Gilead Sciences, eines der führenden biopharmazeutischen Unternehmen weltweit, hat im April 2025 einer Zahlung von 202 Millionen US-Dollar an die US-Regierung sowie verschiedene Bundesstaaten zugestimmt, um zivilrechtliche Vorwürfe beizulegen. Die Anschuldigungen beziehen sich auf den Einsatz von sogenannten Speaker-Programmen, über die Ärzte honoriert worden sein sollen, um die Verschreibung von Gileads antiretroviralen Medikamenten zur Behandlung von HIV zu fördern. Diese Programme, die zwischen 2011 und 2017 aktiv waren, sollen unter anderem hohe Sprecherhonorare, luxuriöse Mahlzeiten, alkoholische Getränke und teure Reisen umfasst haben, welche genutzt wurden, um Ärzte zu motivieren, bestimmte Medikamente wie Biktarvy, Descovy und andere Gilead-Produkte zu verschreiben. Die US-amerikanischen Behörden argumentieren, dass diese Art von Anreizen einen Verstoß gegen den Anti-Kickback-Statut darstellt, ein Gesetz, das darauf abzielt, unethische Finanzanreize im Gesundheitswesen zu unterbinden, die zu einer unangemessenen Beeinflussung der medizinischen Verschreibungen führen können. Die Folge war, dass von Medicare, Medicaid und anderen Bundesgesundheitsprogrammen Zahlungen für auf diese Weise beeinflusste Verschreibungen geleistet wurden, was als falsche Ansprüche im Sinne des False Claims Act gewertet wird.
Der Fall gegen Gilead Sciences wurde zunächst durch eine sogenannte Qui-tam-Klage eingeleitet, eine Rechtsform, die es Privatpersonen erlaubt, im Namen der Regierung gegen Unternehmen vorzugehen, wenn diese gegen Bundesgesetze verstoßen. Dr. Paul Bellman, ein HIV-Spezialist aus New York, reichte die Klage 2016 unter Verschluss ein und erhielt später die Unterstützung der US-Staatsanwaltschaft. Die Qui-tam-Kläger können dabei einen Teil der staatlichen Erträge aus einer Einigung erhalten, was Anreize schafft, Missstände aufzudecken. Im Rahmen der Einigung zahlt Gilead knapp 177 Millionen Dollar an die Bundesregierung und den Rest an verschiedene US-Bundesstaaten.
Obwohl der Betrag erheblich ist, betont das Unternehmen, dass es die Zahlung akzeptiere, um die Kosten und Ablenkungen durch einen langwierigen Rechtsstreit zu vermeiden und dass die Speaker-Programme auch der Information von Gesundheitsfachkräften dienten. Gleichzeitig bleibt Gilead bei seiner öffentlichen Darstellung, dass die Therapien weltverändernde Behandlungsmöglichkeiten bieten und weiterhin Innovationen im HIV-Bereich vorangetrieben werden. Die gerichtliche Entscheidung ist Teil einer größeren Entwicklung in der Regulierung von Pharmafirmen, insbesondere bei der Überwachung von Marketingpraktiken, die den Verschreibungsprozess beeinflussen könnten. Die vergleichbare Rechtssache gegen Janssen Products, eine Tochtergesellschaft von Johnson & Johnson, mit einer Strafe von über 1,6 Milliarden Dollar für unzulässige Promotion von HIV-Medikamenten zeigt die Intensität und Konsequenz staatlicher Untersuchungen auf diesem Gebiet. Die finanziellen Auswirkungen auf Gilead sind nicht zu unterschätzen, dennoch verzeichnen die HIV-Produkte des Unternehmens weiterhin starkes Umsatzwachstum.
Im ersten Quartal 2025 stiegen die Verkäufe von Biktarvy um 7 Prozent auf 3,1 Milliarden US-Dollar, während Descovy sogar um 38 Prozent auf 586 Millionen US-Dollar zulegte. Die Gesamterlöse aus HIV-Therapien erhöhten sich um 6 Prozent auf 4,6 Milliarden US-Dollar, was die anhaltende Bedeutung des HIV-Segmentes für Gileads Geschäftsmodell unterstreicht. Der Fall wirft ein Licht auf die ethischen Herausforderungen und regulatorischen Anforderungen, denen sich Pharmaunternehmen gegenübersehen, wenn es um die Vermarktung kostenintensiver Medikamente geht. Im Gesundheitswesen sind Transparenz und die Vermeidung von Interessenkonflikten entscheidend, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu bewahren und gleichzeitig Patienten den Zugang zu notwendigen Therapien zu gewährleisten. Für politische Entscheidungsträger und Gesundheitsbehörden bedeutet die Einigung mit Gilead einen wichtigen Schritt, um die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen durch die Industrie zu kontrollieren und Fehlanreize bei der Verschreibungspraxis zu minimieren.