Die Steuererklärung ist für viele Menschen in den USA trotz technologischer Fortschritte und moderner Softwarelösungen immer noch eine komplexe und zeitraubende Aufgabe. Während in anderen Ländern bereits Überlegungen bestehen, die Steuererklärung für die Mehrheit der Bürger automatisiert zu erstellen, bleibt der amerikanische Weg weiterhin geprägt von individueller Berechnung und Einreichung der Steuerformulare. Besonders im Jahr 2025 wird deutlich, warum das Internal Revenue Service (IRS) die Bürger weiterhin dazu zwingt, ihre Steuern selbst zu berechnen. Um die Hintergründe dieses Systems zu verstehen, muss man sowohl in die Geschichte als auch in gegenwärtige wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen eintauchen. Die Idee eines vereinfachten Steuersystems und die Vision einer sogenannten „Steuerrückgabe ohne Steuererklärung“ haben eine lange Tradition in Amerika.
Bereits in den 1980er Jahren setzte sich Präsident Ronald Reagan für ein System ein, bei dem einfache Steuerzahler keine komplizierten Steuererklärungen mehr abgeben müssten. Laut damaliger Vorstellung sollte das Finanzamt entsprechende Rückerstattungen automatisch berechnen und Zahlungen oder Forderungen ohne weiteren Aufwand für den Bürger abwickeln. Dieses Modell sah vor, dass lediglich komplexere Fälle oder solche, die mit dem vorgeschlagenen Betrag nicht einverstanden sind, eine herkömmliche Steuererklärung einreichen würden. Die Utopie eines automatisierten Systems schien damals zum Greifen nah. Doch trotz dieser vielversprechenden Ansätze wurde aus dem Traum eines einfachen Steuerverfahrens nichts.
Die Realität sah anders aus: Der Steuerrechtsdschungel wurde in den folgenden Jahrzehnten immer unübersichtlicher. Das amerikanische Steuersystem entwickelte sich zu einem komplexen Gebilde mit zahlreichen Ausnahmen, Sonderregelungen und verschiedenen Einkommensarten. Diese Komplexität machte es für viele Menschen schwierig, ihre Steuern selbst zu berechnen, und führte gleichzeitig zu einem florierenden Markt für Steuerberatungs- und Vorbereitungsdienste. Die Koexistenz von privater Profitwirtschaft und staatlicher Steuererhebung ist ein entscheidender Faktor, warum das automatisierte Steuersystem nicht Einzug gehalten hat. Die kommerzielle Steuerberatungsbranche hat sich als einflussreicher Akteur im politischen Prozess etabliert.
Sie verfügt über erhebliche Lobbykapazitäten, um Änderungen zu verhindern, die ihre Geschäftsgrundlage gefährden könnten. Diese Unternehmen argumentieren, dass sie durch ihre Dienstleistungen Steuerfehler vermeiden und Steuerhinterziehung verhindern helfen. Zudem profitieren sie von der Komplexität des Steuersystems, da diese Komplexität die Nachfrage nach ihren Services konstant hochhält. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Beschränkung der staatlichen Möglichkeiten zur Bereitstellung kostenloser oder automatisierter Steuerhilfe. Der IRS unterhält zwar seit einigen Jahren das Free File Programm, eine Partnerschaft mit öffentlichen Softwareanbietern, die es ermöglicht, einfache Steuererklärungen kostenfrei einzureichen.
Doch aufgrund politischer Vereinbarungen mit der Privatwirtschaft ist der IRS selbst daran gehindert, eine eigens entwickelte, tatsächlich kostenlose und vollautomatisierte Plattform anzubieten. Dies bindet die Ressourcen des Finanzamtes und beschränkt das Angebot für den Durchschnittsbürger. In der jüngeren Vergangenheit wurde immer wieder versucht, das System zu reformieren. So schlug Austan Goolsbee, Chefökonom unter Präsident Barack Obama, 2006 eine „einfache Steuererklärung“ vor, welche das Finanzamt eigenständig ausfüllen würde. Die Bürger hätten diese nur noch prüfen und Freigabe erteilen müssen.
Er kalkulierte Einsparungen von mehreren Milliarden US-Dollar an Steuerberatungskosten. Trotz des klaren Nutzens für Steuerzahler und Staat verhinderten politische Gegenspieler dieses Vorhaben. Dazu zählt insbesondere die konservative Gesetzgebungsmehrheit und Interessenverbände, die aus kommerziellen Gründen kein Interesse an einem vereinfachten, staatlich kontrollierten Verfahren haben. 2025 lässt die Steuerlandschaft in den USA also weiterhin den individuellen Steuerzahler selbst rechnen, prüfen und seine Steuererklärung abgeben. Die Hintergründe liegen in einem Zusammenspiel von historischen Fehlentscheidungen, politischen Lobbyeinflüssen und wirtschaftlichen Interessen.
Während das technologische Potenzial längst vorhanden ist, hindern wirtschaftliche Profiteure und politische Blockaden den Wandel in ein nutzerfreundliches und automatisiertes System. Für viele amerikanische Bürger bedeutet dies, weiterhin Zeit, Energie und Geld in die Steuererklärung zu investieren. Steuerberatung bleibt ein lukrativer und wachsender Markt, und die Komplexität des Steuersystems gibt Grund zum Zweifel, ob sich hier bald etwas zum Besseren ändern wird. Auch wenn theoretisch ein vereinfachtes System möglich wäre, bräuchte es mutige politische Entscheidungen, um alte Strukturen aufzubrechen und den Steuerzahler zu entlasten. Zusammenfassend steht die in 2025 noch immer gültige Pflicht zur Selbstberechnung der Steuern symbolisch für den ungelösten Konflikt zwischen öffentlichem Interesse an Einfachheit und ökonomischen Interessen an Komplexität.
Solange diese Spannungen bestehen und sich nicht zugunsten der Bürger verändern, wird die Steuererklärung eine herausfordernde und vielfach ungeliebte Aufgabe bleiben. Die Geschichte zeigt: Veränderung ist möglich, aber nur mit ausreichend politischem Willen und dem Mut zur Reform.