Südkorea steht 2025 vor einem bedeutenden politischen Wandel, denn der Frontläufer der anstehenden Präsidentschaftswahl, Lee Jae-myung, hat seine Kandidatur offiziell verkündet. Dieser Schritt markiert den Auftakt zu einem intensiven Wettbewerb um die Führung der Republik Korea, der in einem außergewöhnlichen politischen Klima stattfindet. Die Wahl am 3. Juni folgt auf die bestätigte Amtsenthebung von Präsident Yoon Suk Yeol, dessen Umgang mit dem im Dezember verhängten Kriegsrecht heftige Kritik hervorrief und tiefgreifende Diskussionen im Land entzündete. Lee Jae-myung, ehemaliger Ministerpräsident und Vorsitzender der größten Oppositionspartei, der Demokratischen Partei, tritt erneut in den Ring, nachdem er bei der Präsidentschaftswahl 2022 nur knapp unterlegen war – dem engsten Ergebnis in der Geschichte des Landes.
Sein erneutes Engagement wird von vielen als Chance gesehen, die politische Landschaft Südkoreas maßgeblich zu verändern und auf sozialer wie wirtschaftlicher Ebene dringend benötigte Reformen anzustoßen. Im Zentrum von Lees politischer Agenda stehen vor allem die Überwindung der wachsenden sozialen Ungleichheit und die Wiederbelebung der wirtschaftlichen Dynamik in Südkorea. In einem veröffentlichten Video betonte er, dass die zunehmende wirtschaftliche Polarisierung nicht nur eine Quelle tiefgreifender gesellschaftlicher Konflikte sei, sondern auch maßgeblich zur jüngsten politischen Instabilität beigetragen habe. Lees Vision ist es, durch gezielte staatliche Investitionen vor allem in Technologie und Talentförderung eine neue Welle des Wachstums zu entfesseln. Damit will er Südkorea sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich stabilisieren.
Die Herausforderungen, vor denen Lee bei einem möglichen Amtsantritt steht, sind jedoch nicht gering. Zum einen sieht sich der Kandidat diversen juristischen Schwierigkeiten gegenüber, unter anderem Anklagen wegen Korruption und Verwicklungen in einen milliardenschweren Immobilienentwicklungs-Skandal. Obwohl einige seiner Verurteilungen bereits aufgehoben wurden, ist unklar, ob ein endgültiges Gerichtsurteil seine Kandidatur behindern könnte. Zum anderen steht er vor der Aufgabe, die Spannungen in der regionalen Diplomatie geschickt zu managen. Die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, Südkoreas wichtigstem Sicherheitsbündnispartner, sind nach der Amtsenthebung von Präsident Yoon schwieriger geworden.
Auch die Verbindung zu Japan ist angespannt, was einen vorsichtigen und pragmatischen außenpolitischen Kurs erfordert. Lee selbst betont, dass die nationale Selbstinteressen im Mittelpunkt einer erfolgreichen Außenpolitik stehen müssen, ohne jedoch die Bedeutung der Allianz mit den USA und die trilaterale Zusammenarbeit mit Japan zu vernachlässigen. Damit positioniert er sich als realistischer Pragmatiker, der die geopolitischen Herausforderungen in der Region mit Bedacht und Weitblick angehen möchte. Die konservative Seite Südkoreas befindet sich hingegen in einem Wettbewerb mit mehreren Bewerbern um die Nominierung. Der Einfluss der regierenden People Power Party ist bei den aktuellen Umfragen gering, viele Kandidaten liegen mit einstelligen Prozentzahlen hinter Lee zurück.
Wichtige Figuren wie der ehemalige Justizminister Han Dong-hoon und der Bürgermeister von Seoul, Oh Se-hoon, zählen zu den möglichen Anwärtern, während Ahn Cheol-soo ebenfalls als Kandidat gemeldet ist. Das breite Kandidatenfeld spiegelt die Unsicherheit und Fragmentierung der konservativen Kräfte wider, die hinter dem starken Oppositionskandidaten hinterherhinken. Im Vorfeld der Wahl zeigen Umfragen eine deutliche Tendenz zugunsten Lee Jae-myungs. Eine Gallup-Umfrage vom 4. April nannte ihn mit 34 Prozent als bevorzugten Kandidaten, während der führende konservative Gegenkandidat lediglich auf 9 Prozent kam.
Diese Werte unterstreichen Lees starke Position und die wachsende Unterstützung in der liberalen Wählerschaft, insbesondere angesichts des enormen Gewinns seiner Partei bei den Parlamentswahlen im Jahr zuvor. Ein Ereignis, das Lee zusätzlichen Respekt und Sympathie einbrachte, war der Überlebenskampf nach einem Messerangriff Anfang 2024, bei dem er schwer verletzt wurde. Dieses Attentat verstärkte die Wahrnehmung seiner Persönlichkeit als engagierter und widerstandsfähiger Politiker, der sich trotz mancher Widrigkeiten für sein Land einsetzt. Die wirtschaftliche Lage Südkoreas ist ein weiterer zentraler Faktor im Wahlkampf und wird von Lee besonders hervorgehoben. Das Land ist stark vom Export abhängig, was es anfällig für internationale Handelsstreitigkeiten macht.
In den letzten Monaten waren insbesondere die Handelsbeziehungen zu den USA von Spannungen geprägt, vor allem durch von Washington verhängte Zölle. Ein neuer Präsident wird die schwierige Aufgabe übernehmen müssen, diese Handelshemmnisse zu verhandeln und gleichzeitig Südkorea als Wettbewerber auf dem globalen Markt zu stärken. Lee sieht in einer Investitionsoffensive in Zukunftstechnologien und der Förderung qualifizierter Arbeitskräfte die Schlüssel, um die Wettbewerbsfähigkeit Südkoreas zu sichern. Die Betonung auf Technologie spiegelt auch die globale Bedeutung von Innovation und digitalen Entwicklungen wider, die in der modernen Wirtschaft immer mehr zum Erfolgsfaktor avancieren. Die innenpolitische Stabilisierung wird dabei ein ebenso sensibles Thema bleiben.
Nach der umstrittenen Martial-Law-Verordnung durch den ehemaligen Präsidenten Yoon ist das Vertrauen in die politische Führung erschüttert. Lee spricht sich für Maßnahmen aus, die soziale Ungleichheit senken und den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken sollen, um so die politischen Spannungen zu mildern. Der Ausgang der Präsidentschaftswahl wird weitreichende Folgen für Südkoreas politische Ausrichtung und seine Position in der Welt haben. Lees Kandidatur steht dabei symbolisch für den Wunsch nach Veränderung, die vor allem von einer großen Wählerschicht getragen wird, die sich weniger mit den bisherigen konservativen Regierungen identifiziert. Gleichzeitig ist die Wahl ein Prüfstein für die politische Reife und die demokratischen Prozesse Südkoreas inmitten turbulenter Zeiten.
Die internationale Gemeinschaft beobachtet die Entwicklung mit großem Interesse. Das strategisch wichtige Land spielt eine entscheidende Rolle in der Balance zwischen China, den USA und anderen regionalen Akteuren. Lees angekündigte Politik könnte den Einfluss Südkoreas in der Region neu definieren und die diplomatischen Beziehungen in Ostasien nachhaltig beeinflussen. Nicht zuletzt ist die Wahl auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Veränderungen in Südkorea. Die junge Generation und städtische Wählergruppen zeigen klare Präferenzen für Reformen und ein soziales Sicherheitsnetz, das für mehr Gerechtigkeit sorgt.
In Lees programmatischem Angebot finden sie Antworten auf ihre Anliegen, und seine Wahlchancen spiegeln dieses Bedürfnis nach Neuorientierung wider. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Lee Jae-myung als erfahrener Politiker mit einem innovativen Programm und einem starken Rückhalt in der Bevölkerung in eine entscheidende Phase eintritt. Mit klaren Versprechen gegen wirtschaftliche Ungleichheit, einer pragmatischen Herangehensweise an die Außenpolitik und einem Fokus auf technologischen Fortschritt stellt er sich den Herausforderungen eines Landes, das an einem Scheideweg steht. Das Rennen um die Präsidentschaft wird nicht nur über die Zukunft Südkoreas entscheiden, sondern auch über die Rolle des Landes in einer zunehmend komplexeren globalen Landschaft.