Dave Ramsey, der bekannte amerikanische Finanzexperte und Radiomoderator, gilt als eine der lautstarken Stimmen in der persönlichen Finanzplanung. Seine Ansätze sind oft unkonventionell und polarisieren die Meinungen in der Finanzwelt. Besonders mit seiner sogenannten 8%-Regel für den Ruhestand sorgte er für Diskussionen unter Anlegern, Finanzberatern und Ruheständlern. Während die etablierten Entnahmeregeln, wie die weithin verbreitete 4%-Regel, konservative Ansätze verfolgen, fordert Ramsey dazu auf, jährlich 8% des Anfangsvermögens zu entnehmen. Die Frage stellt sich jedoch: Wie realistisch und sicher ist diese Regel im realen Leben und für durchschnittliche Sparer hierzulande? In diesem Beitrag erfolgt eine ausführliche Betrachtung der Grundlagen von Dave Ramseys 8%-Regel, deren praktische Umsetzung und der Herausforderungen, die sich aus wirtschaftlichen Schwankungen ergeben, insbesondere im deutschen und globalen Kontext.
Zunächst einmal ist es wichtig, den Unterschied zwischen der 4%- und der 8%-Regel überhaupt zu verstehen. Die 4%-Regel stammt aus einer umfassenden Studie und wird von vielen Finanzexperten als Goldstandard für eine nachhaltige Entnahmerate angesehen. Sie besagt, dass Rentner im ersten Jahr der Pensionierung 4% ihres Gesamtportfolios abheben können. In den Folgejahren wird die Entnahme inflationsbereinigt angepasst, um die Kaufkraft zu bewahren. Diese Methodik zielt darauf ab, das Vermögen über die gesamte angenommene Restlebensdauer auszudehnen und das Risiko eines vorzeitigen Verbrauchs zu minimieren.
Im Gegensatz dazu plädiert Dave Ramsey für eine deutlich höhere Entnahmerate von 8% jährlich. Sein Argument fußt auf der Annahme, dass das Aktienmarktportfolio eine durchschnittliche Rendite von 10% bis 11% pro Jahr generiere. Diese Rendite soll die 8% Entnahme sowie die Inflation mehr als ausgleichen. Konkret bedeutet das: Mit einem Startvermögen von 500.000 US-Dollar könnten im ersten Jahr 40.
000 US-Dollar entnommen werden. Steigt die Inflation um 3%, erhöht sich die Entnahme im zweiten Jahr auf 41.200 US-Dollar und so weiter. Die Idee dahinter ist, dass die Renditen des Aktienmarkts langfristig hoch genug sind, um die höhere Entnahme zu tragen, während bei der 4%-Regel eher eine konservative Risikoabsicherung im Vordergrund steht. Obwohl dieses Konzept verführerisch klingt, ist die Praxis nicht ganz so einfach.
Die Performance an den Aktienmärkten folgt keinem stetigen Verlauf, sondern unterliegt Schwankungen, die für Rentner existenzielle Konsequenzen haben können. So gab es in den letzten Jahrzehnten Phasen mit längeren Baisse-Märkten, die das Portfolio stark dezimieren und hohe Entnahmen bei gleichzeitig sinkendem Kapital erschweren oder gar unmöglich machen. Im Gegensatz zur 4%-Regel, die als vorsichtig kalkuliert gilt, kann die 8%-Regel während solcher Krisenzeiten zu einer schnellen Entleerung des Vermögens führen. Ein weiterer entscheidender Faktor ist die individuelle finanzielle Ausgangssituation. Die meisten Deutschen sowie US-Amerikaner verfügen bei Eintritt in den Ruhestand nicht über ein Vermögen, das sich so komfortabel planen lässt wie in theoretischen Modellen.
Durchschnittliche Rentenersparnisse liegen häufig deutlich unter den empfohlenen Summen. Die in der ursprünglichen Analyse genannten Zahlen spiegeln den Median und Durchschnitt wider, welche oft weit unter dem Wert liegen, der für eine 8%-Entnahme sicher erscheint. Darüber hinaus ist die Annahme, das gesamte Portfolio in Aktien anzulegen, mit einem hohen Risiko verbunden. Aktien sind zwar auf lange Sicht wachstumsstark, aber auch volatil. Besonders in hohen Lebensjahren ist es nicht ratsam, das gesamte Vermögen diesem Risiko auszusetzen, da unerwartete Marktrückgänge die finanzielle Sicherheit gefährden.
Viele Finanzberater empfehlen daher eine breite Diversifikation, um sowohl Wachstumschancen als auch Stabilität zu gewährleisten. Der Zeitpunkt des Ruhestands spielt ebenfalls eine große Rolle für die Anwendbarkeit der 8%-Regel. Je später Menschen in den Ruhestand gehen, desto kürzer ist die erwartete Rentenbezugsdauer und desto höher sind meist auch die Sozialleistungen. Ein späterer Ruhestand kann also ein großer Pluspunkt für die höhere Entnahmerate sein. Wer bereits mit 65 oder sogar früher in Rente geht, läuft dagegen ein größeres Risiko, dass die Mittel nicht ausreichen.
Interessanterweise weisen Statistiken darauf hin, dass die Rentenersparnisse in vielen Altersgruppen deutlich unter den für Dave Ramseys Regel idealen Summen liegen. Während der Durchschnitt der Rentenersparnisse in der Gesamtbevölkerung bei etwa 334.000 US-Dollar liegt, weist der Median einen noch niedrigeren Wert von rund 87.000 US-Dollar aus. Gerade bei jüngeren Generationen, wie den Millennials oder der Generation Z, ist der Sparbetrag zum Ruhestand noch geringer.
Dies zeigt die große Lücke zwischen Theorie und Realität, wenn es um aggressive Entnahmemodelle geht. Die Inflation stellt ein weiteres Problem dar. Zwar wird sie in Ramseys Modell berücksichtigt, doch höhere Inflationsraten, als sie in der Vergangenheit üblich waren, können das verfügbare Kapital schneller aufzehren. In Zeiten wie heute, mit steigenden Lebenshaltungskosten und globalen wirtschaftlichen Unsicherheiten, bedarf es einer flexibleren und vorsichtigeren Planung. Zusätzlich sind psychologische Faktoren nicht zu unterschätzen.
Eine hohe Entnahme von 8% bedeutet oft, auf einen großzügigen Lebensstandard angewiesen zu sein, der den finanziellen Druck erhöht. Im Gegensatz dazu zielt die 4%-Regel auch auf ein behutsameres Ausgabeverhalten, das die finanzielle Sicherheit in der zweiten Lebenshälfte besser gewährleistet. Menschen, die einen konservativen Lebensstil bevorzugen oder sich mehr Sicherheit wünschen, sind möglicherweise mit einer niedrigeren Entnahmerate glücklicher. Abschließend lässt sich sagen, dass Dave Ramseys 8%-Regel grundsätzlich nur für einen kleinen Kreis von gut aufgestellten Anlegern realistisch ist, vor allem für diejenigen, die später in Rente gehen und ein großes Aktienportfolio besitzen, das hohe Renditen erzielen kann. Für die breite Masse, die mit deutlich weniger Kapital und konservativeren Anlageportfolios das Rentenalter erreicht, ist diese Regel riskant und birgt die Gefahr, das Ersparte vorzeitig zu verbrauchen.
Wer plant, diese Strategie zu verfolgen, sollte sich intensiv mit seiner individuellen Lebenssituation, seinen Zielen und seiner Risikotoleranz auseinandersetzen und idealerweise professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Letztlich gilt: Finanzielle Sicherheit im Ruhestand basiert nicht nur auf der Höhe der Entnahmerate, sondern auf einer ganzheitlichen und realistischen Planung, die auch Marktschwankungen, Inflation und persönliche Bedürfnisse berücksichtigt.