Die Entscheidung von Binance, den Handel mit der nigerianischen Landeswährung Naira einzustellen, ist ein bemerkenswerter Schritt in einem zunehmend angespannten Umfeld zwischen Kryptowährungen und staatlichen Institutionen in Nigeria. Als größte Volkswirtschaft Afrikas und eines der Länder mit der weltweit höchsten Krypto-Akzeptanz steht Nigeria an der Front einer sich entwickelnden Debatte über die Rolle digitaler Währungen in nationalen Finanzsystemen. Die Maßnahme der Regulierungsbehörden und die Reaktion von Binance spiegeln gleichzeitig Chancen und Herausforderungen wider, denen sich der gesamte afrikanische Kontinent im Bereich der Fintech-Entwicklung gegenübersieht. Der Hintergrund dieser Entwicklung ist eng mit der wirtschaftlichen Situation Nigerias und insbesondere mit dem Wertverlust des Naira verbunden. Seit der Floating des Naira im Mai 2023 hat die Landeswährung dramatisch abgewertet und bewegt sich von etwa 410 Naira pro US-Dollar auf offiziellem Markt auf bis zu 1.
600 Naira und teilweise sogar 1.900 Naira auf dem Schwarzmarkt. Die anhaltende Schwäche des Naira belastet die Wirtschaft und führt zu erheblichen Inflationserwartungen sowie wachsender Unsicherheit bei Investoren und Verbrauchern. In diesem Kontext haben sich Kryptowährungen bei vielen Nigerianern als alternatives Mittel etabliert, um Werte zu bewahren und internationale Transaktionen durchzuführen. Die Zentralbank Nigerias (CBN), repräsentiert durch Gouverneurin Olayemi Cardoso, hat Cryptobörsen wie Binance jedoch wiederholt für Geldwäsche und illegale Finanzflüsse verantwortlich gemacht.
Laut Cardoso seien in einem Jahr über 26 Milliarden US-Dollar durch Binance in Nigeria geflossen, ohne dass die Herkunft dieser Gelder zu 100 Prozent nachvollziehbar sei. Diese Aussagen unterstreichen die Sorgen der Regulierung, die zunehmend Druck auf Krypto-Plattformen ausübt, die Einhaltung von Finanzvorschriften sicherzustellen. Die Gefahr von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Kapitalflucht wird als existenzielle Bedrohung für Nigerias wirtschaftliche Stabilität angesehen. Interessanterweise stand auch der Gründer von Binance, Changpeng Zhao, im Zusammenhang mit der Verletzung von US-Gesetzen zur Bekämpfung von Geldwäsche, was das Misstrauen gegenüber der Plattform zusätzlich verstärkte. Angesichts solcher Vorwürfe musste Binance die Konsequenzen ziehen und kündigte per E-Mail an seine Nutzer in Nigeria an, dass alle Dienste, die den Naira betreffen, zum 8.
März 2024 eingestellt würden. Damit können Nutzer weiterhin andere Kryptowährungen handeln, jedoch kein naira-bezogenes Geschäft mehr abwickeln. Die Entscheidung wurde begleitet von Berichten, wonach zwei Binance-Mitarbeiter, die zur Verhandlungsaufnahme in Nigeria waren, von den Behörden festgehalten und ihnen die Pässe entzogen wurden. Obwohl diese Festnahmen von offizieller Seite nicht bestätigt wurden, zeigt sich hier die harte Linie der Regierung im Umgang mit Kryptowährungen. Sogar die Möglichkeit von Haftbefehlen gegen Binance-Führungskräfte wird diskutiert, da diese auf Einladung der Regierung nicht reagierten.
Die nigerianische Regierung wirft Binance vor, durch ihre Aktivitäten die Rolle der Zentralbank bei der Steuerung der Wechselkurse zu untergraben. Medienberater des Präsidenten, Bayo Onanuga, bezeichnete Binance sogar als „Wirtschaftssabotage“ und beklagte, dass externe Akteure über das Internet den Naira-Exchange-Rate „hijacken“ würden. Vor dem Hintergrund dieser Vorwürfe erklärt sich das entschlossene Vorgehen der Behörde gegen die Plattform. Dabei steht Nigeria nicht für eine einseitige Ablehnung von Kryptowährungen. Im Gegenteil, Präsident Bola Tinubu äußerte sich bei seiner Amtseinführung 2023 positiv gegenüber einer Regulation, die Innovationen in diesem Bereich zulasse und gleichzeitig Risiken mindere.
Die Zentralbank hatte zwar 2021 den Banken verboten, Krypto-Transaktionen zu unterstützen, und Konten mit Bezug zu Krypto geschlossen, doch die Nachfrage nach digitalen Währungen blieb weiterhin hoch. Peer-to-Peer-Handel entwickelte sich als wichtigste Form, über die Nigerianer weiterhin aktiv Kryptowährungen nutzen konnten. Die globale Analysefirma Chainalysis platzierte Nigeria 2023 auf Rang zwei beim weltweiten Krypto-Adoptionsindex, was die immense Popularität digitaler Assets im Land belegt. Gerade junge Menschen und Unternehmer schätzen den flexiblen Zugang zu Finanzdienstleistungen, den traditionelle Banken oft nicht bieten können. Damit stellt die aktuelle Restriktion von Binance und anderen Plattformen eine Herausforderung für den Finanzmarkt und die digitale Transformation in Nigeria dar.
Branchenexperten fordern daher eine ausgewogenere Regulierung, die zwischen der Gefahr von Finanzkriminalität und der Förderung von Innovationen balanciert. Arushi Goel von Chainalysis betont die Notwendigkeit klarer Regeln, um ökologische Stabilität zu gewährleisten und gleichzeitig das Wachstum des Kryptosektors zu ermöglichen. Diese Balance ist essenziell, um das Potenzial der Technologie für wirtschaftliche Entwicklung nicht zu blockieren. Ökonomische Institutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) sehen dagegen in der aktuellen Schwäche des Naira, der hohen Inflation und der restriktiven Geldpolitik starke Belastungsfaktoren für Nigerias Wirtschaft im Jahr 2024. Die Einschränkung von Kryptowährungen könnte weitere negative Effekte auf die Verfügbarkeit von Devisen haben, da digitale Transfers oft wichtige Quellen für ausländische Kapitalzuflüsse sind.
Ray Youssef, CEO eines Peer-to-Peer-Krypto-Marktplatzes, warnt davor, dass das aktuelle Vorgehen „Nigeria von mehr ausländischer Währung abschneiden und den Naira weiter schwächen“ könnte. Insgesamt zeigt sich, dass die Entwicklung um Binance in Nigeria exemplarisch für den komplexen Umgang mit Kryptowährungen in Schwellenländern ist. Auf der einen Seite bieten digitale Währungen innovative Lösungen für den internationalen Geldtransfer und finanzielle Inklusion, auf der anderen Seite wird das Fehlen klarer Regulierungen oft als Einfallstor für illegale Aktivitäten gesehen. Die Zukunft der Kryptowährungen in Nigeria wird daher maßgeblich von der Fähigkeit der Regierung und der Kryptoindustrie abhängen, kooperativ einen rechtssicheren Rahmen zu schaffen, der sowohl Verbraucherschutz als auch wirtschaftliche Stabilität gewährleistet. Ob Binance sich künftig neu positionieren wird oder andere Akteure den Markt unter veränderten Bedingungen prägen, bleibt abzuwarten.
Fest steht jedoch, dass Nigeria weiterhin eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung der digitalen Finanzwelt Afrikas einnimmt und die Balance zwischen Innovation und Regulierung ein sensibles Thema bleibt.