Der Aktienmarkt gilt seit jeher als Nervenzentrum der Wirtschaft, an dem Milliardenwerte in Sekunden entstehen oder verloren gehen können. In Zeiten der digitalen Vernetzung hat sich besonders eine Facette des Marktes verändert: die Kommunikation. Durch soziale Medien, Diskussionsforen und Echtzeit-Updates sind Anleger heute präsenter denn je und teilen laufend ihre Meinungen, Analysen und Prognosen. Doch während dieser Kommunikationsboom auf den ersten Blick nach einem Gewinn für die Markttransparenz und Beteiligung aussieht, zeigt eine neue Studie, dass das viele Gerede sogar die Renditen negativ beeinflussen kann. Eine wissenschaftliche Untersuchung mit dem treffenden Titel „Market Signals from Social Media“ beleuchtet die Auswirkungen von Social-Media-Aktivitäten auf die Börsenentwicklung zwischen 2013 und 2021.
Die Forscher analysierten Millionen von Beiträgen auf Plattformen wie StockTwits, Seeking Alpha und Twitter (bzw. X) hinsichtlich ihrer Stimmung und Häufigkeit. Ihr Ergebnis war verblüffend deutlich: Je mehr in sozialen Medien über Aktien gesprochen wird, desto schlechter fällt die Rendite im Folgezeitraum von 20 Tagen aus. Insbesondere eine hohe Frequenz an Beiträgen, die vor allem durch steigendes Handelsvolumen ausgelöst wird, geht mit einer Fortsetzung negativer Renditen einher. Das zugrundeliegende Phänomen lässt sich mit der sogenannten Lost-Aversion-Theorie begründen, die besagt, dass negative Nachrichten und Stimmungen stärker wahrgenommen werden als positive.
Schlechtes Nachrichtenmaterial erzeugt nicht nur mehr Aufmerksamkeit, sondern intensiviert auch die Reaktionen der Anleger. Diese erhöhte Aufmerksamkeit ist demnach kein positives Signal, sondern ein Warnhinweis auf eine bevorstehende Marktkorrektur. Interessanterweise zeigt die Studie auch, dass die Stimmung der Beiträge von vergangenen Kursentwicklungen beeinflusst wird. Positive Kurse führen zu positiver Stimmung, die sich allerdings bald wieder umkehrt. Gleichzeitig reagiert die Frequenz der Posts auf das Handelsvolumen vergangener Tage.
Das deutet darauf hin, dass emotionale Reaktionen und verstärkte Kommunikation oft eine Folge der Marktbewegungen sind, nicht deren Ursache. Aus praktischer Sicht wurden die Erkenntnisse sogar in eine Handelsstrategie umgesetzt. Diese Strategie, die sich darauf stützt, in Phasen hoher Social-Media-Aktivität zurückhaltend zu agieren oder sogar gegensätzlich zu handeln, erzielte eine durchschnittliche Überrendite von 4,6 Prozent und eine Sharpe-Ratio von 1,2 – eine Kennzahl, die das Risiko im Verhältnis zum Gewinn misst. Diese Werte sind in der Welt der professionellen Vermögensverwaltung als sehr solide zu bewerten. Für Privatanleger und professionelle Investoren bedeuten diese Ergebnisse vor allem eines: mehr Ruhe bewahren und nicht jeder Meinung in sozialen Medien nachlaufen.
Während es verlockend ist, bei jedem neuen Hype oder Panikmache auf Twitter mitzuspringen, kann genau dieses Verhalten die eigenen Investitionen gefährden. Statt sich von der Flut an Informationen und Meinungen treiben zu lassen, empfiehlt es sich, eine klare Strategie zu verfolgen und emotionale Entscheidungen zu vermeiden. Das Paradox des Kommunikationszeitalters liegt darin, dass mehr Informationen nicht automatisch bessere Entscheidungen bedeuten. Im Gegenteil, die Überflutung mit Nachrichten, Tweets und Posts kann zu irrationalem Verhalten und überschießenden Marktreaktionen führen. Der Schlüssel zum Erfolg im Aktienmarkt könnte also weniger im Konsumieren von Informationen liegen, sondern vielmehr im bewussten Filtern und zeitweiligen Abschalten der übermäßigen sozialen Medienaktivitäten.
Neben der reinen Quantität der Beiträge spielt auch die Qualität der Informationen eine Rolle. Viele Social-Media-Posts enthalten Spekulationen, Halbwahrheiten oder Emotionen, die die Marktstimmung kurzfristig beeinflussen, aber keine nachhaltigen Entwicklungen befeuern. Anleger sollten daher skeptisch bleiben und sich auf fundierte Analysen und verlässliche Quellen stützen. Darüber hinaus unterstreicht die Studie, dass traditionelle Medienangebote wie Zeitungen und Finanznachrichten weniger präzise Signale für kurzfristige Marktveränderungen liefern als die sozialen Medien. Dennoch ist die ausschließliche Orientierung an Social-Media-Stimmungen riskant, vor allem weil sich diese Stimmungen schnell ändern und oft auf Gerüchten basieren.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Zeitperiode der Untersuchung, die bedeutende Ereignisse wie den Börsen-Bullenmarkt von 2013 bis 2015, den Handelsstreit mit China 2018/19 und den Beginn der COVID-19-Pandemie umfasst. Diese Ereignisse zeichnen sich durch hohe Volatilität und Unsicherheit aus – Faktoren, die soziale Medien stärker aufladen und damit die beobachteten Effekte verstärken könnten. Speziell in Phasen großer Unsicherheit neigen Anleger dazu, sich auf soziale Medien zu stützen, um schnelle Informationen zu erhalten oder Meinungen zu sammeln. Gerade dann, wenn schlechte Nachrichten dominieren, steigert das die Aufmerksamkeit und die Flut an Posts, was wiederum negative Folgen auf die Marktentwicklung haben kann. Dieses Verhalten bestätigt die Grundannahmen der Forscher, dass erhöhte Frequenz und negative Stimmung eine Art Warnsignal darstellen.
Für jeden, der auf dem Aktienmarkt erfolgreich sein möchte, gibt es aus den Forschungsergebnissen klare Botschaften: Erstens sollte man die Menge an konsumierten Social-Media-Beiträgen reduzieren. Zweitens ist es ratsam, sich nicht durch kurzfristige Stimmungsschwankungen im Netz zu emotionalisieren oder zum Handeln drängen zu lassen. Drittens kann eine Strategie, die die Verringerung der Aufmerksamkeit in sozialen Medien als Signal für günstige Kaufgelegenheiten nutzt, effektiv sein. Im Kern geht es also darum, Ruhe zu bewahren und nicht jedem Trend sofort zu folgen. Das Investmentverhalten sollte von rationalen Überlegungen, fundierten Analysen und langfristigen Zielen geprägt sein – nicht von der lauten und oft chaotischen Welt der sozialen Medien.
Anleger, die sich diesen Grundsatz zu eigen machen und gelegentlich auch bewusst „den Mund halten“ beziehungsweise „den Social-Media-Rausch abschalten“, können sich einen klaren Wettbewerbsvorteil verschaffen. Abschließend lässt sich sagen, dass in unserer Ära der ständigen Verbindung und des Informationsüberschusses weniger manchmal mehr sein kann. Gerade für diejenigen, die im Aktienmarkt erfolgreich Geld verdienen wollen, kann die kluge Beschränkung und das bewusste Ignorieren bestimmter Informationsquellen zu besseren Entscheidungen und höheren Renditen führen. Wer also in Zukunft an der Börse auf der sicheren Seite sein will, sollte wohlmöglich erst einmal eins tun: schweigen.