New York City steht seit vielen Jahren vor einer großen Herausforderung: bezahlbaren Wohnraum für Bewohner mit geringem oder mittlerem Einkommen verfügbar zu machen. Trotz gewaltiger Investitionen in Neubauten und die Sanierung bestehender Wohnungen bleiben viele dieser Einheiten nach dem Auszug der bisherigen Mieter für unzumutbar lange Zeit unvermietet. Dies stellt nicht nur eine Verschwendung knapper Ressourcen dar, sondern verschärft auch die ohnehin prekäre Lage auf dem Wohnungsmarkt der Metropole. Ursächlich für diese Leerstände sind insbesondere bürokratische Hürden im Zusammenhang mit der städtischen Wohnvermittlungsplattform Housing Connect. Seit langer Zeit fordert die Stadt, dass alle Vermietungen bezahlbarer Wohnungen verpflichtend über eine Lotterie abgewickelt werden, die sicherstellen soll, dass nur sozial berechtigte Mieter Zugang zu diesen Wohnungen erhalten.
Diese Regelung soll Transparenz und Fairness gewährleisten, hat in der Praxis aber zu erheblichen Verzögerungen geführt. Ab dem 1. Mai 2025 wird das New Yorker Amt für Wohnungsbau- und Entwicklung (Department of Housing Preservation and Development, HPD) eine befristete Änderung umsetzen. Die bisherige Lotterieplicht für sogenannte „Re-Rentals“ – also Wohnungen, die erneut vermietet werden, nachdem ein Mieter ausgezogen ist – wird für zunächst zwölf Monate ausgesetzt. Vermieter dürfen ihre frei gewordenen Wohnungen dann auf regulären Immobilienportalen wie StreetEasy anbieten, und Interessenten können direkt bei der Hausverwaltung oder über ein neu geschaffenes Online-Portal für Wiedervermietungen aktiv werden.
Die Lotteriepflicht bleibt allerdings für Neubauwohnungen bestehen. Mit diesem Schritt reagiert die Stadt auf Analysen und Berichte, die aufzeigen, dass viele bezahlbare Wohnungen monatelang leerstehen, obwohl es eine Nachfrage seitens qualifizierter Mieter gibt. Die New York Housing Conference und investigative Recherchen der Lokalnachrichtenplattform Gothamist trugen maßgeblich dazu bei, die Problematik öffentlich zu machen und politischen Druck aufzubauen. Besonders betroffen sind Wohnungen, die von gemeinnützigen Organisationen und Unternehmen verwaltet werden, die im Gegenzug für Steuervergünstigungen oder zinsgünstige Kredite Mieter zu festgelegten Einkommensgrenzen aufnehmen müssen. Laut Angaben des HPD stellen zwischen zwei und fünf Prozent der bezahlbaren Wohnungen jährlich „Re-Rental“-Vacancies dar.
Dieser Anteil mag auf den ersten Blick gering erscheinen, bedeutet jedoch angesichts der Größenordnung des Wohnungsbestandes in Millionenhöhe eine enorme Zahl leerstehender Einheiten, die dringend benötigt werden. Die Sprecherin des Wohnungsamtes, Natasha Kersey, erläuterte, dass die vorübergehende Aufhebung der Lotteriepflicht den Vermietungsprozess erheblich beschleunigen soll. Die Stadt befindet sich parallel dazu in einem umfassenden Prozess der Überarbeitung und Modernisierung von Housing Connect, um künftig flexiblere und effizientere Mechanismen für die Wohnungsvergabe einzuführen. Ziel ist es, den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum zu erleichtern und gleichzeitig die Anforderungen an faire Vergabeverfahren einzuhalten. Auch auf politischer Ebene gibt es Unterstützung für die Reform.
Pierina Sanchez, Vorsitzende des Housing Committees im Stadtrat und Vertretung des Bronx-Bezirks, hat sich bereits öffentlich für eine Überarbeitung der Wiedervermietungsprozesse eingesetzt. Nach eigenen Angaben wertet sie die temporäre Maßnahme als notwendigen Schritt, kritisiert jedoch, dass die grundlegenden Probleme mit der Lotterie noch nicht gelöst seien. Geplant ist eine öffentliche Anhörung, bei der Vertreter der Stadtverwaltung, Wohnungsbaugesellschaften und Mieterinteressen zusammenkommen sollen, um langfristige strategische Lösungen zu erarbeiten. Der praktische Nutzen der Neuregelung zeigt sich bereits in der Bronx in einem 108 Jahre alten, von der gemeinnützigen University Neighborhood Housing Program (UNHP) renovierten Altbau. Dort war eine preiswerte Zwei-Zimmer-Wohnung trotz ihrer Attraktivität und fairen Mietkonditionen seit über einem Jahr leer gestanden.
Grund waren mangelnde Resonanzen aus der Lotterieliste, denn die vorgeschlagenen Interessenten fühlten sich aus unterschiedlichen Gründen nicht zu dem Appartement hingezogen. Erst durch die neue Ausnahmeregel konnte ein Mieter gefunden werden, der direkt auf das Angebot reagierte. Brendan Mitchell, der für UNHP die Immobilienverwaltung leitet, unterstreicht die enorme Erleichterung, die diese Änderung mit sich bringt. Umgehend wurden weitere Wohnungen an einkommensqualifizierte und wohnberechtigte Familien vermittelt, die zuvor über die gängigen Kanäle nicht erfolgreich erreicht werden konnten. Ein zusätzlicher Vorteil ergibt sich auch aus finanzieller Sicht, da Leerstandszeiten die Einnahmen der Vermieter deutlich schmälern und so den Betrieb der Wohnanlagen erschweren.
Während der Novum vorerst nur eine befristete Ausnahmeregelung darstellt, könnte sie mittelfristig eine wegweisende Reform sein. Rachel Fee, Geschäftsführerin der New York Housing Conference, begrüßte die Maßnahme als Schritt in die richtige Richtung, betonte jedoch die Notwendigkeit, den Prozess nach Ablauf der 12 Monate weiter zu beobachten und gegebenenfalls zu verlängern oder anzupassen. Für sie ist klar, dass die bisherigen Verfahren nicht effizient genug waren, um dem dringenden Bedarf an bezahlbarem Wohnraum nachzukommen. Die Aufhebung der Lotterieplicht für Wiedervermietungen wird wohl auch bei Wohnungssuchenden auf großes Interesse stoßen. Die direkte Kontaktaufnahme mit Hausverwaltungen sowie die Möglichkeit, Wohnungen schneller im Internet zu finden und anzumieten, könnten mehreren hunderttausend New Yorkern den Weg in ein neues Zuhause ebnen.
Gleichwohl ist es wichtig, die Balance zwischen einem schnellen Vermietungsprozess und der Gewährleistung sozialer Fairness und Inklusion zu wahren. Aus Sicht der Stadtverwaltung ist die Anpassung ein pragmatischer Schritt gegen die gravierenden Engpässe auf dem angespannten Wohnungsmarkt. Sie signalisiert zugleich die Bereitschaft, altbewährte Verfahren kritisch zu hinterfragen und neue Wege zu gehen. Die Herausforderung der nächsten Monate wird darin bestehen, die neu gewonnenen Freiheiten so zu nutzen, dass effektiver Wohnraum schnell an Berechtigte vermittelt wird, ohne die ursprünglichen Ziele der sozialen Wohnungsförderung zu verwässern. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass New York City mit der vorübergehenden Aussetzung der Lotterievorschriften für Wiedervermietungen einen pragmatischen Umgang mit einem dynamischen Problem zeigt.
Dies könnte ein Vorbild für andere Großstädte sein, die ebenfalls mit der Schwierigkeit kämpfen, bezahlbare Wohnungen effizient an die Bedarfe ihrer Bürger zu bringen. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Re-Lotteriesystem künftig verändert und ob der geplante Ausbau von Housing Connect zu einem reibungsloseren und transparenteren Verfahren führt. Für Mieter und Vermieter eröffnet die neue Regelung Chancen auf mehr Flexibilität und Tempo, für die Stadtverwaltung ist sie zugleich ein Prüfstein, ob die gegenwärtigen Reformen im Bereich der Wohnungsvermarktung den gewünschten Erfolg bringen. Angesichts der weiterhin hohen Nachfrage nach preiswertem Wohnraum bleibt das Thema von zentraler Bedeutung für die Stadtentwicklung und soziale Gerechtigkeit in New York City.