In den westlichen Vororten Sydneys hat sich eine ungewöhnliche, aber äußerst faszinierende Verhaltensweise einer lokalen Population von Schwefelhauben-Kakadus etabliert. Diese Vögel, bekannt für ihre markante gelbe Haube und ihre lauten Rufe, wurden dabei beobachtet, wie sie die gewöhnlichen Trinkbrunnen in Sportparks selbstständig bedienten. Das Besondere daran ist, dass diese Brunnen mit Drehknöpfen ausgestattet sind, die oft eine erhebliche Kraft und Geschicklichkeit erfordern, um Wasser fließen zu lassen – Fähigkeiten, die man klassischerweise eher bei Primaten erwartet. Die Kakadus hingegen haben dieses innovative Verhalten zu einer Art Tradition innerhalb ihrer Gruppe gemacht und setzen es regelmäßig für ihre tägliche Trinkversorgung ein. Wissenschaftler, die dieses Phänomen untersuchten, waren beeindruckt von der Komplexität der Bewegungen, die zum Bedienen der Brunnen nötig sind.
Die Kakadus benutzen ihren Fuß, um den Drehgriff zu betätigen, während sie ihren Körpergewicht einsetzen, um den Hebel in der richtigen Position zu halten. Diese koordinierte Aktion ist keine einfache motorische Leistung für einen Vogel, deren Anatomie vollkommen anders aufgebaut ist als die von Menschen. Es erfordert neben Kraft auch präzise Bewegungen, die auf ausgeprägte kognitive Fähigkeiten hindeuten. Das Forschungsprojekt wurde über mehrere Wochen hinweg mit Videokameras dokumentiert. Dabei wurde bekannt, dass sich die Kraftakte des Trinkens teilweise organisierten und sich bis zu 200 Tiere an einem Brunnen abwechselnd versuchten.
Über 500 Versuche wurden aufgezeichnet, wobei die Erfolgschance der Vögel bei etwa 41 Prozent lag. Besonders bemerkenswert war, dass der Großteil der lokalen Population – rund 70 Prozent – an diesem Verhalten beteiligt war, gleichgültig ob jung oder alt, männlich oder weiblich. Diese Verhaltensweisen der Schwefelhauben-Kakadus sind nicht nur aus ethologischer Sicht bemerkenswert, sondern auch im Kontext von Stadtökologie und Tierverhalten von Interesse. Es zeigt sich deutlich, dass diese Vögel nicht nur anpassungsfähig sind, sondern auf erstaunliche Weise ihre Umgebung aktiv gestalten und nutzen. Bereits zuvor war bekannt, dass dieselben Tiere Mülltonnen öffnen können, um an Essensreste zu gelangen – ein typisches Beispiel für ihre Problemlösungsfähigkeiten und soziale Lernprozesse.
Allerdings ist das Bedienen der Trinkbrunnen technisch anspruchsvoller und erfordert präzise Motorik, die nicht ausschließlich von physischen Kräften abhängt, sondern von kognitiven Strategien und vielleicht auch sozialem Lernen. Das Gehirn der Kakadus ist – im Verhältnis zur Körpergröße – außergewöhnlich groß und ähnelt in neuronaler Dichte sogar dem von Primaten wie Schimpansen. Das ermöglicht ihnen eine fortgeschrittene Intelligenz, die sich in Werkzeuggebrauch, Problemlösung und sozialem Verhalten manifestiert. Auch in der Wissenschaft wird ihre kognitive Leistung zunehmend beachtet, da sie komplexe Aufgaben meistern, die früher eher Vögeln wie Krähen oder Papageienarten aus entfernteren Teilen der Welt zugeschrieben wurden. Ein weiterer Aspekt, der von den Forschern diskutiert wurde, betrifft die Wahl des Trinkbrunnens als Wasserquelle.
In städtischen Räumen gibt es oft alternative Möglichkeiten wie Seen, Teiche oder natürliche Pfützen. Dennoch bevorzugen die Kakadus die öffentlichen Wasserspender. Dies könnte an mehreren Faktoren liegen. Einerseits könnten die Brunnen vergleichsweise sauberes Wasser liefern, das weniger Krankheitserreger oder Schadstoffe enthält als stehende Gewässer. Verschiedene Expertinnen und Experten vermuten, dass die Vögel den Geschmack des Wassers als besonders angenehm empfinden oder dass die erhöhte Position der Trinkbrunnen einen besseren Überblick über die Umgebung und potenzielle Gefahren ermöglicht.
Gefahren durch Raubtiere am Boden könnten eine Erklärung sein, warum die Tiere das Wasser aus einem Gerät trinken, das etwa einen Meter über dem Boden angebracht ist. Diese erhöhte Lage bietet Sicherheit bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, was wichtig für das Überleben urbaner Tierarten ist. Außerdem zeigt das Verhalten der Kakadus, dass sie nicht nur an kurzfristigen Belohnungen interessiert sind, sondern auch Freude an komplexen Aktivitäten haben könnten, selbst wenn diese keinen direkten Nahrungsnutzen bieten. Die Verhaltensforscher möchten in zukünftigen Studien genauer erforschen, ob dieses innovative Trinkverhalten erlernt wird und wie es sich innerhalb der Population ausbreitet. Es ist bekannt, dass Vögel komplexe soziale Lernmechanismen besitzen, wodurch neue Verhaltensweisen schnell von Tier zu Tier weitergegeben werden können.
Die Rolle von Jungen und Männchen bei der Verbreitung solcher Techniken wird ebenfalls untersucht, da Beobachtungen zeigen, dass beim Öffnen von Mülleimern meist männliche Tiere dominieren, während das Drehen der Trinkbrunnen von allen Alters- und Geschlechtsgruppen durchgeführt wird. Neben dem wissenschaftlichen Interesse hat dieses Verhalten auch praktische Implikationen für das urbane Management von Wildtieren. Die Anpassung von Tieren an menschliche Umgebungen stellt Städte vor neue Herausforderungen. Einerseits bieten menschliche Einrichtungen neue Ressourcen für Tiere, andererseits können manche Arten durch ihre Anpassungsfähigkeit zu Konflikten führen. Die Schwefelhauben-Kakadus sind dafür ein Paradebeispiel, da sie als intelligent und anpassungsfähig gelten, aber auch durch ihre Größe, Lautstärke und das bei der Müllsuche verursachte Chaos teilweise als störend empfunden werden.
Forscherinnen und Forschern zufolge könnten solche Verhaltensbeobachtungen dazu beitragen, Städte so zu gestalten, dass eine größere Artenvielfalt möglich ist und gleichzeitig Konflikte minimiert werden. Zum Beispiel könnten Wasserquellen so gestaltet werden, dass sie von weniger anpassungsfähigen Arten genutzt werden können oder der Zugang zu Müllbehältern besser kontrolliert werden, um das Bedürfnis der Kakadus nach Nahrungssuche auf natürliche Weise einzuschränken. Interessierte Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, ungewöhnliche Verhaltensweisen von Kakadus und anderen Stadttieren zu melden, wodurch ein noch genaueres Bild dieser urbanen Ökosysteme entsteht. Digitale Plattformen wie die Big City Birds App ermöglichen es, solche Beobachtungen zu dokumentieren und so die wissenschaftliche Forschung zu unterstützen. Allen voran zeigen die Schwefelhauben-Kakadus, wie erstaunlich anpassungsfähig Wildtiere in einer von Menschen dominierten Welt sein können.
Durch ihre Intelligenz und ihr soziales Lernen entwickeln sie neue Strategien, um Ressourcen zu erschließen und sich in städtische Habitate zu integrieren. Diese Erkenntnisse bereichern nicht nur unser Verständnis von Tierverhalten, sondern fördern auch das Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, urbane Lebensräume so zu gestalten, dass Mensch und Tier nebeneinander existieren und voneinander profitieren können.