. Selbst konservative Denkfabriken wie das libertäre Cato Institute veröffentlichten harsche Bewertungen zum report. Die Autoren bemängeln die Diskrepanz zwischen den präsentierten Daten und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen.
So sei die schlechtere Gesundheit der US-Bürger im internationalen Vergleich weniger auf medizinische Präparate oder Impfungen zurückzuführen als auf kulturelle und gesellschaftliche Faktoren wie soziale Ungleichheit, Zugangsbeschränkungen im Gesundheitssystem, erhöhte Verkehrsunfälle oder die hohe Anzahl an Waffentoten. Der Bericht verpflichtet sich indirekt auch zu einem äußerst umstrittenen Thema: der Impfskepsis von Robert F. Kennedy Jr. Während sein offizieller Report verschwurbelte Verschwörungstheorien über Impfungen und Autismus nicht offen anführt, lassen sich mehrdeutige Hinweise finden. So behauptet der Bericht beispielsweise, dass es bislang keine vergleichenden Studien gebe, die die Sicherheit und Wirksamkeit des US-amerikanischen Impfplans im Vergleich zu anderen Ländern klar bestätigen – eine Aussage, die der wissenschaftlichen Realität widerspricht.
Zahlreiche Studien belegen seit Jahrzehnten, dass simultane Impfungen oder nah beieinander verabreichte Vakzine für Kinder sicher sind. Verschiedene Impfpläne europäischer Länder erklären sich vor allem durch unterschiedliche Krankheitshäufigkeiten, finanzielle Möglichkeiten und die Verfügbarkeit von Medikamenten. Diese Einordnung stimmt insofern bedenklich, da Kennedy bereits angekündigt hat, dass er den Einfluss etablierter medizinischer Forschungseinrichtungen reduzieren möchte. Er suggeriert, dass bekannte medizinische Fachzeitschriften wie das Lancet, den New England Journal of Medicine oder JAMA korrupt seien und will deren Veröffentlichungen zukünftig meiden. Stattdessen kritisierte er die wissenschaftlichen Institutionen dafür, nicht seine Sicht auf Gesundheit und Medizin zu vertreten.
Das Vorhaben, die Führung der Gesundheitsbehörden von diesen etablierten Forschungsgremien loszulösen, ist sowohl wissenschaftlich als auch gesellschaftlich heikel. Es birgt die Gefahr, dass zukünftig weniger geprüfte und transparente Daten als Grundlage für gesundheitspolitische Entscheidungen herangezogen werden. Dies könnte dazu führen, dass Fehlinformationen sich verbreiten und das Vertrauen der Bevölkerung in das Gesundheitssystem weiter leidet. Vor dem Hintergrund der Ernsthaftigkeit und Tragweite gesundheitlicher Entscheidungen ist es umso wichtiger, wissenschaftliche Berichte sorgfältig zu prüfen und eindeutig belegbare Fakten anzuführen – besonders wenn diese Berichte von politischen Institutionen veröffentlicht werden, die das öffentliche Vertrauen genießen sollten. Ein Bericht, der bewiesenermaßen mit nicht existierenden Studien arbeitet und falsche Zitate verbreitet, gefährdet dieses Vertrauen grundlegend.